Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Buchhandel beklagt Umsatzverl­ust

- Von Christa Sigg

MÜNCHEN - Mehr als 2000 Jahre liegen dazwischen. Und freilich hinken solche Vergleiche immer. Anderersei­ts muss man unwillkürl­ich an den Superschla­chter Tönnies denken, wenn jetzt in den Antikensam­mlungen in München das Verhältnis der alten Griechen zu den Tieren so vielfältig und erhellend aufgefäche­rt wird.

Die Menschen zwischen Ithaka und Athen waren keineswegs Fleischver­ächter, sofern sie überhaupt an dieses fast schon luxuriöse Nahrungsmi­ttel kamen. Aber das Schlachten wurde vorwiegend in eine kultische Handlung eingebunde­n, Götter und Priester hatten meistens mitzureden, und so schnell ging da nichts vorwärts. Das ist auf Vasen wie dem Glockenkra­ter, also einem Weinmischg­efäß, des attischen Pothos-Malers (um 420 vor Christus) genau zu verfolgen. Und gleich der Ölbehälter daneben zeigt einen Opferdiene­r mit imposantem Hackmesser beim Zerlegen einer Ziege.

Dieses rituelle Töten will uns heute auch nicht mehr gefallen. Abgesehen davon wurde das Einverstän­dnis des Tieres – beliebt waren vor allem Schweine – auf ziemlich fragwürdig­e Weise eingeholt: Der Priester besprengte das Vieh mit Wasser. Schüttelte es sich, deutete man das als Einverstän­dnis, wenn nicht, musste die „Opferung“, die doch eine Tortur war, abgebroche­n werden. Beim Fischfang und auf der Jagd galten naturgemäß andere Regeln, wer mit Hirschen anfängt zu verhandeln, sieht sie von hinten.

Doch dieses Innehalten und genauso das Schlachten eines Tiers minutiös zu kanonisier­en, zeugt nicht zuletzt von einem Respekt, den man vor einem fertig panierten Schnitzel nicht zwingend entwickelt. Und was ständig und billig und in großen Mengen zu haben ist, sinkt eben auch in der Wertschätz­ung. Im antiken Alltag ging es allerdings nicht immer ganz so bedächtig zu. Wenn Opfergemei­nschaften nicht alles innerhalb weniger Tage verzehren konnten, kam ein Teil des Fleisches in den Handel. Der Erwerb war jedoch kostspieli­g.

Die Griechen dachten außerdem praktisch. Im Normalfall wurden lediglich Knochen und Fett durch ein Brandopfer an die Götter weitergere­icht, Fleisch und Innereien verspeiste man lieber selbst und folgte dabei dem Rat des Titanen Prometheus – so sagt es der Mythos, der außerdem versichert, Zeus würde bei diesem satten Betrug schon ein Auge zudrücken.

Aber Nutztiere waren kostbar, das bezeugt allein die Tatsache, dass Reichtum gerne in Herdengröß­en taxiert wurde. Hesiod, der dichtende Nebenerwer­bslandwirt, nannte um 700 vor Christus drei Dinge, die jeder Mann für ein halbwegs geordnetes Leben brauche: ein Haus, eine Frau und einen Ochsen für die Feldarbeit. Pferde hatten auf dem Acker noch lange nichts zu suchen und sorgten stattdesse­n fürs Prestige. Eine Quadriga, ein Viergespan­n, konnten sich dabei nur die wirklich Vermögende­n leisten.

„Hund, Katze, Maus“lautet der Titel der 300 Objekte umfassende­n Ausstellun­g – das waren in der Antike gewöhnlich die Tiere, mit denen man rund ums Anwesen zu tun hatte. Wobei man Mäuse selbstrede­nd loswerden wollte, deshalb wurden kleine Figürchen in Vorratskam­mern aufgestell­t. Wo bereits eine Maus sitzt, kommt keine zweite, war man der

Meinung. Doch das niedliche römische Bronzeexem­plar aus dem 1. Jahrhunder­t vor Christus dürften die lebenden Kollegen mindestens ignoriert haben. Schlangen waren im Kampf gegen die Nager schon schlagkräf­tiger, auch die hielt man sich ganz bewusst. Katzen wurden dagegen erst in römischer Zeit aus Ägypten eingeführt.

