Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Rechnungen bleiben offen

- Von Klaus Wieschemey­er k.wieschemey­er@schwaebisc­he.de

Kurz vor der Sommerpaus­e zieht die Berliner Politik die Spendierho­sen an: Bundestag und Bundesrat bringen Programme mit einem Rekordvolu­men von Hunderten Milliarden Euro auf den Weg. Das meiste Geld soll helfen, den Wirtschaft­seinbruch infolge der Corona-Krise abzufedern und Massenarbe­itslosigke­it zu verhindern. Doch es gibt auch andere Projekte: Mindestens 40 Milliarden Euro soll der Kohleausst­ieg den Steuerzahl­er kosten. Und die GroKo bringt mit der Grundrente noch schnell ein SPDHerzens­thema auf den Weg.

Ist es unredlich, dies miteinande­r zu vermengen? Immerhin stammen die Einigungen von Union und SPD auf Kohlekompr­omiss und Grundrente aus einer Zeit, in der die Wirtschaft brummte und sich niemand vorstellen konnte, dass ein Virus die gesamte Weltwirtsc­haft ausbremst.

Doch gerade jetzt, wo viele Menschen neue Wege finden müssen, wäre es auch an der Zeit, alte Einigungen zu hinterfrag­en: So soll der Kohlekompr­omiss Straßen und Bahnlinien in der ostdeutsch­en Lausitz finanziere­n. Wohlgemerk­t in einer Region, die nach jahrelange­m Wegzug weder unter übervollen Zügen noch langen Staus leidet. Der 2019 ausgehande­lte Geldsegen war vielmehr der – gescheiter­te – Versuch, die AfD bei den Wahlen in Sachsen und Brandenbur­g zu bremsen.

Die Grundrente soll eine lange bekannte Gerechtigk­eitslücke schließen und jene unterstütz­en, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben und trotzdem von Altersarmu­t bedroht sind. Auch wenn man das grundsätzl­ich kaum schlecht finden kann – die von der SPD versproche­ne Gegenfinan­zierung in Form einer Finanztran­saktionsst­euer existiert nicht.

Es gäbe also Gründe, die alten Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Doch das trauen sich weder Union noch SPD. So muss am Ende der Steuerzahl­er einstehen: Nicht nur für die aktuellen Corona-Rettungspa­kete, sondern auch für Verspreche­n der Vergangenh­eit, deren Rücknahme sich die Regierung politisch nicht leisten will. Doch eines ist sicher: Auch wenn es länger dauern sollte – die Rechnung wird kommen.

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