Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Von Aristoteles zu Andy
Variatio delectat – ein lateinischer Spruch, den man gerne zitiert in bildungsbürgerlichen Kreisen und der in seiner altgriechischen Version auch schon Aristoteles geläufig war. Abwechslung erfreut. Manchmal ist die Freude auch getrübt. Unlängst fand sich auf der einen Seite unserer Zeitung die Überschrift Vom Helden zum Angeklagten, also korrekt gebeugt. Auf der nächsten Seite aber stand Vom Monarchist zum Demokrat, zur Abwechslung ungebeugt. Nun waren hier verschiedene Ressorts betroffen. Aber verschiedene Grammatiken gibt es halt leider nicht. Beim zweiten Titel hat es diesbezüglich gehapert. Allerdings kann das bei diesem hochkomplexen Thema sehr leicht passieren.
Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Heute gibt es eine verstärkte Tendenz, aus anderen Sprachen stammende schwach gebeugte Substantive stark zu beugen: statt der Präsident (Nominativ), des Präsidenten (Genitiv), dem Präsidenten (Dativ), den Präsidenten (Akkusativ) sagen viele dann der Präsident, des Präsidents, dem Präsident, den Präsident. Marke: Dem Präsident Trump ist wohl keine Lüge zu plump. Das mag zwar Umgangsdeutsch sein, Standardsprache ist es nicht – noch nicht. Als Richtschnur gilt in der Regel der Nominativ Plural: Es heißt der Absolvent – die Absolventen und der Student – die Studenten, also folglich im Dativ, Genitiv und Akkusativ Singular: des Absolventen, dem Absolventen, den Absolventen etc. Gleich verhalten sich Wörter wie Proband, Musikant, Artist, Gymnasiast, Prolet, Kandidat, Bandit, Idiot, Ökonom – und eben auch Monarchist oder Demokrat.
Bei Wörtern auf -or versagt allerdings der Trick mit dem -en im Nominativ
Plural. Denn da heißt es wohl der Autor – die Autoren oder der Direktor – die Direktoren, aber die Formen im Singular sind stark gebeugt: der Autor, des Autors, dem Autor, den Autor etc. Was diese Wörter eint: Die Endung -or ist unbetont. Ist sie aber betont wie bei der Ma’jor, der Te’nor, der Mete’or, so werden diese Wörter zwar ebenfalls stark gebeugt, also der Ma’jor, des Ma’jors, dem Ma’jor, den Mete’or, sie enden aber im Plural auf -e: die Ma’jore, die Te’nöre (mit Umlaut!), die Mete’ore. Alles klar?
Es geht aber noch viel verwirrender. Nehmen wir den Satz: Greta Thunberg gilt weltweit als Motor der jugendlichen Klimaschutzbewegung. Hier ist der Motor im übertragenen Sinn als Anreger gemeint, und da betont man in der Regel auf der ersten Silbe. Es heißt dann der ’Motor, des ’Motors, dem ’Motor, den ’Motor, im Plural allerdings die Mo’toren. Und nun ein anderer Satz: Sebastian Vettel ist mit dem Motor seines Rennautos unzufrieden. Hier geht es um den Motor im praktischen Sinn als Antriebsmaschine, und da betont man in der Regel auf der zweiten Silbe. Es heißt folglich der Mo’tor, des Mo’tors, dem Mo’tor, den Mo’tor und im Plural die Mo’tore, aber der Duden billigt heute auch die Mo’toren …
Damit ist auch klar, dass es richtigerweise das Mo‘torrad heißt und nicht das ‘Motorrad. Heutigen Motorradfahrern scheint das eher egal zu sein. Sie nennen sich sowieso Biker. Dann rufen sie unter dem Motto Biker for Freedom zu Demos auf, weil sie für sich jene Freiheit auf die Vertretung eigener Interessen reklamieren, die sie einer vom unerträglichen Motorradlärm auf unseren Straßen geplagten Mehrheit der Bevölkerung nicht zugestehen wollen. Und das Wahnwitzige ist dabei die Haltung des Bundesverkehrsministers. Wie lange müssen wir eigentlich diesen Andy Scheuer noch erdulden, der sich stets bedingungslos auf die Seite von benzindampfgeschwängerten PSFraktionen schlägt? Machen wir aus dem Eingangszitat eine flehentliche Bitte: Variatio delectat!