Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Eltern leisten unglaubliche Unterstützung“
Direktor des Bodnegger Bildungszentrums über Probleme und Chancen des digitalen Unterrichts
BODNEGG - Für die 675 Schüler der Grundschule, Werkrealschule und Realschule des Bildungszentrums in Bodnegg heißt es seit dem 17. März zu Hause lernen und eingeschränkter Präsenzunterricht. Schulleiter Alexander Matt war in der jüngsten Gemeinderatssitzung zu Gast und hat die Räte über die Situation an der Schule informiert. Anschließend hat er sich mit Bettina Musch darüber unterhalten.
Herr Matt, ab dem 17. März hat der Lockdown auch das Bildungszentrum Bodnegg (BZB) getroffen, und die Schüler mussten zu Hause lernen. Wie wurde das umgesetzt? Für die Schüler der Real- und Werkrealschule haben unsere beiden EDV-Kollegen innerhalb eines Tages ein Moodle-System für unsere Schule aufgebaut. Jede Klasse hat einen eigenen digitalen Klassenraum, der in die Abteilungen Mathe, Deutsch, Englisch und „sonstige Fächer“unterteilt ist. Diese virtuellen Räume können, geschützt mit einem Passwort, von den Schülern betreten werden. Die jeweilige Lehrkraft stellt Materialien, Aufgaben, Links, Videoclips und Weiteres zum Download bereit. Das Portal ermöglicht auch Videokonferenzen mit einzelnen Schülern oder der ganzen Klasse über „Big Blue Button“. Aufgaben werden auf diesem Wege auch an die Lehrkräfte zurückgeschickt und korrigiert. Mitteilungen und Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften sind ebenfalls über diese Plattform möglich.
Und in der Grundschule?
In der Grundschule wurden mit Tablets und über E-Mails ebenfalls digitale Wege genutzt. Darüber hinaus wurde der Kontakt zu den Grundschülern auch mit Materialien gehalten, die in Ablagekörbe an der Schule gelegt wurden, mit Postversand, mit telefonischer Beratung oder persönlicher Beratung. Das BZB hat umfassende Hygienemaßnahmen getroffen, die Schüler informiert und instruiert über Abstandsregelungen und Einschränkungen.
Wie sieht das konkret im Unterricht und in den Pausen aus? Müssen beispielsweise Masken getragen werden und wie macht die Schülerschaft da mit?
Alle Klassen sind geteilt, haben ihr eigenes Klassenzimmer, den ihnen zugewiesenen Eingang, Toilette und einen eigenen Pausenbereich auf dem Schulgelände. Masken werden auf dem Schulgelände, in den Gängen und im Klassenzimmer getragen. Am Anfang jeder Stunde einigen sich Lehrkräfte und Schüler, ob die Maske während des Unterrichts abgenommen wird, was meist der Fall ist. Gegessen und getrunken wird in den kleinen Pausen im Klassenzimmer am Platz mit Abstand. In der großen Pause wird die Maske aufgesetzt. Unsere Schülerschaft akzeptiert zum überwiegenden Teil alle Regeln und hält sich daran. Die pädagogische Botschaft „Wir schützen uns und andere durch Masken, Hygiene und Abstand“wird verstanden und angenommen.
Seit dem 20. Mai laufen die Prüfungen der Abschlussklassen. Wo liegen da die Schwierigkeiten? Bislang traten keine Schwierigkeiten auf, allenfalls Herausforderungen. Im Hinblick auf die Prüfungen mache ich mir keine Sorgen. Die Schüler sind gut vorbereitet, haben seit Mitte März mit ihren Lehrkräften sehr viel geübt.
Sie haben keine Nachteile. Herausfordernd ist natürlich die Tatsache, dass wir wegen der Abstandsregeln die Festhalle nicht als Prüfungsraum für alle Schüler gleichzeitig nutzen können. Wir schreiben die Prüfung daher verteilt auf acht Klassenzimmer, mit der Notwendigkeit etwa 20 Lehrkräfte zeitgleich in der Aufsicht zu binden.
