Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Freiwilligenjahr in Bolivien abgebrochen
Lena Beck musste soziale Arbeit in La Paz wegen Corona vorzeitig beenden – nun hilft die Weingartnerin hier
WEINGARTEN – Bis August wollte sie eigentlich bleiben. So lange hätte ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Bolivien gedauert. Doch nun warf Covid-19 ihre Pläne über den Haufen, und Lena Beck wurde von jetzt auf nachher aus ihrer Freiwilligenarbeit mit den Schuhputzern in La Paz herausgerissen und kehrte nach Deutschland zurück. Von hier aus will die 18-Jährige nun mit dem Verkauf von Gesichtsmasken und Spenden sammeln ihren zurückgebliebenen Freunden helfen.
„Jetzt wäre ich in Bolivien erst so richtig angekommen und wollte mit meinen eigenen Projekten durchstarten“, sagt Lena Beck, Tochter von Rainer Beck, Fachbereichsleiter bei der Stadt Weingarten. Doch dann kam ihr die Corona-Pandemie dazwischen, und von einem Tag auf den anderen musste sie ihre Zelte im lateinamerikanischen Land abbrechen.
Wieder zurück in Oberschwaben ist die gebürtige Weingartenerin „unfassbar traurig“, dass ihr Freiwilliges Soziales Jahr auf halber Strecke so abrupt zu Ende gegangen ist. Nicht mal richtig verabschieden hätte sie sich können von den Leuten. Von den Schuhputzern von La Paz, deren Lebensbedingungen zu verbessern sie im September letzten Jahres aufgebrochen ist. Vermittelt vom Freiwilligendienst „Vamos Juntos“, was auf Deutsch heißt: Lasst uns zusammen gehen.
Ihrem überstürzten Abflug Ende März ging ein längeres Hin und Her der zuständigen Behörden zwischen Doch-bleiben-können und Ausreisen-müssen voraus. Letztlich habe das Auswärtige Amt entschieden, dass es zu gefährlich sei für die Freiwilligen im lateinamerikanischen
Land zu bleiben. Innerhalb eines Tages musste dann der Koffer gepackt sein. Wobei die Bewegungsfreiheit in Bolivien, laut Lena Beck, in den Wochen davor bereits stark eingeschränkt war.
Die strenge Ausgangssperre habe nur erlaubt, einmal in der Woche noch das Haus zu verlassen, um das Nötigste zu besorgen. Mit dieser Verordnung ist ihre soziale Arbeit praktisch weggebrochen. Hat die ehemalige Jugendgemeinderätin und Ministrantin, die letztes Jahr am Gymnasium Weingarten Abitur gemacht hat, doch die Schuhputzer von La Paz auf den Straßen und in ihren Familien aufgesucht, sich um ihre Bedürfnisse gekümmert und Kontakt zu ihrer Hilfsorganisation hergestellt.
„Vamos Juntos“will die Lebensbedingungen der Schuhputzer verbessern, besonders im Bereich Bildung, Gesundheit und gesellschaftlicher Anerkennung. Lena Beck reizte an diesem Sozialprojekt, dass sie dabei selbstverantwortlich arbeiten und sich mit ihren Ideen einbringen konnte. Nachdem sie das Vertrauen zu den Leuten im letzten halben Jahr aufgebaut hatte, wollte sie jetzt loslegen mit ihrem Antidiskriminierungsprojekt und mit Schuhputzern Schulen
und Universitäten besuchen, deren Leben und Schicksal vorstellen und damit Vorurteile und Geringschätzung diesen Menschen gegenüber abbauen.
Ganz schlimm sind diese von der Corona-Pandemie betroffen, wie so viele am Rande der Gesellschaft, weil die Ausgangssperre ihre Arbeit unmöglich macht. Damit fällt das ohnehin schon geringe Einkommen zum Unterhalt der Familien weg. Nun will Lena Beck von hier aus den Schuhputzern helfen.
Durch den Verkauf von Atemschutzmasken, die von internationalen Studenten in Weingarten gefertigt werden. Dadurch will sie Spenden sammeln, um Lebensmittelpakete für die Armen von La Paz zu schnüren. Darüber hinaus bereitet die junge Weingartnerin, die sehr gut Spanisch spricht, einen Deutschkurs für vier Bolivianer vor, Kinder von Schuhputzern, die ab Herbst in Deutschland ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren wollen.
Von den Menschen in Lateinamerika habe sie gelernt, die Dinge viel gelassener anzugehen, auch wenn die Lage nicht rosig sei. Irgendwie schaffe man es immer. Sie hofft sehr, im Rahmen ihres Studiums, wahrscheinlich der Sozialarbeit, wieder mal nach La Paz und zu den Schuhputzern zu kommen. Sie muss sich ja noch verabschieden.