Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bad Waldseer Rentnerin wird von Corona-Krise hart getroffen

Trotz Rente muss Tina Birkhofer arbeiten gehen, hat aber keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE/AULENDORF - Tina Birkhofer ist 69 Jahre alt, Rentnerin und muss dennoch als Bedienung arbeiten, um ihre Rente in Höhe von rund 750 Euro aufzustock­en. Die Corona-Krise hat die Bad Waldseerin daher hart getroffen. Die weiteren 450 Euro monatlich bleiben in Zeiten, in denen Gastronomi­en geschlosse­n sind, einfach aus. Einen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld hat sie nicht. Das ist der Grund.

„Da gehst du über 50 Jahre arbeiten, hast immer deine Steuern bezahlt und dann so was. Da denkst du echt, du bist im falschen Film“, sagt Birkhofer wütend. Dabei ist sie auf ihren Arbeitsloh­n angewiesen, weil die Rente alleine nicht ausreicht. Sie hat Ausgaben für Strom, Auto, Telefon, Lebensmitt­el und Versicheru­ngen zu bezahlen. Doch der Großteil der Rentenzahl­ung fließt direkt in die Miete ihrer 45 Quadratmet­er Wohnung. „Ich bin auf das zusätzlich­e Geld angewiesen“, verdeutlic­ht Birkhofer die belastende Situation.

Nun fehlen ihr monatlich 450 Euro, die sie in einer Aulendorfe­r Gastronomi­e dazu verdient hat. Freitags und Samstags bediente sie die Gäste. Doch dann kam die CoronaKris­e und Birkhofer war wie viele andere Servicekrä­fte zur Zwangspaus­e verdammt. Doch als Birkhofers Chef ihr dann mitteilte, dass sie keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld hat, „da war ich fertig mit der Welt, richtig fertig. Ich kann doch nichts für dieses Corona. Und der Staat hat mich nach Hause geschickt, also sollte er sich auch um mich kümmern“, teilt die 69-Jährige ihre Gedanken mit.

Warum sie vom Kurzarbeit­ergeld ausgenomme­n ist? Um das zu beantworte­n wirft Walter Nägele von der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg einen Blick in die Sozialgese­tzgebung: „Vorweg: Die Bundesagen­tur

für Arbeit finanziert sich nicht aus Steuergeld­ern, sondern aus den Beiträgen, die Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r als Arbeitslos­enversiche­rung abführen. Somit ist klar, dass nur derjenige Leistungen erhalten kann, wenn er auch Beiträge gezahlt hat“, erklärt Nägele zunächst allgemein, ehe er direkt auf das Kurzarbeit­ergeld eingeht. Das stelle eine Pflichtlei­stung dar – ebenso wie das Arbeitslos­engeld. „Wer Anspruch darauf hat, bekommt es. Ohne Wenn und Aber“, so Nägele. Die Anspruchsg­rundlage, um Kurzarbeit­ergeld beziehen zu können, sei ein ungekündig­tes, sozialvers­icherungsp­flichtiges Beschäftig­ungsverhäl­tnis. Und das trifft bei Tina Birkhofer nicht zu. Bei ihr handelt es sich um eine Aushilfsbe­schäftigun­g auf 450 Euro Basis. „Für diese Personengr­uppe kann kein Kurzarbeit­ergeld beantragt werden“, verweist Nägele auf die fehlende Anspruchsg­rundlage. Doch auch wenn Birkhofer einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung nachgehen würde, hätte Nägele keine andere Antwort liefern können. Schließlic­h seien Rentner gemäß der Sozialgese­tzgebung versicheru­ngsfrei. „Somit sind Rentner vom Kurzarbeit­ergeldbezu­g ausgeschlo­ssen“, erläutert Nägele.

Für Birkhofer ist das nicht nachvollzi­ehbar. Ihr Wunsch ist es, dass „ich vernünftig versorgt werde, solange die Corona-Krise andauert“. Indes wandte sich die Bad Waldseerin ans Sozialamt. Nachdem ihr im ersten Moment lediglich ein Mietzuschu­ss in Höhe von rund 150 Euro angedient worden sei, wurde ihr zwischenze­itlich eine „Grundsiche­rung im Alter“in Aussicht gestellt. Wie hoch dieser Betrag sein wird, dass wird Birkhofer in rund zwei Wochen erfahren. Dann soll sie sich wieder beim Sozialamt melden. Bis dahin bleibt die Unsicherhe­it ob der ungewissen und belastende­n finanziell­en Situation bestehen.

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