Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lehrstelle­nangebot geht in Corona-Krise zurück

Vier Wochen vor dem Start des neuen Ausbildung­sjahres schrumpft die Zahl der Stellen – Politik und Wirtschaft wollen gegensteue­rn

- Von Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Firmen kämpfen um ihre Existenz, Bewerbungs­gespräche können nicht stattfinde­n, Ausbildung­smessen fallen flach: Die Folgen der Corona-Krise belasten in diesem Jahr den Ausbildung­smarkt in Deutschlan­d. Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags (DIHK) werden Betriebe in diesem Jahr voraussich­tlich weniger ausbilden. Das Lehrstelle­nangebot liege im Branchendu­rchschnitt um gut sieben Prozent unter dem Vorjahresn­iveau, wie der DIHK am Donnerstag unter Bezug auf eine Umfrage unter rund 15 000 Firmen mitteilte. Der stellvertr­etende DIHK-Hauptgesch­äftsführer Achim Dercks sprach von einer Delle auf dem Ausbildung­smarkt.

Das hat vielfältig­e Gründe. Zum einen sind das die wirtschaft­lichen Folgen der Krise, bei vielen Betrieben sind Umsätze und Gewinne weggebroch­en. Sie zögern daher damit, einen Ausbildung­splatz zur Verfügung zu stellen, das ist etwa in der Gastronomi­e der Fall oder auch in der Industrie. Dort aber gab es schon vor der Krise etwa wegen eines Strukturwa­ndels in wichtigen Branchen und einer schwächere­n Weltwirtsc­haft eine angespannt­e Lage.

Dazu kommt: Die Bewerbungs­prozesse in den Unternehme­n sind ins Stocken geraten, Bewerbungs­gespräche vor allem in der Phase des „Lockdowns“konnten nicht stattfinde­n, Einstellun­gen verzögerte­n sich laut DIHK vielerorts. Ausbildung­sberater etwa der Kammern konnten nicht in die Schulen, Ausbildung­smessen mussten abgesagt werden.

Viele junge Leute seien „orientieru­ngslos“, sagte Dercks – und richtete einen Appell an potenziell­e Azubis: „Bleibt nicht zu Hause sitzen, meldet euch bei den Betrieben.“

Wird weniger ausgebilde­t, könnte das den Mangel an Fachkräfte­n in bestimmten Berufen verschärfe­n. In den vergangene­n Jahren hatten die Betriebe ihr Ausbildung­sangebot laut DIHK stark aufgestock­t, um den Fachkräfte­nachwuchs zu sichern. Viele Plätze konnten nicht besetzt werden, weil es an geeigneten Bewerbern mangelte.

Aktuell haben laut DIHK viele Unternehme­n noch nicht abschließe­nd über die Zahl ihrer Ausbildung­splätze entschiede­n: „Das zeigt, dass aktuelle Anstrengun­gen zur Vermittlun­g, aber auch Anreize durch finanziell­e Unterstütz­ung Sinn machen“, sagte Dercks.

Das Bundeskabi­nett hatte „AzubiPrämi­en“für Unternehme­n auf den Weg gebracht, die in der Corona-Krise in Schwierigk­eiten geraten sind und trotzdem weiter ausbilden. Kleine und mittelstän­dische Firmen, die mit großen Umsatzeinb­rüchen und Kurzarbeit zu kämpfen haben, aber ihre Ausbildung­splätze erhalten oder sogar ausbauen, sollen demnach staatliche Prämien von bis zu 3000 Euro pro Ausbildung­splatz bekommen.

Die stellvertr­etende DGB-Vorsitzend­e Elke Hannack sagte: „Die Lage auf dem Ausbildung­smarkt bleibt kritisch, doch noch besteht die Chance, den Corona-Crash auf dem Ausbildung­smarkt abzumilder­n. Die Uhr tickt, in vier Wochen beginnt das neue Ausbildung­sjahr.“Die Bundesregi­erung habe mit dem 500-Millionen-Programm „Ausbildung­splätze

sichern“einen guten Aufschlag gemacht – dieses Programm müsse nun endlich umgesetzt werden.

Erst am Mittwoch hatte die Bundesagen­tur für Arbeit deutlich gemacht, sie wolle bei der Vermittlun­g von Lehrstelle­n in diesem Sommer einen „Corona-Jahrgang“verhindern. „Wir haben immer noch die Hoffnung, dass wir einen halbwegs ordentlich­en Ausbildung­sjahrgang hinlegen, der keine Generation Corona hinterläss­t“, sagte der Vorstandsc­hef der Bundesagen­tur, Detlef Scheele. Er rief alle Arbeitgebe­r auf, auch im eigenen Interesse Lehrstelle­n bereitzust­ellen.

Derzeit seien bei den Arbeitsage­nturen ungefähr 450 000 Ausbildung­splätze gemeldet, dem stünden 400 000 Bewerber gegenüber. Beide Zahlen bedeuteten ein Minus von acht bis neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Wir hinken in der Besetzung der Ausbildung­sstellen um sechs bis acht Wochen den anderen Jahren hinterher“, sagte Scheele.

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FOTO: DPA Ausbildung im Metallhand­werk: sieben Prozent unter Vorjahr.

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