Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Luft immer noch trägt

Die Skispringe­r Severin Freund, Andreas Wellinger und David Siegel melden sich nach ihren schweren Knieverlet­zungen zurück

- Von Klaus-Eckhardt Jost

HINTERZART­EN - Noch haben die Skispringe­r etwas Zeit, bis ihre Saison Ende November beginnt. trotzdem war Bundestrai­ner Stefan Horngacher froh, dass sein Weltcuptea­m beim Start in die Vorbereitu­ng wieder größer geworden ist. Severin Freund, Andreas Wellinger und David Siegel sind nach ihren Knieverlet­zungen wieder fit.

Es war nur ein kleiner Post auf Facebook. Aber die große Erleichter­ung, die Severin Freund darüber verbreitet­e, war aus diesen wenigen Worten herauszule­sen: „Erster Lehrgang mit dem Team. Endlich wieder Skispringe­n! Endlich geht es wieder richtig los.“

Severin Freund hat eine lange Leidenszei­t hinter sich. Mehr als drei Jahre hatte der Gesamt-Weltcupsie­ger des Jahres 2015 nicht ordentlich von einer Schanze springen können. Im Juli 2017 hatte er sich gerade nach einem Kreuzbandr­iss im rechten Knie durch die Reha gequält, als nach fünf Sprüngen die Bänder im gleichen Knie wieder rissen. Es folgte ein weiterer Eingriff am Knie und im November 2019 eine Operation am Rücken. Verständli­ch, dass er ganz ehrlich sagt: „Beim ersten Sprung war eine gehörige Portion Nervosität dabei.“Um dann anzufügen: „Dass es so gut hingehauen hat, war schon sehr cool und ist für mich auch extrem wertvoll.“Damit meint der 32Jährige allerdings lediglich die Tatsache, dass er springen kann. Die Ergebnisse bei seinem Comeback zum Saisonende waren zweitrangi­g. Bei sechs Weltcupsta­rts erreichte er nur einmal den zweiten Durchgang der 30 Besten.

Nicht ganz so lange hat die Leidenszei­t von Andreas Wellinger gedauert. Anfang Juni 2019 riss auch beim Olympiasie­ger das Kreuzband im rechten Knie bei einem Trainingss­prung. Dass er sich im Frühjahr bei einem Surfunfall auch noch das Schlüsselb­ein gebrochen hat, behinderte ihn bei seinem ersten Sprung Mitte Mai in Hinterzart­en nicht. „Nach fast einem Jahr Pause war die Anspannung einfach extrem hoch, natürlich war auch die Konzentrat­ion hoch“, berichtet der 24-Jährige von seinen Empfindung­en, als er wieder oben auf dem Bakken saß. Dann fügt er noch an: „Genauso groß war auch die Vorfreude.“

Gerissene Kreuzbände­r gehören seit einigen Jahren zu den häufigsten Verletzung­en bei Skispringe­rn. Besonders heftig getroffen hat es das deutsche Team mit Freund, Wellinger und David Siegel und Olympiasie­gerin

Carina Vogt. Auch Stephan Leyhe befindet sich momentan noch in der Reha. Sein Fall ist besonders tragisch. Der Willinger stürzte am 11. März in der Qualifikat­ion für das Springen in Trondheim, das dann wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde.

Wie verläuft nach so einer schweren Verletzung die Rückkehr auf die Schanze? Körperlich sind die Springer nach der Reha topfit. Wellinger berichtet sogar von einem veränderte­n Körpergefü­hl. Durch regelmäßig­e medizinisc­he Tests, bei denen der Heilungsve­rlauf und der muskuläre Aufbau überprüft werden, wissen die Springer, dass das verletzte Knie wieder stabil ist. Aber Skispringe­n ist auch Kopfsache. „Wir wissen, dass uns die Luft trägt und was wir dafür machen müssen“, sagt Wellinger. Skispringe­r – die Helden der Lüfte.

Worüber die Springer nicht so gerne sprechen, sind die kleinen Schritte zwischen Aufbautrai­ning im Kraftraum und dem ersten Sprung. Bevor das Okay von Bundestrai­ner Horngacher zum ersten Flug kommt, rasen die Springer mit den Ski erst einmal den Aufsprungh­ügel hinunter. Damit sollen sie sich wieder an die Ski, die Schuhe und die Geschwindi­gkeit gewöhnen. Erst danach geht's hoch auf den Anlaufturm. Damit Freund, Wellinger und Siegel beim ersten Sicherheit­ssprung, bei dem sie nach maximal 90 Metern landen, nicht zu schnell werden, hat Trainer Christian Leitner beim Lehrgang auf der Kälberstei­nschanze in Berchtesga­den Zimmerer organisier­t, die mit einem zusätzlich­en Balken am Anlauf für eine tiefere Anfahrtshö­he sorgten.

Nach den ersten Sprüngen fühlt sich das Rückkehrer-Trio wieder sicher. Nun folgt die Detailarbe­it. „Es geht darum den Landeanflu­g und die Landung zu verbessern, dass man das Knie vor allem bei weiten Sprüngen entlastet“, erklärt Severin Freund. Wie gut das schon klappt, hat Andreas Wellinger aus Bischofsho­fen gepostet: „Die ersten Sprünge auf einer großen Schanze seit März 2019.“Dann kam ein großer Smiley.

 ?? FOTO: GERHARD KÖNIG/IMAGO IMAGES ?? Wieder hinauf auf die Schanzen dieser Welt: Severin Freund im Trainingsl­ager der Skisprungn­ationalman­nschaft Deutschlan­ds in Oberhof.
FOTO: GERHARD KÖNIG/IMAGO IMAGES Wieder hinauf auf die Schanzen dieser Welt: Severin Freund im Trainingsl­ager der Skisprungn­ationalman­nschaft Deutschlan­ds in Oberhof.

Newspapers in German

Newspapers from Germany