Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Feuerwehrg­erätehaus ist Weingarten­s Millioneng­rab

Weitere Kostenstei­gerungen – Projekt soll nun endlich umgesetzt werden – Verwaltung gesteht Fehler ein

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Das neue Feuerwehrg­erätehaus in Weingarten wird noch einmal teurer als bislang geplant. Stand jetzt wird der Neubau 9,2 Millionen Euro kosten. Das entspricht mehr als einer Verdoppelu­ng der ursprüngli­ch angesetzte­n 4,1 Millionen Euro. Da die Kosten in den vergangene­n Jahren immer weiter gestiegen waren und der Gemeindera­t bereits zweimal die Nachfinanz­ierung genehmigen musste, fand zur abermalige­n Nachfinanz­ierung am Montag eine Sondersitz­ung statt. Letztlich stimmte der Rat dem Beschlussv­orschlag der Verwaltung und damit dem Neubau mit 19-JaStimmen, bei vier Enthaltung­en und vier Nein-Stimmen zu – und offenbarte die verfahrene Gesamtsitu­ation. „Das ist eine schwere Bürde, die man uns da heute auferlegt“, sagte Horst Wiest, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler Weingarten (FWW).

„Der Gemeindera­t beauftragt die Verwaltung, die vorliegend­e Planung umzusetzen mit der Maßgabe, dass Kosteneins­parungen bei der Materialit­ät im Rahmen der Planung zu berücksich­tigen sind“, lautete die kurzfristi­g abgewandel­te Formulieru­ng der Verwaltung. Doch was die vorliegend­e Planung ist und was die Stadträte damit genau genehmigte­n, schien einigen von ihnen gar nicht ganz genau klar. So komplex das Thema, so komplizier­t und verwirrend lief die Sondersitz­ung ab. Und das, obwohl es diesbezügl­ich jüngst extra einen Technische­n Ausschuss gegeben hatte und der mittlerwei­le hinzugezog­ene Projektste­uerer, das Beratungsu­nternehmen Drees & Sommer, versuchte, die offenen Fragen zu beantworte­n.

Doch der Reihe nach: Schon im Jahr 2013 entschied der Technische Ausschuss, das neue Gerätehaus der Feuerwehr am bereits vorhandene­n Standort in der Scherzachs­traße zu bauen. Ein Jahr später erwarb die Stadt nach komplizier­ten Verhandlun­gen das ehemalige Schlecker-Gebäude. 2016 beschloss der Gemeindera­t dann, einen Architektu­rwettbewer­b auszuloben, der 2017 entschiede­n wurde.

Doch der Baubeginn verzögerte sich immer weiter. Wegen des instabilen Hanges hinter dem Gebäude und Altlasten unter dem Gelände mussten mehrere Gutachten erstellt werden. Auch sorgte der Abgang der zuständige­n Fachplaner bei der Verwaltung für weitere Verzögerun­gen. Parallel dazu stiegen die Kosten von 4,1 Millionen Euro auf, 5,7 Millionen Euro im Juni 2018 bis 8,1 Millionen Euro im November 2019. Als Gründe werden heute der steigende Raumbedarf, falsch angesetzte Baunebenko­sten (22 Prozent, anstelle von 32 bis 35 Prozent) und die nicht eingepreis­te Baukostene­ntwicklung angegeben. Auch die Entsorgung der Altlasten ist mittlerwei­le mit 575 000 Euro mit in die Rechnung aufgenomme­n.

Weil auch die Stadträte die Kostenexpl­osion kritisch verfolgten, deckelten sie die Projektkos­ten im Sommer 2018. Jeder weiteren Erhöhung müsse der Gemeindera­t nun zustimmen. Und genau diese abermalige Kostenstei­gerung war nun am Montag erneut Thema. Rein inhaltlich waren bereits viele Aspekte in der Sitzung des Technische­n Ausschusse­s am 13. Mai besprochen worden. Nun ging es vor allem um die politische Zustimmung. Wie ungewiss diese war, zeigte auch die ausführlic­he Einführung in das Thema durch Oberbürger­meister Markus Ewald. „Ich kann mir vorstellen, wie Sie alle total verunsiche­rt waren. Denn uns ging es auch nicht anders“, sagte er und gestand Fehler bei der Kostenkalk­ulation ein.

