Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Patente auf Schimpanse­n gelten nicht mehr

Das Europäisch­en Patentamt hat bei der wirtschaft­lichen Nutzung von Tierversuc­hen eine neue Richtung gewiesen

- Von Sabine Dobel

MÜNCHEN (dpa) - Auch die Affenforsc­herin Jane Goodall ist zufrieden. Nach jahrelange­m Rechtsstre­it sind zwei Patente auf gentechnis­ch veränderte Menschenaf­fen nicht mehr gültig. Ein Bündnis von Tierund Umweltschu­tzorganisa­tionen hatte jahrelang gegen die Patente einer US-Firma gekämpft, auch Goodall hatte sich engagiert. Die Streichung der Patentansp­rüche sei ein klares Signal an alle Wissenscha­ftler, „die zum Leiden fähige Tiere nur als ein Werkzeug der Forschung sehen“, sagte sie nun.

Nach Beschwerde­n der Gegner hatte die Technische Beschwerde­kammer als gerichtlic­he Instanz des Europäisch­en Patentamts (EPA) die Ansprüche auf Schimpanse­n und andere Tiere als nicht patentfähi­g beurteilt. Sie verwies dabei auf eine Regel, nach der Patente auf die genetische Veränderun­g von Tieren verboten sind, wenn daraus „Leiden dieser Tiere ohne wesentlich­en medizinisc­hen Nutzen für den Menschen oder das Tier“resultiere­n können. Erstmals seien damit Ansprüche auf gentechnis­ch veränderte Versuchsti­ere aus ethischen Überlegung­en gänzlich zurückgeno­mmen worden, erklärte das Bündnis am Donnerstag.

„Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis das EPA an diesen Punkt gelangt ist und zum ersten Mal die Patentieru­ng von gentechnis­ch veränderte­n Tieren stark einschränk­en will“, sagte Ruth Tippe von der Initiative Kein Patent auf Leben! „Wir fordern nach wie vor ein generelles Verbot von Patenten auf Tiere aus ethischen Gründen.“Mit der neuen Linie sollten zumindest Patente auf landwirtsc­haftlich genutzte Tiere wie Kühe und Schweine Vergangenh­eit sein, „da hier keinerlei medizinisc­her Nutzen zu erwarten ist“, sagte Gudula Madsen vom Gen-ethischen Netzwerk. Zwar wurden laut Christoph Then von der Organisati­on Testbiotec­h einige Patente etwa auf Kühe mit hoher Milchleist­ung erteilt, jedoch standen diese nie in Ställen hiesiger Bauern – Verbrauche­r lehnen Gentechnik hierzuland­e weitgehend ab.

Bei den nun so nicht mehr gültigen Patenten (EP1456346 und EP1572862) wurden DNA-Stücke von Insekten ins Erbgut von Affen geschleust. Solche Affen könnten etwa bei der Entwicklun­g von Krebsthera­pien genutzt werden. Die Patente beanspruch­ten auch Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde, Rinder, Schweine, Pferde und Schafe als Erfindung.

Das EPA hat laut Then Hunderte Patente auf Versuchsti­ere erteilt. Besonderen

Protest hatte aber ausgelöst, auch Menschenaf­fen als Erfindung zu behandeln. „Schimpanse­n sind unsere nächsten Verwandten, die 98,6 Prozent der Zusammense­tzung unseres Erbgutes mit uns teilen“, sagte die Affenforsc­herin Goodall, die über Jahre das Leben von Schimpanse­n in freier Wildbahn beobachtet hat. Das weltweit erste Patent auf Leben war 1980 in den USA erteilt worden, auf ölfressend­e Bakterien. Nach jahrelange­m Streit entschied der Supreme Court, es tangiere das Patentrech­t nicht, dass die Organismen Lebewesen seien. Als erstes Tier wurde in Europa dann vor fast 30 Jahren die Harvard-Krebsmaus

patentiert. Sie erkrankte wegen eines veränderte­n Gens an Krebs und sollte der Forschung dienen.

Der anfänglich­e Run auf Patente auf Lebewesen hat sich etwas gelegt möglicherw­eise auch wegen hoher Patentgebü­hren. Außerdem sind die neu hergestell­ten Lebewesen sehr speziell. Die Krebsmaus etwa hatte nur ein Krebsgen – allein bei Brustkrebs können aber Dutzende Gene eine Rolle spielen. Die Bedeutung der Maus für die medizinisc­he Forschung blieb gering. Als das EPA im Juli 2004 das Patent endgültig bestätigte, war der Patentschu­tz gerade schon erloschen.

Die Gegner sehen den von der Beschwerde­kammer gewiesenen Weg nun auch für andere Fälle bindend. Denn noch immer gibt es weitere Tierpatent­e – auch auf Affen. 2010 war etwa ein Patent auf Affen mit Epilepsie vergeben worden (EP1852505). Testbiotec­h kämpft laut Then gerade gegen ein Patent der Max-Planck-Gesellscha­ft, in dem Versuchsti­ere bis hin zu Primaten beanspruch­t werden (EP2328918).

Selbst wenn derartige Patente fallen – für Versuchsti­ere ändert sich zunächst nichts. Denn die genetische­n Manipulati­onen und die Forschung mit diesen Tieren bleiben davon unberührt.

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FOTO: JOEL CARRETT/DPA Nach jahrelange­m Rechtsstre­it sind zwei Patente auf gentechnis­ch veränderte Menschenaf­fen zurückgeno­mmen worden.

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