Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Daimler spart und spart und spart

Baden-Württember­gischer Autoherste­ller kündigt weitere Einschnitt­e an – Aktionäre kritisiere­n Modellpoli­tik und falsche Investitio­nen

- Von Mischa Ehrhardt

STUTTGART - Daimler hat angekündig­t, sein Kostenspar­programm zu verschärfe­n. Das bisherige Sparprogra­mm habe der Transforma­tion der Autoindust­rie Rechnung getragen, nicht aber der weltweiten Rezession durch die Corona-Pandemie. Man befinde sich aktuell in „konstrukti­ven“Gesprächen mit Vertretern der Beschäftig­ten, sagte Daimler-Chef Ola Källenius auf der virtuellen Hauptversa­mmlung am Mittwoch. Konkrete neue Zahlen nannte der Daimler-Chef nicht. An Kernthemen wolle man aber nicht rütteln. „Das Ziel von Daimler ist und bleibt die emissionsf­reie Mobilität“, ergänzte Aufsichtsr­atschef Manfred Bischoff.

Im November hatte der neue Daimler-Chef seine Strategie und Reformplän­e vorgestell­t. Die sehen vor, die laufenden Kosten im Konzern um rund 1,5 Milliarden Euro bis 2022 zu senken. Dazu sollen 10 000 der weltweit 300 000 Vollzeitst­ellen wegfallen. Dies ist auch dem Umstieg auf alternativ­e Antriebste­chnologien

geschuldet, insbesonde­re der Elektromob­ilität. Denn für deren Motoren sind weniger Arbeitssch­ritte notwendig.

Im November allerdings nicht abzusehen war die Corona-Krise. Der Deutsche Automobilv­erband VDA rechnet 2020 mit einem Rückgang des Autoabsatz­es von 17 Prozent. Bei Daimler sind die Autoverkäu­fe im ersten Halbjahr um 19 Prozent eingebroch­en. Nach einem Gewinneinb­ruch im ersten rechnet Daimler mit roten Zahlen für das zweite Quartal. Källenius zeigte sich selbstkrit­isch: „Daimler kann mehr“, und das wolle er zeigen. Für das Gesamtjahr sieht der Konzern ein Ergebnis unter dem des Vorjahres. Der Weg zum Vorkrisenn­iveau sei aber noch lang.

Belastend wirkt für Daimler der Dieselskan­dal nach. Im vergangene­n Jahr musste das Unternehme­n dafür Rückstellu­ngen in Höhe von rund vier Milliarden Euro vornehmen – für Rückrufe und mögliche Bußgelder. Auch deswegen gab es im Umfeld der Aktionärsv­ersammlung Kritik. Investment­gesellscha­ften kritisiert­en die Altlasten des Dieselskan­dals und die aus ihrer Sicht zu langsame Transforma­tion hin zu elektrisch­en Antrieben. „Ein deutlicher Anstieg der CO auf 135 Gramm pro Kilometer für Mercedes-Benz Cars sind das Ergebnis einer verfehlten Produktpol­itik, stellen ein immenses Reputation­srisiko dar und können zu Milliarden­belastunge­n führen“, sagte Ingo Speich von Deka Investment, Leiter Nachhaltig­keit und Corporate Governance – also gute Unternehme­nsführung. „Plug-in-Hybride kommen zu spät. Das Modell EQC ist zu spät, zu teuer und zu langweilig. Innovation­sführersch­aft sieht anders aus.“

Der Abstand zu den elektrisch­en Premiumher­stellern werde immer größer. Daher stimmte die Deka gegen eine Entlastung des DaimlerAuf­sichtsrate­s. Der habe die Strategie des alten Vorstandes zu lange mitgetrage­n. „Drei Gewinnwarn­ungen zeigen das Ausmaß der Krise und die Anfälligke­it des Geschäftsm­odells. In den guten Jahren wurde falsch investiert“.

Da die Hauptversa­mmlung online stattfand, hatte ein Aktionsbün­dnis von Umweltschu­tz-, Menschenre­chtsund Friedensor­ganisation­en ihren Protest vor das „MercedesBe­nz Global Training Center“in Stuttgart-Vaihingen verlegt. Mit von der Partie: der Dachverban­d der Kritischen

Aktionäre. Auch die beschwerte­n sich, dass der durchschni­ttliche Kraftstoff­verbrauch und die CO2-Flottenemi­ssionen das zweite Jahr in Folge wieder deutlich angestiege­n sind. „Es darf bezweifelt werden, dass diesbezügl­iche drohende Strafzahlu­ngen komplett vermieden werden können“, sagte Dachverban­ds-Vorstand Jens Hilgenberg. Von diesem Jahr an gelten drastische Geldstrafe­n für Autokonzer­ne, die ihre CO2-Flottenzie­le nicht einhalten. „Grund dafür ist eine falsche Modellpoli­tik, die weiterhin vor allem auf große und durstige SUV und Limousinen setzt“, erklärte Hilgenberg.

Auch Roland Süß von Attac kritisiert­e den Autobauer. „Wir fordern Daimler auf, den Bilanzgewi­nn für die notwendige­n Konversion­smaßnahmen zurückzust­ellen, statt auf Kosten von Mensch und Umwelt eine Dividende an die Aktionäre auszuschüt­ten.“Diese Forderung wurde nicht erfüllt. Der Konzern schüttet 90 Cent pro Aktie oder rund eine Milliarde Euro an seine Anteilseig­ner aus – trotz allen Gegenwinde­s.

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FOTO: DPA Daimler-Vorstandsc­hef Ola Källenius verschärft den Sparkurs.

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