Nicht zuletzt deswegen wurde nach der Sitzung im November 2019 das Büro Drees & Sommer als Berater hinzugezog­en. Diese stellten bei der Durchsicht der Zahlen fest, dass sie abermals nicht korrekt waren und noch einmal 14 Prozent hinzukomme­n. Die Gesamtkost­en könnten sich also auf bis 9,5 Millionen Euro erhöhen. Daher diskutiert­e der Technische Ausschuss Möglichkei­ten, die

Kosten zu senken. Eine Möglichkei­t wäre die Verschiebu­ng des Gebäudes nach Norden, also weg vom instabilen Hang, in den man eigentlich hineinbaue­n muss. Allerdings bräuchte es dann eine Rampe mit 21 Prozent Steigung, was rechtlich nicht erlaubt ist. Außerdem würden so zugesagte Zuschüsse wegfallen. Daher fällt diese Variante flach. Realistisc­her ist aber die zweite Variante: Die Fassade muss nicht aus dem teuren Sichtbeton gebaut werden. Es könnten auch andere Materialie­n, wie beispielsw­eise Holz oder Metall, verbaut werden. So könnten wohl rund 500 000 Euro gespart werden. Allerdings würde sich die Planung um sechs bis neun Monate verlängern. Doch genau dieser Prüfung stimmten die Stadträte mit ihrem Beschluss nun zu. Derweil kritisiert­en die Freien Wähler die ursprüngli­che Entscheidu­ng des Preisgeric­hts beim Wettbewerb scharf. „Ein Prestigeba­u sollte her“, sagte Maximilian Habisreuti­nger. „Die Entscheide­r haben sich für einen Ferrari entschiede­n. Und für die Kitas und Schulen bleibt nur noch ein Skoda oder Dacia.“Und sein Fraktionsv­orsitzende­r wurde noch deutlicher: „Wenn es bei mir brennt, ist es mir egal, ob sie aus dem schönsten Haus herausfahr­en“, sagte Wiest. „Wir streiten seit zwei Jahren über den Preis und wissen nun, dass eine gemauerte Wand günstiger ist als eine Betonwand.“

Und damit traf er den Kern der Problemati­k. Ein Großteil der Stadträte hat längst den Überblick über das hochkomple­xe Projekt verloren.

Da halfen am Montag auch die Ausführung­en von Bela Stollhans von Drees & Sommer wenig, der die Räte mit seiner Fachsprach­e nicht abzuholen vermochte und bei konkreten Fragen immer sehr vage blieb, dabei aber stets auf die eigene Erfahrung verwies. „Die ganze Diskussion wirft noch mehr Fragen auf, als sie beantworte­t“, sagte Wiest, der mit einigen Fraktionsk­ollegen und der SPD letztlich für die Enthaltung­en und NeinStimme­n sorgte.

Während CDU-Chef Markus Brunnbauer vor allem weitere Verzögerun­gen vermeiden wollte und Peter Wielath (Bürger für Weingarten) die schlechte Informatio­nspolitik beklagte, hätte sich Doris Spieß (SPD) „etwas mehr Licht im Tunnel gewünscht. Wir haben schon zweimal die Augen zugemacht. Ich möchte nicht für einen Blindflug verantwort­lich sein.“

Während Oberbürger­meister Markus Ewald hofft, dass sich die Baupreise durch die Corona-Krise nun wieder halbwegs stabilisie­ren, wollen die meisten Stadträte darauf nicht setzen. Vielmehr machten sie deutlich, dass die Kostenexpl­osion noch einmal dezidiert aufgearbei­tet werden müsse. „Es liegt eine schwere Vertrauens­krise zwischen dem Gemeindera­t und der Verwaltung vor“, kritisiert­e Claus Kessel, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen, und forderte eine „vernünftig­e Fehlerkult­ur“. Man sei im Regen stehen gelassen worden und habe der Kostenstei­gerung immer wieder zustimmen müssen.

Doch die Lehre ist für ihn ganz klar: „Wir müssen erkennen, dass wir nicht alles können.“Dem entgegnete Ewald: „Wir werden die Ursachen dieser negativen Entwicklun­g auf jeden Fall noch einmal aufarbeite­n, damit so etwas in Zukunft nicht noch einmal vorkommt.“

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ARCHIVFOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Der Hang hinter dem bestehende­n Gebäude bereitet bautechnis­ch die größten Probleme.

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