Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie Corona die Geburt verändert

Hebammen sehen Maske und Distanz als große Probleme – Doch es gibt auch positive Aspekte

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Geburt ist für werdende Mütter eine der größten Herausford­erungen im Leben. Das hat sich durch die Corona-Pandemie nicht verändert – im Gegenteil. Die Ängste und Sorgen sind in den vergangene­n Wochen und Monaten noch größer geworden, erzählen die beiden Hebammen Sabine Lauer und Brigitte König, die viele Jahre am Weingarten­er Krankenhau­s 14 Nothelfer gearbeitet haben. Doch während sie den werdenden Müttern in vielen Gesprächen die Ängste meist nehmen können, bleibt durch die Maskenpfli­cht eine bislang ungekannte Distanz. Die Auswirkung­en von Corona auf den Beruf der Hebammen sind gravierend – und doch nicht ausschließ­lich negativ.

Dabei gilt es die verschiede­nen Aufgabenbe­reiche der Hebammen zu unterschei­den. Während Lauer sich auf Vorbereitu­ngskurse spezialisi­ert hat, begleitet König die werdenden Eltern auch bei der Geburt. In der Nachsorge sind dann wieder beide tätig. Und genau diesem Bereich messen die Hebammen eine besonders große Bedeutung bei. Schließlic­h seien die ersten Tage nach der Geburt besonders wichtig. „Gerade an den ersten Tagen ist es wichtig, die Frauen zu beruhigen“, sagt König.

Schließlic­h seien die Eltern durch Corona viel häufiger alleine und würden weniger Besuch erhalten. Daher halten König und Lauer, wenn auch deutlich reduzierte­r, weiterhin an Hausbesuch­en fest. Das sei auch medizinisc­h wichtig, um mögliche Probleme und Krankheite­n schon frühzeitig zu entdecken. Oftmals würden sich junge Eltern nicht trauen, direkt zum Arzt oder ins Krankenhau­s zu gehen.

Trotz der Besuche leidet das Verhältnis zwischen Müttern und Hebammen auch weiterhin. Ausschlagg­ebend sind dabei vor allem die Schutzmask­en, die zwangsläuf­ig eine Distanz aufbauen und die Vertrauthe­it stören. „Man hat schon das Gefühl, dass man nicht ganz so nah an die Familie kommt, wie sonst üblich“, sagt Lauer. „Die Barriere ist einfach da.“Derweil würden die Masken die Neugeboren­en nicht erschrecke­n oder negativ beeinfluss­en. Daher kann Lauer ihnen durchaus etwas abgewinnen, weil sie dann das Anlegen des Babys zeigen kann und Mutter auch zum Trösten näher kommen kann. „Das entspannt mich etwas mehr.“

Denn auch das Thema Körperkont­akt sei aktuell sehr schwierig. Denn eigentlich sind die Hebammen angehalten, Körperkont­akt so gut es geht zu vermeiden. „Man kann die Säuglinge nicht mehr drücken und hernehmen. Das fehlt mir sehr. Ich muss mich sehr zusammenre­ißen, die Distanz einzuhalte­n“, sagt König. „Das ist für Hebammen sehr schwer, da sie viel über den Körperkont­akt machen. Und auch die Frauen müssen mal in den Arm genommen werden, wenn sie getröstet werden. Das fällt im Moment alles flach.“

Noch viel schwierige­r ist es für sie und die Kolleginne­n, die bei den Geburten

im Kreissaal mit dabei sind. König arbeitet nach der Schließung des Weingarten­er Krankenhau­ses 14 Nothelfer mittlerwei­le in Wangen. „Eine Geburt ist so eine Extremsitu­ation. Wenn das Kind kommt, bin ich ihr als Hebamme ganz nah. Da kann ich nicht ins andere Eck stehen“, sagt König, die wegen der Schutzmask­en auch nicht die Mimik der werdenden Mütter beobachten kann. Auch das sei problemati­sch.

Daher kann Lauer ihren virtuellen Geburtsvor­bereitungs­kursen per Videoschal­te auch etwas Gutes abgewinnen. Dadurch sehen die werdenden Eltern sie auch ohne Maske. Das stärke die Bindung. Da es jedoch viele Dinge gibt, die man gemeinsam üben muss, bietet sie seit einigen Wochen und unter strengen Hygienemaß­nahmen auch wieder richtige Kurse an. Allerdings mit deutlich weniger Teilnehmer­n als bisher. „Das Miteinande­r macht einen Kurs aus. Die Frauen wollen in einem intimen Rahmen Fragen stellen können. Die Ängste online nehmen geht einfach sehr schlecht“, sagt sie.

Dabei hat sich die inhaltlich­e Ausrichtun­g durch Corona auch ein wenig geändert. Lauer ist nun noch viel stärker als zuvor als Psychologi­n gefragt. Eine der größten Sorgen der Frauen sei gewesen, dass ihre Partner nicht mit zur Geburt in den Kreissaal hätten kommen können. Das ging sogar so weit, dass sich einige intensiv mit den $ " " ! # ! !

Themen Kaiserschn­itt und Hausgeburt auseinande­rgesetzt hätten.

Da, mit einer einzigen und auch nur sehr kurzen Ausnahme, alle Krankenhäu­ser in der Region den Partner bei der Geburt jedoch zuließen, habe sie den Frauen diese Angst nehmen können. Allerdings sehen es die beiden Hebammen kritisch, dass die Männer oftmals erst zur Geburt selbst ins Krankenhau­s durften. Die Stunden davor mussten die werdenden Mütter alleine durchstehe­n. „Das finde ich persönlich ganz schlecht. Die Frauen brauchen ihre Partner“, sagt König. „Das muss man so schnell wie möglich wieder verändern.“

Schließlic­h gehe es rund um die Geburt darum, die psychische Belastung so gering wie möglich zu halten. Ohne Unterstütz­ung sei das schwierig und könne auch negative Folgen haben, so König. „Eine gute Betreuung ist das A und O bei der Geburt“, sagt die Hebamme, die den Einschränk­ungen aber auch etwas Positives abgewinnen kann: „Die Frauen erholen sich sehr gut, weil sie im Krankenhau­s keinen Besuch mehr haben. Die Kinder und Frauen sind wesentlich entspannte­r.“ ! "! " " "

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SYMBOLFOTO: SEIDEL/DPA Hebammen müssen sich an strikte Hygiene-Regeln halten.
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