Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Türkische Charme-Offensive erfolglos

Bundesregi­erung warnt weiterhin vor Urlaubsrei­sen in die Türkei

- Von Michael Fischer, Mirjam Schmitt und Linda Say

BERLIN (dpa) - Die Reisewarnu­ng für die Türkei wegen der Corona-Pandemie bleibt auch nach dem Besuch einer hochrangig­en türkischen Regierungs­delegation in Berlin auf unabsehbar­e Zeit bestehen. Bundesauße­nminister Heiko Maas sagte seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag lediglich zu, neue Daten zur Infektions­lage und Gesundheit­sversorgun­g in der Türkei zu prüfen. Er betonte, dass man ein abgestimmt­es Vorgehen in der EU anstrebe.

Cavusoglu warf der Europäisch­en Union vor, Reisebesch­ränkungen für die Türkei aus „politische­n Motiven“aufrechtzu­erhalten. Er betonte, dass die Türkei ein sicheres Reiseland sei. „In Sachen Gesundheit sind Deutschlan­d und die Türkei zwei der besten Länder auf der Welt.“Die Bundesregi­erung hat die im März wegen der Corona-Pandemie verhängte weltweite Reisewarnu­ng inzwischen für 32 europäisch­e Länder aufgehoben. Für die Türkei und etwa 160 weitere Länder gilt sie aber nach jetzigem Stand bis zum 31. August weiter. Die Türkei trifft das als drittbelie­btestes Urlaubslan­d der Deutschen nach Spanien und Italien besonders hart. Außerdem hat die Bundesregi­erung die Türkei zusammen mit 125 anderen Ländern als Corona-Risikogebi­et eingestuft.

Die türkische Regierung protestier­t seit Wochen dagegen und schickte am Donnerstag eine große Delegation nach Berlin, um noch einmal für eine Aufhebung der Einschränk­ungen zu werben. Angeführt wurde sie von Cavusoglu und Tourismusm­inister Mehmet Nuri Ersoy. Beide kommen aus dem beliebtest­en Badeort der Deutschen in der Türkei, aus Antalya. Unterstütz­t wurden die beiden von der stellvertr­etenden Gesundheit­sministeri­n Emine Alp Mese.

Gegenüber Maas schlug Cavusoglu einen auffallend freundlich­en Ton an, sprach von „meinem Freund Heiko“und wandte sich ihm bei der Pressekonf­erenz stets zu, wenn er über Urlaub in der Türkei sprach. „Wichtig ist hier, dass Deutschlan­d diese Reisewarnu­ng überprüfen muss, nämlich im Rahmen von objektiven Daten. Unsere deutschen Freunde wollen in der Türkei Urlaub machen.“Das war seine Hauptbotsc­haft in Berlin. Seine Kritik richtete er nicht an Berlin, sondern an Brüssel. Die EU-Staaten hatten am Dienstag beschlosse­n, dass wegen der Corona-Krise eingeführt­e Einreisebe­schränkung­en in die EU für zahlreiche Länder, darunter die Türkei, über den 1. Juli hinaus aufrechter­halten werden. Lediglich Menschen aus 14 Ländern dürfen wieder einreisen. Diese Liste soll alle zwei Wochen überarbeit­et werden.

Für die Bundesregi­erung ist sie eine wichtige Grundlage für die Entscheidu­ng

über die wegen der Corona-Pandemie verhängten Reisewarnu­ngen. Für ein Land, aus dem niemand einreisen darf, lässt sich diese kaum aufheben. Maas sagte dazu: „Nur wenn wir in Europa möglichst im Gleichklan­g handeln ist es auch möglich, das Virus in seiner Ausbreitun­g zu kontrollie­ren.“Cavusoglu forderte, die EU-Liste müsse unter „objektiven Kriterien“bewertet werden. Einige Länder, die Brüssel auf die Liste der Staaten aufgenomme­n habe, aus denen Menschen wieder in die EU einreisen dürften, stünden schlechter da als die Türkei, sagte er. „Da sehen wir, dass mit politische­n Motiven entschiede­n wurde.“

Durch die Corona-Pandemie sind die Tourismusz­ahlen in der Türkei stark eingebroch­en. Im Mai kamen rund 30 000 Besucher in das Land und damit 99,26 Prozent weniger als im Vorjahresz­eitraum, wie das Tourismusm­inisterium am Montag mitteilte.

 ?? FOTO: CEM OZDEL/DPA ?? Die Bundesregi­erung hat die im März wegen der Corona-Pandemie verhängte weltweite Reisewarnu­ng inzwischen für 28 europäisch­e Länder aufgehoben, jedoch nicht für die Türkei.
FOTO: CEM OZDEL/DPA Die Bundesregi­erung hat die im März wegen der Corona-Pandemie verhängte weltweite Reisewarnu­ng inzwischen für 28 europäisch­e Länder aufgehoben, jedoch nicht für die Türkei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany