Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Müll: Stadt lehnt Videoüberwachung ab
Verwaltung hat juristische Bedenken – Jährliche Zusatzkosten liegen bei 52 000 Euro
WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten lehnt eine Videoüberwachung zur Eindämmung der „Wild-MüllProblematik“kategorisch ab. Auf SZAnfrage erklärte die städtische Pressestelle, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dies – aus Sicht der Verwaltung – nicht zulassen. Doch gerade solch eine Überwachung hatte Stadtrat Horst Wiest von den Freien Wählern Weingarten zuletzt vehement gefordert, um die seit Jahren anhaltende Müllproblematik in Weingarten in den Griff zu bekommen. Doch selbst der Verweis auf die Stadt Ehingen, die einen Müllablageplatz per Video überwachen lässt, lässt die Verwaltung nicht gelten.
„Kommunale Containerstandorte per Video zu überwachen, mag auf den ersten Blick zielführend und richtig erscheinen. Die Videoüberwachung öffentlicher Orte und Plätze zur Beobachtung und Erfassung aufgezeichneter Personen ist jedoch ein Eingriff in das [...] gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung und bedarf einer ausreichenden Rechtsgrundlage“, schreibt die Stadt. Aktuell gäbe es nach eigener Auffassung keine ausreichende Rechtsgrundlage. Diese werde auch von anderen Städten, wie beispielsweise Ulm, geteilt.
Schließlich würden weder das baden-württembergische Polizeirecht noch das Landesdatenschutzgesetz die Überwachung von kommunalen Containerstandorten umfassen, führt die Verwaltung weiter aus. Dabei ist die Überwachung von öffentlichem Raum theoretisch möglich: „Die Schutzzwecke der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen verfolgen jeweils andere Ziele, z.B. die Aufklärung von Straftaten an Orten mit hoher Kriminalitätsbelastung oder den Schutz vor Vandalismus an öffentlichen Einrichtungen.“
Darüber hinaus ist die Verwaltung der Meinung, dass eine Videoüberwachung wenig bringen würde und im Zweifel die Problematik, dass am Festplatz, in der Unteren Breite oder der Lazarettstraße immer wieder Müll illegal abgelegt wird, noch verschärfen würde. „Selbst wenn die Videoüberwachung am Festplatz rechtlich gesichert wäre, wäre sie aufgrund der Festplatz-Größe praktisch kaum umsetzbar. Wahrscheinlich würde sie das Problem auch nicht lösen, sondern nur verlagern oder gar verschärfen. Der Müll würde illegal eventuell im gesamten Stadtgebiet (Wald, Scherzach und so weiter) verstreut“, schreibt die Stadt.
Allerdings ist sich auch die Verwaltung der Problematik bewusst. Schließlich sind die Gesamtkosten für die Beseitigung des illegal abgelegten Mülls im gesamten Stadtgebiet in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen und lagen zuletzt bei 52 000 Euro im Jahr. So liefen beim Baubetriebshof Rechnungen in Höhe von rund 14 000 Euro auf. Die Firma Remondis erhielt 28 000 Euro für die Reinigung der Containerstandorte und 10 000 Euro für die zusätzliche Reinigung im Zusammenhang mit dem wilden Müll.
Zwar bekommt die Stadt einen Großteil der Kosten im Rahmen der sogenannten „kommunalen Beistandsleistungen“vom Landkreis erstattet. Doch gibt es auch hier eine Deckelung, die sich an der Einwohnerzahl bemisst – und mittlerweile nicht mehr ausreicht. „In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die Beseitigung des wilden Mülls stetig gestiegen. Dies bedeutet: Die Stadtverwaltung muss – um dies auszugleichen – andere Leistungen kürzen oder einstellen“, erklärt die Pressestelle.
Dabei stellt die Verwaltung klar, dass die Bußgelder – wie von Wiest ebenfalls gefordert – nicht mehr höher angesetzt werden können. „Die Stadt Weingarten schöpft den möglichen Bußgeldrahmen mit der aktuellen Regelung aus und liegt damit auch nicht unter der Sanktionierung anderer Städte im Landkreis“, heißt es. So sind die Bußgelder seit Juli 2017 auf 75 Euro und weitere 28,50 Euro an Verwaltungsgebühren festgelegt. Jeder weitere illegal abgelegte Sack kostet noch einmal 50 Euro.
Und auch Wiests Vorwurf, dass der sogenannte Müllsheriff, der den Müll nach Hinweisen auf den Verursacher durchsucht, darüber hinaus aber keine Handhabe hat, wirkungslos sei, will die Verwaltung so nicht stehen lassen. Zwar variiere die Zahl der Anzeigen, die durch den Müllsheriff eingereicht werden. Doch alleine zwischen dem 25. Mai und dem 13. Juni 2020 konnten so 15 Anzeigen gestellt werden.
Das zeigt sich auch in der Gesamtsumme der Bußgelder in Bezug auf die Ablage von illegalem Müll. Zwischen 2017 und 2019 schwankte diese Summe zwischen 5200 und 9300 Euro – pro Jahr. Daher ist es der Verwaltung wichtig, Wiests Vorwurf, die Verwaltung arbeite nicht nachdrücklich an der Lösung dieses Problems, zu entkräften. „Auch intern ist der wilde Müll ein Dauerthema. Die Verwaltung diskutiert regelmäßig darüber, um noch bessere Lösungen zu finden, und ist jederzeit offen für neue Ideen“, schreibt die Pressestelle.