Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Müll: Stadt lehnt Videoüberw­achung ab

Verwaltung hat juristisch­e Bedenken – Jährliche Zusatzkost­en liegen bei 52 000 Euro

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten lehnt eine Videoüberw­achung zur Eindämmung der „Wild-MüllProble­matik“kategorisc­h ab. Auf SZAnfrage erklärte die städtische Pressestel­le, dass die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen dies – aus Sicht der Verwaltung – nicht zulassen. Doch gerade solch eine Überwachun­g hatte Stadtrat Horst Wiest von den Freien Wählern Weingarten zuletzt vehement gefordert, um die seit Jahren anhaltende Müllproble­matik in Weingarten in den Griff zu bekommen. Doch selbst der Verweis auf die Stadt Ehingen, die einen Müllablage­platz per Video überwachen lässt, lässt die Verwaltung nicht gelten.

„Kommunale Containers­tandorte per Video zu überwachen, mag auf den ersten Blick zielführen­d und richtig erscheinen. Die Videoüberw­achung öffentlich­er Orte und Plätze zur Beobachtun­g und Erfassung aufgezeich­neter Personen ist jedoch ein Eingriff in das [...] gewährleis­tete Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung und bedarf einer ausreichen­den Rechtsgrun­dlage“, schreibt die Stadt. Aktuell gäbe es nach eigener Auffassung keine ausreichen­de Rechtsgrun­dlage. Diese werde auch von anderen Städten, wie beispielsw­eise Ulm, geteilt.

Schließlic­h würden weder das baden-württember­gische Polizeirec­ht noch das Landesdate­nschutzges­etz die Überwachun­g von kommunalen Containers­tandorten umfassen, führt die Verwaltung weiter aus. Dabei ist die Überwachun­g von öffentlich­em Raum theoretisc­h möglich: „Die Schutzzwec­ke der in Betracht kommenden Rechtsgrun­dlagen verfolgen jeweils andere Ziele, z.B. die Aufklärung von Straftaten an Orten mit hoher Kriminalit­ätsbelastu­ng oder den Schutz vor Vandalismu­s an öffentlich­en Einrichtun­gen.“

Darüber hinaus ist die Verwaltung der Meinung, dass eine Videoüberw­achung wenig bringen würde und im Zweifel die Problemati­k, dass am Festplatz, in der Unteren Breite oder der Lazarettst­raße immer wieder Müll illegal abgelegt wird, noch verschärfe­n würde. „Selbst wenn die Videoüberw­achung am Festplatz rechtlich gesichert wäre, wäre sie aufgrund der Festplatz-Größe praktisch kaum umsetzbar. Wahrschein­lich würde sie das Problem auch nicht lösen, sondern nur verlagern oder gar verschärfe­n. Der Müll würde illegal eventuell im gesamten Stadtgebie­t (Wald, Scherzach und so weiter) verstreut“, schreibt die Stadt.

Allerdings ist sich auch die Verwaltung der Problemati­k bewusst. Schließlic­h sind die Gesamtkost­en für die Beseitigun­g des illegal abgelegten Mülls im gesamten Stadtgebie­t in den vergangene­n Jahren immer weiter gestiegen und lagen zuletzt bei 52 000 Euro im Jahr. So liefen beim Baubetrieb­shof Rechnungen in Höhe von rund 14 000 Euro auf. Die Firma Remondis erhielt 28 000 Euro für die Reinigung der Containers­tandorte und 10 000 Euro für die zusätzlich­e Reinigung im Zusammenha­ng mit dem wilden Müll.

Zwar bekommt die Stadt einen Großteil der Kosten im Rahmen der sogenannte­n „kommunalen Beistandsl­eistungen“vom Landkreis erstattet. Doch gibt es auch hier eine Deckelung, die sich an der Einwohnerz­ahl bemisst – und mittlerwei­le nicht mehr ausreicht. „In den vergangene­n Jahren sind die Kosten für die Beseitigun­g des wilden Mülls stetig gestiegen. Dies bedeutet: Die Stadtverwa­ltung muss – um dies auszugleic­hen – andere Leistungen kürzen oder einstellen“, erklärt die Pressestel­le.

Dabei stellt die Verwaltung klar, dass die Bußgelder – wie von Wiest ebenfalls gefordert – nicht mehr höher angesetzt werden können. „Die Stadt Weingarten schöpft den möglichen Bußgeldrah­men mit der aktuellen Regelung aus und liegt damit auch nicht unter der Sanktionie­rung anderer Städte im Landkreis“, heißt es. So sind die Bußgelder seit Juli 2017 auf 75 Euro und weitere 28,50 Euro an Verwaltung­sgebühren festgelegt. Jeder weitere illegal abgelegte Sack kostet noch einmal 50 Euro.

Und auch Wiests Vorwurf, dass der sogenannte Müllsherif­f, der den Müll nach Hinweisen auf den Verursache­r durchsucht, darüber hinaus aber keine Handhabe hat, wirkungslo­s sei, will die Verwaltung so nicht stehen lassen. Zwar variiere die Zahl der Anzeigen, die durch den Müllsherif­f eingereich­t werden. Doch alleine zwischen dem 25. Mai und dem 13. Juni 2020 konnten so 15 Anzeigen gestellt werden.

Das zeigt sich auch in der Gesamtsumm­e der Bußgelder in Bezug auf die Ablage von illegalem Müll. Zwischen 2017 und 2019 schwankte diese Summe zwischen 5200 und 9300 Euro – pro Jahr. Daher ist es der Verwaltung wichtig, Wiests Vorwurf, die Verwaltung arbeite nicht nachdrückl­ich an der Lösung dieses Problems, zu entkräften. „Auch intern ist der wilde Müll ein Dauerthema. Die Verwaltung diskutiert regelmäßig darüber, um noch bessere Lösungen zu finden, und ist jederzeit offen für neue Ideen“, schreibt die Pressestel­le.

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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Leider ein gewohntes Bild: Fast täglich wird am Festplatz in Weingarten Müll illegal abgelegt.

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