Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Adoptivkinder sollen über Eltern Bescheid wissen
Viel Lob und kaum Kritik am neuen Adoptionsrecht
BERLIN - Adoptivfamilien sollen künftig besser beraten werden. Das ist der Kern eines neuen Adoptionsrechts, welches der Bundesrat am Freitag voraussichtlich durchwinken wird.
Ziel der Neuregelung ist ein offenerer Umgang mit Adoptionen. So sollen die Vermittlungsstellen die Adoptiveltern nicht nur vor, während und nach der Adoption unterstützen. Sie sollen die neuen Eltern auch dazu anregen, von Anfang an offen mit den Kindern über die Adoption zu sprechen. Auch sollen die Herkunftseltern künftig besser eingebunden werden. Zudem sollen unbegleitete Auslandsadoptionen untersagt und ein verpflichtendes Anmeldungsverfahren eingeführt werden, um Kinderhandel zu unterbinden.
Allerdings sind Auslandsadoptionen selten. Nicht einmal eins von zwanzig Adoptivkindern in Deutschland kam 2018 aus dem Ausland. Auch insgesamt sind die Zahlen übersichtlich: In dem Jahr wurden 3733 Kinder in Deutschland adoptiert. Das bedeutet, täglich gibt es im Schnitt nur etwa zehn Adoptionen.
„Mit dem Gesetz wollen wir das Verfahren der Adoption besser machen“, hatte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) Ende Mai bei der Einbringung in den Bundestag gesagt. Und dies scheint gelungen zu sein: „Das Gesetz bedeutet eine deutliche Verbesserung zugunsten des über allem stehenden Kindeswohls“, sagte der für den Wahlkreis Ravensburg im Bundestag sitzende Axel Müller von der CDU der „Schwäbischen Zeitung“. Das Mitglied des Rechtsausschusses sieht auch den Rechtsanspruch auf qualifizierte Beratung positiv: „Die betroffenen Kinder kommen häufig aus problematischen sozialen Verhältnissen. Entwicklungsdefizite oder psychische Schäden sind keine Seltenheit. Dies bedeutet mehr Beratungs- und Betreuungsaufwand“, erklärte Müller. Auch den offenen Umgang mit der Adoption begrüßt er. Das sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Ist also alles gut bei dem Gesetz? Nein. Im Bundestag enthielt sich die Opposition geschlossen. Grüne und Linke sehen insbesondere in der neuen Beratungspflicht bei „Stiefkindadoptionen“eine Diskriminierung lesbischer Paare. Bekommt ein lesbisches Paar nämlich ein Kind, gilt nämlich nur die Mutter automatisch als Elternteil. Die Partnerin muss das „Stiefkind“hingegen adoptieren. Bei heterosexuellen Ehepaaren gilt der Mann hingegen als rechtlicher Vater, auch wenn er nicht der biologische sein sollte.
Die Grünen finden das „entwürdigend“und fordern eine automatische Anerkennung. Der CDU-Politiker Müller sieht das anders: „Die Verfahrensweise einer Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren ist aus Sicht der Union nur eine Gleichbehandlung mit Blick auf das gleiche Procedere in heterosexuellen Ehen und somit keine einseitige Benachteiligung“, meint er. Wer das ändern wolle, müsse nicht ans Adoptions-, sondern an das Abstammungsrecht heran. Und das scheint auch geplant. So kündigte Giffey an, „das Problem im Abstammungsrecht lösen“zu wollen. „Wir wissen, wie wichtig dieses Thema für lesbische Paare ist“, sagte sie.