Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Rechnungen bleiben offen
Kurz vor der Sommerpause zieht die Berliner Politik die Spendierhosen an: Bundestag und Bundesrat bringen Programme mit einem Rekordvolumen von Hunderten Milliarden Euro auf den Weg. Das meiste Geld soll helfen, den Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Krise abzufedern und Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Doch es gibt auch andere Projekte: Mindestens 40 Milliarden Euro soll der Kohleausstieg den Steuerzahler kosten. Und die GroKo bringt mit der Grundrente noch schnell ein SPDHerzensthema auf den Weg.
Ist es unredlich, dies miteinander zu vermengen? Immerhin stammen die Einigungen von Union und SPD auf Kohlekompromiss und Grundrente aus einer Zeit, in der die Wirtschaft brummte und sich niemand vorstellen konnte, dass ein Virus die gesamte Weltwirtschaft ausbremst.
Doch gerade jetzt, wo viele Menschen neue Wege finden müssen, wäre es auch an der Zeit, alte Einigungen zu hinterfragen: So soll der Kohlekompromiss Straßen und Bahnlinien in der ostdeutschen Lausitz finanzieren. Wohlgemerkt in einer Region, die nach jahrelangem Wegzug weder unter übervollen Zügen noch langen Staus leidet. Der 2019 ausgehandelte Geldsegen war vielmehr der – gescheiterte – Versuch, die AfD bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg zu bremsen.
Die Grundrente soll eine lange bekannte Gerechtigkeitslücke schließen und jene unterstützen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben und trotzdem von Altersarmut bedroht sind. Auch wenn man das grundsätzlich kaum schlecht finden kann – die von der SPD versprochene Gegenfinanzierung in Form einer Finanztransaktionssteuer existiert nicht.
Es gäbe also Gründe, die alten Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Doch das trauen sich weder Union noch SPD. So muss am Ende der Steuerzahler einstehen: Nicht nur für die aktuellen Corona-Rettungspakete, sondern auch für Versprechen der Vergangenheit, deren Rücknahme sich die Regierung politisch nicht leisten will. Doch eines ist sicher: Auch wenn es länger dauern sollte – die Rechnung wird kommen.