Nicht alle Schüler haben die Möglichkeit, digital am Unterricht teilzunehmen. Wie wurde das gelöst? Und gab es in der Schülerschaft auch grundsätzliche Probleme mit der Teilnahme am Präsenzunterricht? Nach den Osterferien sind unsere Schulsozialarbeiterin und ein EDVKollege gezielt zu Schülern gefahren, die Probleme mit der digitalen Infrastruktur hatten. Teilweise haben wir den Familien auch Tablets ausgeliehen. Andere, wie beispielsweise auch vereinzelt Schüler aus Risikogruppen, wurden telefonisch beraten oder ihnen wurden Materialien mit der Post zugeschickt. Seit dem 4. Mai holen wir 37 Schüler, die mit den digitalen Angeboten nicht klarkommen, verteilt auf fünf Tage in die Schule. Die Teilnahme am Präsenz-unterricht verläuft bislang reibungslos.
Das BZB hat seit über 50 Jahren einen zuverlässigen Ganztagsbetrieb. Dazu gehört auch ein Mittagstisch, für den das Essen frisch gekocht wird. Wie ist das zur Zeit geregelt?
Bisher haben wir auf Nachmittagsunterricht und folglich auch auf den Mittagstisch verzichtet. Dies wird sich nach den Pfingstferien ändern. Ab dann holen wir wieder alle Schüler tageweise, aufgeteilt in Kleingruppen in die Schule und fahren auch den Nachmittagsunterricht und den Mensabetrieb wieder hoch, natürlich unter Berücksichtigung der Hygienebestimmungen. Dafür legen wir neue Zeitfenster fest, um die Abstandsregeln in der Mensa einhalten zu können.
Auch die Schulbusse fahren wieder. Welche Regeln gelten dort und wie wird das überprüft?
Wir haben alle Eltern per Elternbrief auf die seit dem 27. April bestehende Maskenpflicht im ÖPNV im Namen der Busunternehmen hingewiesen. Unser bewährtes System der Busaufsichten und Busbegleiter wird natürlich fortgesetzt. Die Busunternehmen berichten mir, dass sich die Schüler gut an die Regelung halten. Die Überprüfung im Bus obliegt nicht mehr unserer Zuständigkeit.
Für die Lehrer ist die ganze Situation eine enorme Herausforderung, die ein vielseitiges zusätzliches Engagement erfordert. Wie sieht es dabei mit der Unterstützung der Eltern aus?
Die Eltern leisten derzeit unglaubliche Unterstützung in der Begleitung ihrer Kinder. Dies tun sie häufig neben ihrem Beruf, neben Homeoffice, neben Haushalt und vielen weiteren Herausforderungen. Hier spreche ich auch aus eigener Erfahrung als Vater. Der Austausch zwischen Eltern und Lehrern ist in dieser Zeit noch wichtiger geworden und funktioniert bei uns in den meisten Fällen sehr gut.
Aus ihrer jetzigen Erfahrung: Welche Verbesserungen halten sie für nötig und wo besteht dringender Handlungsbedarf?
Dringender Handlungsbedarf besteht im Ausbau der digitalen Infrastruktur. Gut, dass der Digitalpakt zwischen Bund und Länder beschlossen und in Kraft gesetzt wurde. Das halte ich für ganz wichtig, um das Land und vor allem die Schulträger finanziell zu unterstützen. Ich bin sehr froh, dass die Gemeinde Bodnegg uns auch lange vor dem Digitalpakt stets mit unseren Anliegen unterstützt hat. Jetzt würde ich mir ein weit unbürokratischeres Verfahren zur Abwicklung des Digitalpaktes wünschen, dass das Geld schneller zu uns fließen kann. Die jetzige Zeit zeigt auch den dringenden Verbesserungsund Handlungsbedarf bei der Schaffung von Lernplattformen, dem Ausbau digitaler Strukturen, der Schaffung ausreichender Serverkapazitäten des Landes, der Überarbeitung von Verwaltungsund Statistikprogrammen.