Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Feuerwehrgerätehaus ist Weingartens Millionengrab
Weitere Kostensteigerungen – Projekt soll nun endlich umgesetzt werden – Verwaltung gesteht Fehler ein
WEINGARTEN - Das neue Feuerwehrgerätehaus in Weingarten wird noch einmal teurer als bislang geplant. Stand jetzt wird der Neubau 9,2 Millionen Euro kosten. Das entspricht mehr als einer Verdoppelung der ursprünglich angesetzten 4,1 Millionen Euro. Da die Kosten in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen waren und der Gemeinderat bereits zweimal die Nachfinanzierung genehmigen musste, fand zur abermaligen Nachfinanzierung am Montag eine Sondersitzung statt. Letztlich stimmte der Rat dem Beschlussvorschlag der Verwaltung und damit dem Neubau mit 19-JaStimmen, bei vier Enthaltungen und vier Nein-Stimmen zu – und offenbarte die verfahrene Gesamtsituation. „Das ist eine schwere Bürde, die man uns da heute auferlegt“, sagte Horst Wiest, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Weingarten (FWW).
„Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, die vorliegende Planung umzusetzen mit der Maßgabe, dass Kosteneinsparungen bei der Materialität im Rahmen der Planung zu berücksichtigen sind“, lautete die kurzfristig abgewandelte Formulierung der Verwaltung. Doch was die vorliegende Planung ist und was die Stadträte damit genau genehmigten, schien einigen von ihnen gar nicht ganz genau klar. So komplex das Thema, so kompliziert und verwirrend lief die Sondersitzung ab. Und das, obwohl es diesbezüglich jüngst extra einen Technischen Ausschuss gegeben hatte und der mittlerweile hinzugezogene Projektsteuerer, das Beratungsunternehmen Drees & Sommer, versuchte, die offenen Fragen zu beantworten.
Doch der Reihe nach: Schon im Jahr 2013 entschied der Technische Ausschuss, das neue Gerätehaus der Feuerwehr am bereits vorhandenen Standort in der Scherzachstraße zu bauen. Ein Jahr später erwarb die Stadt nach komplizierten Verhandlungen das ehemalige Schlecker-Gebäude. 2016 beschloss der Gemeinderat dann, einen Architekturwettbewerb auszuloben, der 2017 entschieden wurde.
Doch der Baubeginn verzögerte sich immer weiter. Wegen des instabilen Hanges hinter dem Gebäude und Altlasten unter dem Gelände mussten mehrere Gutachten erstellt werden. Auch sorgte der Abgang der zuständigen Fachplaner bei der Verwaltung für weitere Verzögerungen. Parallel dazu stiegen die Kosten von 4,1 Millionen Euro auf, 5,7 Millionen Euro im Juni 2018 bis 8,1 Millionen Euro im November 2019. Als Gründe werden heute der steigende Raumbedarf, falsch angesetzte Baunebenkosten (22 Prozent, anstelle von 32 bis 35 Prozent) und die nicht eingepreiste Baukostenentwicklung angegeben. Auch die Entsorgung der Altlasten ist mittlerweile mit 575 000 Euro mit in die Rechnung aufgenommen.
Weil auch die Stadträte die Kostenexplosion kritisch verfolgten, deckelten sie die Projektkosten im Sommer 2018. Jeder weiteren Erhöhung müsse der Gemeinderat nun zustimmen. Und genau diese abermalige Kostensteigerung war nun am Montag erneut Thema. Rein inhaltlich waren bereits viele Aspekte in der Sitzung des Technischen Ausschusses am 13. Mai besprochen worden. Nun ging es vor allem um die politische Zustimmung. Wie ungewiss diese war, zeigte auch die ausführliche Einführung in das Thema durch Oberbürgermeister Markus Ewald. „Ich kann mir vorstellen, wie Sie alle total verunsichert waren. Denn uns ging es auch nicht anders“, sagte er und gestand Fehler bei der Kostenkalkulation ein.
