Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grundwasser wird ganz langsam etwas sauberer
Zwar ist die Nitratbelastung weiterhin vielerorts zu hoch, doch die Bundesregierung mahnt zur Geduld
BERLIN - Vielleicht haben die Wasserversorger angesichts der neuen Nitratwerte im Grundwasser die Band „Die Sterne“gehört. Die sangen 1999, dass es keinen Sinn habe, zu warten, bis es besser wird. „Das bisschen Besser, wär das Warten nicht wert“, sang die Band damals.
Die Nitratwerte im Grundwasser unter Deutschland werden zwar besser, aber eben nur langsam. Zu langsam für die Wasserversorger. Im aktuellen Bericht, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, wiesen 26,7 Prozent der 692 getesteten Messstellen zu hohe Nitratgehalte aus. Vier Jahre zuvor waren es noch 28,2 Prozent, die den Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Wasser rissen. Für die Wasserversorger ist der Fortschritt zu klein und zu langsam. Sie warnen wegen der aufwändigen Reinigung vor steigenden Wasserpreisen. Und fürchten zudem, dass die Politik die zu hohen Werte demnächst „wegrechnet“, um hohe Düngeauflagen für die bereits jetzt wütende Landwirtschaft zu umgehen. Denn die üppige Gülleausbringung gilt als Hauptverursacher für hohe Nitratwerte im Boden. An ihrer Seite wissen die Wasserversorger Naturschutzverbände wie den WWF, die wegen der Nährstoffeinträge vor Algenteppichen in Flüssen und Meeren warnen.
Die Politik sieht das anders: Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth beruhigte am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Berlin. Man sei „auf Kurs“und werde die Grenzwerte künftig einhalten, erklärte er. Dieses Ziel ist wichtig, denn seit Jahren verfehlt Deutschland die Ziele der Gewässerreinheit. Da sich das Land aber zu sauberem Wasser verpflichtet hat, droht Brüssel dem säumigen Land mit hohen Strafzahlungen.
Flasbarth zufolge dauert es Jahre, bevor sich eine Änderung der Düngung auf dem Feld im Grundwasser bemerkbar macht. Und da die nun vorgestellten Daten in den Jahren 2016 bis 2018 erhoben wurden, seien diese sowieso ein Blick in den Rückspiegel. Denn allein seitdem wurden die Düngeregeln in Deutschland zweimal verschärft, zuletzt in diesem Jahr unter scharfen Protesten der Bauern. Und schon davor mussten die Bauern umsteuern: Das Güllefass mit dem Prallteller, welches die Gülle im hohen Bogen über die Felder spritzte, ist längst nicht mehr zulässig. Nun gelte es abzuwarten, bis die Wirkung einsetze und die Werte weiter sinken, statt neue Auflagen in Angriff zu nehmen.
Der Süden Deutschlands dürfte die Ziele noch schneller erreichen, denn die hoch belasteten „roten Gebiete“liegen vor allem im nordwestdeutschen „Schweinegürtel“, den mitteldeutschen Trockengebieten und den Gemüseregionen der RheinMain-Region. In Baden-Württemberg geht man davon aus, dass aus den neun Prozent als belastet geltenden Gebieten bald sechs Prozent werden. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, heißt es aus dem Stuttgarter Agrarministerium. Auch der Bauernverband gibt sich zuversichtlich, misstraut aber gleichzeitig den Messungen: Es sei unklar, inwieweit die Landwirtschaft schuld an den Werten sei. Die Bundesregierung will nach vielfacher Kritik einen bundesweiten Standard für die landeseigenen Messstellen festlegen.
Für den FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker ist das überfällig: „Damit Erfolge messbar werden, braucht es endlich ein engmaschiges repräsentatives Messstellennetz, das auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Standards beruht“, sagte Hocker der „Schwäbischen Zeitung“. Darüber hinaus müsse sich Deutschland in seiner Ratspräsidentschaft für EU-weit vergleichbare Messungen einsetzen: „Es kann nicht länger hingenommen werden, dass deutsche Äpfel mit spanischen Birnen verglichen werden“, sagte Hocker.