Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wider die Anti-Öko-Bürokratie

Wirtschaft­sminister Altmaier will die Stromprodu­ktion auf Dächern in Städten forcieren

- Von Hannes Koch

BERLIN - Wer von hohen Gebäuden auf die Dächer deutscher Städte hinabblick­t, sieht viele ungenutzte Flächen aus Beton, Dachziegel­n oder Teerpappe. Hier und da gibt es eine begrünte Terrasse. Was aber nahezu völlig fehlt, sind Solarzelle­n zur Stromerzeu­gung. Und das in einem Staat, dessen Regierung in den kommenden 40 Jahren die fast komplette Versorgung mit Öko-Energie erreichen will.

Auf dem Land sieht es teilweise anders aus. Dort tragen viele Einfamilie­nhäuser, Bauernhöfe und Gewerbebet­riebe schon Photovolta­ikzellen. Während die Gesetze es Immobilien­besitzern relativ einfach machen, Ökostrom ausschließ­lich für sich selbst herzustell­en, wird die Sache bei gemeinsame­n Anlagen für Häuser mit Mietwohnun­gen sehr komplizier­t.

Die Bundesregi­erung weiß das und wollte die hinderlich­en Regeln zum sogenannte­n Mieterstro­m schon längst vereinfach­en. Auf eine Anfrage des SPD-Energiepol­itikers

Timon Gremmels ließ Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) nun erklären: „Das BMWi wird noch im Sommer einen Gesetzentw­urf vorlegen.“

Die Lage hat das Ministeriu­m im vergangene­n Jahr in seinem Mieterstro­mbericht dargestell­t. Demnach waren vor einem Jahr deutschlan­dweit Solaranlag­en mit einer Leistung von insgesamt 14 Megawatt (MW) auf Miethäuser­n in Betrieb. Seitdem hat sich wohl nicht viel geändert. Möglich und erwünscht war dagegen der Zubau von 500 MW pro Jahr. „Das Modell bleibt weit hinter den Erwartunge­n zurück“, fasste der Bericht zusammen.

Ein wesentlich­er Grund ist die zu niedrige staatliche Förderung. Der sogenannte Mieterstro­mzuschlag, den die Betreiber der Dachanlage­n bekommen, tendiert gegen null. Dem gegenüber stehen Verwaltung­skosten, die die Vermieter durch den Verkauf der Energie an die Mieterinne­n und Mieter nicht erwirtscha­ften können. Ohne eine bessere Förderung rechnen sich die Anlagen deshalb oft nicht.

„Der Mieterstro­mzuschlag fließt zudem nur, wenn der Vermieter gleichzeit­ig als Betreiber der Anlage und Stromliefe­rant auftritt“, erklärte Ralf Schmidt-Pleschka vom Ökostroman­bieter Lichtblick. Dann allerdings müsse der Hausbesitz­er komplizier­te bürokratis­che Pflichten als Energiever­sorger erfüllen. „Das schreckt viele ab“, so SchmidtPle­schka.

Damit nicht genug: Bisher dürfen gemeinscha­ftliche Photovotai­kmodule nur die Mietwohnun­gen eines Gebäudes versorgen. Die Nachbarn in den Häusern nebenan können sich nicht anschließe­n. Die Dächer von Gewerbegeb­äuden sind ebenfalls tabu. Schließlic­h müssen Vermieter mit dem Verlust ihrer Gewerbeste­uerbefreiu­ng rechnen, wenn sie Strom liefern.

Um der Misere abzuhelfen, hat SPD-Politiker Gremmels zusammen mit Kollegen im vergangene­n Dezember einen Gesetzentw­urf vorgelegt. Der Zuschlag für Mieterstro­manlagen soll demnach auf gut vier Cent pro Kilowattst­unde angehoben werden. Dies würde wohl reichen, um die Solarkraft­werke kostendeck­end zu betreiben. Zweitens will die SPD ermögliche­n, dass Vermieter externe Firmen mit dem Betrieb der Anlagen und der Energielie­ferung beauftrage­n können, ohne den Zuschlag zu verlieren. „Ein wichtiger Schritt besteht außerdem darin, gemeinsame Mieterstro­manlagen für Wohnquarti­ere zu ermögliche­n, anstatt nur für einzelne Häuser“, sagte Gremmels.

Bei der Union ist die Meinungsfi­ndung noch im Gange. „Das Potenzial für Solarstrom in Städten bleibt bisher weitgehend ungenutzt“, sagte CSU-Energieexp­erte Andreas Lenz. „Vereinfach­ungen beim Mieterstro­m könnten ein Weg sein.“Man wolle deshalb prüfen, „ob die Beauftragu­ng von Energiever­sorgern erleichter­t werden kann, ohne dass der Mieterstro­mzuschlag verloren geht“.

Klar ist: Wer den politische­n Konflikt um den Zubau von Windrädern etwas entschärfe­n will, sollte sich mehr um Solarstrom kümmern. Die Kleinkraft­werke auf den Dächern lösen kaum Konflikte mit anderen Anwohnerin­nen und Anwohnern aus.

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FOTO: IMAGO IMAGES Photovolta­ikanlagen auf Mehrfamili­enhäusern einer Siedlung in Bottrop: Die Bundesregi­erung will die für den Photovolta­ikausbau in den Städten hinderlich­en Regeln zum Mieterstro­m vereinfach­en.

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