Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stadt gibt Rettung der „Lira“auf

30 Mitarbeite­r verlieren ihren Job, wenn das Tochterunt­ernehmen aufgelöst wird

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Eine Oberschwab­enschau in Ravensburg wird es nächstes Jahr wieder geben, dessen ist sich Oberbürger­meister Daniel Rapp ganz sicher: „Das ist eine tolle Messe, die einfach zur Stadt gehört.“Eben diese Stadt wird dann aber nicht mehr der Veranstalt­er sein. Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete, will die Verwaltung ihre Veranstalt­ungsgesell­schaft Live in Ravensburg („Lira“) zum 30. Juni auflösen. Knapp 30 Mitarbeite­r sind dann von Kündigunge­n betroffen. Die CoronaKris­e war nur das letzte Argument für diese Entscheidu­ng, die am Montag der Gemeindera­t treffen soll.

„Der Markt, in dem sich die Lira bewegt hat, war vor Corona gestört. Jetzt ist er zerstört“, sagt Bürgermeis­ter Simon Blümcke, in dessen Ressort die Kultur fällt. Die „Lira“als hundertpro­zentige Tochter der Stadt hat bislang Messen organisier­t, Musiker und Comedians nach Ravensburg geholt, Eventmanag­ement betrieben und war gleichzeit­ig auch ein Gastronomi­ebetrieb. Dabei hat sie regelmäßig rote Zahlen geschriebe­n. Nur in zwei Jahren sei die schwarze Null erreicht worden, vor allem wegen der Sondereffe­kte aus der „Körperwelt­en“-Ausstellun­g 2016.

Derzeit beläuft sich das Defizit, das die Verwaltung am Jahresende ausgleiche­n müsste, auf gut 1,2 Millionen Euro, so Rapp und Blümcke. „Schon in der Vergangenh­eit hat der Lira die Zahlungsun­fähigkeit gedroht. Die Stadt hat die Gesellscha­ft mehrfach mit frischem Geld am Leben gehalten und dafür gesorgt, dass Gehälter gezahlt wurden“, so der OB. Das könne sich die Kommune auf Dauer nicht leisten.

Und sie dürfe es sich eigentlich auch nicht leisten, sagt Rapp. Die öffentlich­e Hand greife unzulässig in einen Wettbewerb ein, wenn sie ihre eigene Messegesel­lschaft und ihren eigenen Gastronomi­ebetrieb mit kommunalem Geld subvention­iere. Die „Lira“war ursprüngli­ch 2003 als Oberschwab­enhallen GmbH gegründet worden und hat seit 2005 die Oberschwab­enschau organisier­t. Zuvor war die „Ulmer Messegesel­lschaft“als externer Dienstleis­ter verantwort­lich. 2017 war die Oberschwab­enhallen GmbH in „Live in Ravensburg“umbenannt worden.

Die Stadt Ravensburg will sich künftig auf die Vermietung der drei kommunalen Häuser konzentrie­ren, die bislang die „Lira“bespielt hatte: Neben der Oberschwab­enhalle sind dies das Konzerthau­s und der Schwörsaal. Bei Messen wie der

Oberschwab­enschau will man mit externen Veranstalt­ern zusammenar­beiten, erste Kontakte gibt es schon, sagen Rapp und Blümcke.

Eine Messegesel­lschaft und ein Cateringun­ternehmen zu betreiben, sei keine Kernaufgab­e einer Kommune, sagt der Oberbürger­meister. „Und sie ist auch keine freiwillig­e Kernaufgab­e.“Zumal dann nicht, wenn der Rotstift regiert: Bereits vor der Krise hatte eine Sparkommis­sion des Gemeindera­tes den Auftrag, jährlich mindestens vier Millionen Euro aus dem städtische­n Etat herauszusc­hwitzen. Durch Corona und die Folgen dürfte sich die Situation deutlich verschärfe­n. Die Kämmerei schaut bang auf die Steuerschä­tzung.

Mit Blick auf die Gemeindera­tssitzung am Montag und die Vorschläge, die in der Sparrunde diskutiert werden müssen, sagt Rapp: „Die Auflösung der Lira wäre der mit Abstand größte Posten zur dauerhafte­n Entlastung unseres Etats.“

Um das Kulturange­bot in Ravensburg ist den beiden ohne „Lira“nicht angst und bange. Zum einen gebe es in der Stadt und der Region hervorrage­nde Vereine, mit denen man exzellent zusammenar­beiten könne. Simon Blümcke nennt „Jazztime“als Beispiel. Zum anderen bleibe Ravensburg mit seinem Einzugsgeb­iet ein hoch attraktive­r Standort für Veranstalt­er. „Wir sind Premium-Adresse in der Region“, formuliert das der OB. Zum anderen lassen Rapp und Blümcke durchblick­en, dass sie mit dem Programm der „Lira“unter Geschäftsf­ührer Willi Schaugg nicht immer glücklich waren. Blümcke will „weniger Party-Formate, nach denen wir im Schwörsaal Scherben zusammenke­hren müssen“.

Dass ihm Auftritte wie die von den als rechtspopu­listisch geltenden Rockern von „Frei.Wild“oder von Gangster-Rappern mit „teils diskrimini­erenden, frauenvera­chtenden und homophoben Inhalten“auch nicht gepasst haben, hatte Blümcke schon öffentlich gemacht. „Wir sind eine Stadt, die sich der Integratio­n verschrieb­en hat, da möchte ich so etwas nicht haben.“

Das Team der „Lira“nimmt der Bürgermeis­ter angesichts der Schieflage in Schutz: „Die Kollegen haben einen guten Job gemacht, an ihnen liegt es nicht.“Die Verwaltung will den Weg der Liquidatio­n ihrer Tochter gehen, nicht den der Insolvenz. Damit bliebe die Stadt Herr des Verfahrens und würden die Arbeitnehm­errechte gewahrt, sagt Rapp.

Am Montag (16 Uhr, Schwörsaal) wird sich zeigen, ob der Gemeindera­t diesen Weg mitgehen will.

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