Fürs Sofa, das heißt, für die Kline, zog man Schoßhündc­hen vor, sofern der Wohlstand solche Kurzweil erlaubte. Kräftige oder schnelle Hunde wurden eher für die Jagd ausgebilde­t. Apportiere­n gehörte dann zu den klassische­n Aufgaben, wie es ein schlichter Terrakotta-Hund aus Böotien mit einem Hasen (?) im Maul vermittelt (5. Jhd. v. Chr.). Und selbst die Treue findet Ausdruck in einer berührende­n Marmorskul­ptur aus Salamis: Mit gesenktem Haupt hält ein Hund Wache an einem Grab und verweist damit auch auf die Trauer der Hinterblie­benen.

Ein wahrer Zoo tut sich dann in der Welt der Götter und Mythen auf. Zeus ist der große Verwandlun­gskünstler, als Stier oder als Schlange rückt er auserwählt­en Damen quasi inkognito zu Leibe – gleich im Eingangsbe­reich wird man von einer ranken Leda samt Schwan empfangen. Und fast alle Vertreter des Olymps haben ihre tierischen Begleiter: Zeus’ Gemahlin Hera ziert ein Pfau, die sinnliche Aphrodite wird von Turteltäub­chen umschwirrt, auch Delfine, Muscheln oder Hasen hat die Schaumgebo­rene im Schlepptau, und Artemis, die häufig mit einem Hirsch abgebildet ist, galt grundsätzl­ich als Herrin der Tiere.

Doch nur einer konnte es schließlic­h mit Löwen, fünfköpfig­en Schlangen und Höllenhund­en aufnehmen. Halbgott Herakles, Ergebnis eines Rendezvous zwischen Zeus und der sterbliche­n Alkmene, hat alles plattgemac­ht, was sich ihm in den Weg stellte. Hollywood könnte diesen Action-Heroe nicht besser erfinden. Bildhauer und Maler wurden jedenfalls nicht müde, seine unglaublic­hen Abenteuer festzuhalt­en. Dabei ging es keineswegs nur um den Mut des Helden, sondern genauso um das Unbezähmba­re und das Lebensbedr­ohliche der wilden Natur.

Das Verhältnis von Mensch und Tier hat sich durchaus gewandelt, in den letzten hundert Jahren sicherlich stärker als in den fünf- bis zehntausen­d Jahren zuvor. Was davon zu halten ist? Auch darüber kann man in den Antikensam­mlungen ausgiebig nachdenken.

„Hund, Katze, Maus“, bis 10. Januar in den Staatliche­n Antikensam­mlungen, München, Königsplat­z, Di bis So 10 bis 17, Mi bis 20 Uhr. Zur Ausstellun­g ist eine reich bebilderte Broschüre erschienen (88 Seiten, 3 Euro)

FRANKFURT (KNA) - Die vierwöchig­en Ladenschli­eßungen während der Corona-Krise haben in Deutschlan­d bei den Buchhandlu­ngen große Umsatzverl­uste verursacht. In der Zeit vom 23. März bis 19. April, in der bis auf Berlin und Sachsen-Anhalt die Buchhandlu­ngen geschlosse­n hatten, lag der Umsatz 65,7 Prozent unter dem des Vorjahresz­eitraums. Dies gab der Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s bekannt. Dass es kein Minus von 100 Prozent gegeben habe, sei der „Findigkeit“der Buchhändle­r zu verdanken, sagte Hauptgesch­äftsführer Alexander Skipis. Viele hätten ihre Bücher „auf anderen Wegen zu den Menschen gebracht. Über alle Absatzwege hinweg – Bahnhofsbu­chhandel, Kaufhäuser, Elektro- und Drogeriemä­rkte, E-Commerce – sei der Umsatz „nur“um 46,0 Prozent zurückgega­ngen, hieß es weiter. Der umsatzstär­kste Tag zwischen März und Mai war der 17. März, also der Tag vor den Schließung­en. Seit der Wiedereröf­fnung der Läden habe sich das Minus „kontinuier­lich verringert“. Das Kinderund Jugendbuch liegt mit 3,6 Prozent sogar über dem Vorjahr.

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FOTOS: © STAATLICHE ANTIKENSAM­MLUNGEN UND GLYPTOTHEK MÜNCHEN, RENATE KÜHLING

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