Nicht zuletzt deswegen wurde nach der Sitzung im November 2019 das Büro Drees & Sommer als Berater hinzugezogen. Diese stellten bei der Durchsicht der Zahlen fest, dass sie abermals nicht korrekt waren und noch einmal 14 Prozent hinzukommen. Die Gesamtkosten könnten sich also auf bis 9,5 Millionen Euro erhöhen. Daher diskutierte der Technische Ausschuss Möglichkeiten, die
Kosten zu senken. Eine Möglichkeit wäre die Verschiebung des Gebäudes nach Norden, also weg vom instabilen Hang, in den man eigentlich hineinbauen muss. Allerdings bräuchte es dann eine Rampe mit 21 Prozent Steigung, was rechtlich nicht erlaubt ist. Außerdem würden so zugesagte Zuschüsse wegfallen. Daher fällt diese Variante flach. Realistischer ist aber die zweite Variante: Die Fassade muss nicht aus dem teuren Sichtbeton gebaut werden. Es könnten auch andere Materialien, wie beispielsweise Holz oder Metall, verbaut werden. So könnten wohl rund 500 000 Euro gespart werden. Allerdings würde sich die Planung um sechs bis neun Monate verlängern. Doch genau dieser Prüfung stimmten die Stadträte mit ihrem Beschluss nun zu. Derweil kritisierten die Freien Wähler die ursprüngliche Entscheidung des Preisgerichts beim Wettbewerb scharf. „Ein Prestigebau sollte her“, sagte Maximilian Habisreutinger. „Die Entscheider haben sich für einen Ferrari entschieden. Und für die Kitas und Schulen bleibt nur noch ein Skoda oder Dacia.“Und sein Fraktionsvorsitzender wurde noch deutlicher: „Wenn es bei mir brennt, ist es mir egal, ob sie aus dem schönsten Haus herausfahren“, sagte Wiest. „Wir streiten seit zwei Jahren über den Preis und wissen nun, dass eine gemauerte Wand günstiger ist als eine Betonwand.“
Und damit traf er den Kern der Problematik. Ein Großteil der Stadträte hat längst den Überblick über das hochkomplexe Projekt verloren.
Da halfen am Montag auch die Ausführungen von Bela Stollhans von Drees & Sommer wenig, der die Räte mit seiner Fachsprache nicht abzuholen vermochte und bei konkreten Fragen immer sehr vage blieb, dabei aber stets auf die eigene Erfahrung verwies. „Die ganze Diskussion wirft noch mehr Fragen auf, als sie beantwortet“, sagte Wiest, der mit einigen Fraktionskollegen und der SPD letztlich für die Enthaltungen und NeinStimmen sorgte.
Während CDU-Chef Markus Brunnbauer vor allem weitere Verzögerungen vermeiden wollte und Peter Wielath (Bürger für Weingarten) die schlechte Informationspolitik beklagte, hätte sich Doris Spieß (SPD) „etwas mehr Licht im Tunnel gewünscht. Wir haben schon zweimal die Augen zugemacht. Ich möchte nicht für einen Blindflug verantwortlich sein.“
Während Oberbürgermeister Markus Ewald hofft, dass sich die Baupreise durch die Corona-Krise nun wieder halbwegs stabilisieren, wollen die meisten Stadträte darauf nicht setzen. Vielmehr machten sie deutlich, dass die Kostenexplosion noch einmal dezidiert aufgearbeitet werden müsse. „Es liegt eine schwere Vertrauenskrise zwischen dem Gemeinderat und der Verwaltung vor“, kritisierte Claus Kessel, Fraktionsvorsitzender der Grünen, und forderte eine „vernünftige Fehlerkultur“. Man sei im Regen stehen gelassen worden und habe der Kostensteigerung immer wieder zustimmen müssen.
Doch die Lehre ist für ihn ganz klar: „Wir müssen erkennen, dass wir nicht alles können.“Dem entgegnete Ewald: „Wir werden die Ursachen dieser negativen Entwicklung auf jeden Fall noch einmal aufarbeiten, damit so etwas in Zukunft nicht noch einmal vorkommt.“