Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Türkische Charme-Offensive erfolglos
Bundesregierung warnt weiterhin vor Urlaubsreisen in die Türkei
BERLIN (dpa) - Die Reisewarnung für die Türkei wegen der Corona-Pandemie bleibt auch nach dem Besuch einer hochrangigen türkischen Regierungsdelegation in Berlin auf unabsehbare Zeit bestehen. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag lediglich zu, neue Daten zur Infektionslage und Gesundheitsversorgung in der Türkei zu prüfen. Er betonte, dass man ein abgestimmtes Vorgehen in der EU anstrebe.
Cavusoglu warf der Europäischen Union vor, Reisebeschränkungen für die Türkei aus „politischen Motiven“aufrechtzuerhalten. Er betonte, dass die Türkei ein sicheres Reiseland sei. „In Sachen Gesundheit sind Deutschland und die Türkei zwei der besten Länder auf der Welt.“Die Bundesregierung hat die im März wegen der Corona-Pandemie verhängte weltweite Reisewarnung inzwischen für 32 europäische Länder aufgehoben. Für die Türkei und etwa 160 weitere Länder gilt sie aber nach jetzigem Stand bis zum 31. August weiter. Die Türkei trifft das als drittbeliebtestes Urlaubsland der Deutschen nach Spanien und Italien besonders hart. Außerdem hat die Bundesregierung die Türkei zusammen mit 125 anderen Ländern als Corona-Risikogebiet eingestuft.
Die türkische Regierung protestiert seit Wochen dagegen und schickte am Donnerstag eine große Delegation nach Berlin, um noch einmal für eine Aufhebung der Einschränkungen zu werben. Angeführt wurde sie von Cavusoglu und Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy. Beide kommen aus dem beliebtesten Badeort der Deutschen in der Türkei, aus Antalya. Unterstützt wurden die beiden von der stellvertretenden Gesundheitsministerin Emine Alp Mese.
Gegenüber Maas schlug Cavusoglu einen auffallend freundlichen Ton an, sprach von „meinem Freund Heiko“und wandte sich ihm bei der Pressekonferenz stets zu, wenn er über Urlaub in der Türkei sprach. „Wichtig ist hier, dass Deutschland diese Reisewarnung überprüfen muss, nämlich im Rahmen von objektiven Daten. Unsere deutschen Freunde wollen in der Türkei Urlaub machen.“Das war seine Hauptbotschaft in Berlin. Seine Kritik richtete er nicht an Berlin, sondern an Brüssel. Die EU-Staaten hatten am Dienstag beschlossen, dass wegen der Corona-Krise eingeführte Einreisebeschränkungen in die EU für zahlreiche Länder, darunter die Türkei, über den 1. Juli hinaus aufrechterhalten werden. Lediglich Menschen aus 14 Ländern dürfen wieder einreisen. Diese Liste soll alle zwei Wochen überarbeitet werden.
Für die Bundesregierung ist sie eine wichtige Grundlage für die Entscheidung
über die wegen der Corona-Pandemie verhängten Reisewarnungen. Für ein Land, aus dem niemand einreisen darf, lässt sich diese kaum aufheben. Maas sagte dazu: „Nur wenn wir in Europa möglichst im Gleichklang handeln ist es auch möglich, das Virus in seiner Ausbreitung zu kontrollieren.“Cavusoglu forderte, die EU-Liste müsse unter „objektiven Kriterien“bewertet werden. Einige Länder, die Brüssel auf die Liste der Staaten aufgenommen habe, aus denen Menschen wieder in die EU einreisen dürften, stünden schlechter da als die Türkei, sagte er. „Da sehen wir, dass mit politischen Motiven entschieden wurde.“
Durch die Corona-Pandemie sind die Tourismuszahlen in der Türkei stark eingebrochen. Im Mai kamen rund 30 000 Besucher in das Land und damit 99,26 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Tourismusministerium am Montag mitteilte.