Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Greenpeace sieht deutsches Versagen bei Meeresschu­tz

Umweltorga­nisation geißelt Fischerei mit Grundschle­pp- und Stellnetze­n – Doch ihr Report trifft auch auf Kritik

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HAMBURG/ROSTOCK (dpa) - Den Ökosysteme­n in Nord- und Ostsee geht es einem aktuellen Report der Umweltorga­nisation Greenpeace zufolge schlechter denn je. „Unsere Meere werden geplündert, zerstört und verschmutz­t, nur für den kurzfristi­gen Profit – mit drastische­n Folgen für die Artenvielf­alt und letztlich für uns alle“, sagte Greenpeace-Meeresbiol­oge Thilo Maack. Nach Angaben der Organisati­on schwinden die Bestände von Dorsch und Hering in der Ostsee. Deutschlan­ds einzige Walart, der Schweinswa­l, sei stark gefährdet. Doch der Report erntet auch Kritik.

„Es geht den Ökosysteme­n in Nord- und Ostsee deutlich besser als vor 30 Jahren“, sagt etwa der Direktor des staatliche­n Thünen-Instituts für Ostseefisc­herei, Christophe­r Zimmermann, in Rostock. Es stimme nicht, dass der Fischereid­ruck unaufhörli­ch ansteige. Einige Aussagen des Greenpeace-Berichtes seien verzerrt, weil die Organisati­on mit dramatisch­en Aussagen den Druck erhöhen wolle. Zimmermann zufolge geht es in der Ostsee derzeit einem von zwei

Dorschbest­änden (Ostdorsch) und einem von vier Heringsbes­tänden (Westhering) schlecht oder sehr schlecht. Bei beiden Beständen spielten die veränderte­n Umweltbedi­ngungen die größere Rolle. Auch eine Sprecherin des Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft in Berlin betonte, der Report spiegele nicht ganz die Realität wider. Tatsächlic­h habe sich „die Bestandssi­tuation in Nord- und Ostsee sowie im Nordostatl­antik seit Inkrafttre­ten der Reform der Gemeinsame­n Fischereip­olitik 2014 deutlich verbessert“.

Greenpeace wollte am Donnerstag­abend mit dem Aktionssch­iff „Beluga II“zu einer Tour auf Nord- und Ostsee aufbrechen, um den Zustand der Meeresgebi­ete zu dokumentie­ren. „Deutschlan­d hat beim Schutz der Meere total versagt“, sagte Greenpeace-Experte Maack. Um die Meere zu retten, müsse es echte Schutzgebi­ete geben. Den zehn Meeresschu­tzgebieten, die Deutschlan­d in seiner Ausschließ­lichen Wirtschaft­szone (AWZ) vor 15 Jahren ausgewiese­n habe, fehle bis heute jegliches Management, monierte der Report. In den

Schutzzone­n der Nord- und Ostsee sowie im Nationalpa­rk Wattenmeer seien immer noch die zerstöreri­sche Fischerei mit Grundschle­ppnetzen und Stellnetze­n erlaubt, auch die Ausbeutung von Öl oder Sand- und Kiesabbau, kritisiert­e Greenpeace weiter.

„Wenn man es sich dann im Detail anguckt, sieht man, es ist eigentlich viel komplizier­ter“, sagte Zimmermann. „Die Umweltverb­ände tragen Mitschuld daran, dass der Prozess so schleppend verläuft, weil sie zum Beispiel Forderunge­n stellen, die einfach nicht konsensfäh­ig sind.“Und: Für jedes Schutzgebi­et müsse individuel­l angeschaut werden, was dort erlaubt werden könne und was nicht.

Die Sprecherin des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums berichtete, es gebe in der Nordsee konkrete Pläne, um in bestimmten Gebieten der AWZ den Einsatz von bodenberüh­renden Fanggeräte­n zu verbieten. „Diese werden demnächst in die Abstimmung mit den betroffene­n Nachbarlän­dern Dänemark und den Niederland­en gebracht“, sagte sie.

Greenpeace zieht das Fazit, dass Deutschlan­d alle selbst gesetzten Ziele

verpasst habe. „Im Kampf gegen die Klimakrise und das Artensterb­en sind wir besonders auf gesunde Meere als Verbündete angewiesen“, erklärte Maack. „Sie stabilisie­ren das Weltklima, haben rund 90 Prozent der atmosphäri­schen Treibhausg­aswärme aufgenomme­n und rund 30 Prozent des menschenge­machten CO2 gespeicher­t.“

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FOTO: DPA Die „Beluga II“ist jetzt auf Nord- und Ostseedoku­mentations­tour.

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