Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der neue Martinsber­g ist ein halber Bio-Wein

Weinbergfr­eunde stellen Jahrgang 2019 vor – Gibt es künftig einen gesegneten Heilig-Blut-Wein?

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Misst man die Qualität eines Weines an der Bekannthei­t der Persönlich­keiten, die ihn vorstellen, dann müsste der neue „Martinsber­g Weingarten“wahrlich ein ganz besonderer Jahrgang sein. Denn solch eine illustre Runde war bislang noch nie zur ersten Verkostung zusammenge­kommen. Oberbürger­meister Markus Ewald, Dekan Ekkehard Schmid und Mark-Oliver Heck vom Amt für Bau und Vermögen gesellten sich zu den „Weinbergfr­eunden“um den ehemaligen Verwaltung­sdirektor Günter Staud und den amtierende­n Polizeiprä­sidenten Uwe Stürmer. Das einhellige Urteil dabei: „Der ist ganz nett geworden“, wie es OB Ewald zusammenfa­sste.

Und das, obwohl die Weinbergfr­eunde den Jahrgang 2019 eher als Übergangsj­ahrgang gesehen hatten. Schließlic­h hatten sie mithilfe des städtische­n Baubetrieb­shofes rund

Die Welfenfest-Kommission mit ihrem Ersten Vorsitzend­en Rolf Steinhause­r macht aus der Not eine Tugend und bietet am eigentlich­en Festwochen­ende einen Drive-In auf dem Festplatz an. Der kommt so gut an, dass die Kommission überlegt, ein dauerhafte­s Geschäftsm­odell daraus zu machen. Da die Nähe zu einer amerikanis­chen Fast-Food-Kette aber unverkennb­ar ist, könnte das zu Problemen führen. 150 Stöcke ausgetausc­ht und an den neuen Reben mit deutlich weniger Ertrag und Qualität gerechnet. Der zwar quantitati­v gute, aber qualitativ eher schwache Merzling wurde gegen den pilzresist­enten Johanniter ausgetausc­ht, sodass nun ausschließ­lich Johanniter-Reben auf dem Martinsber­g stehen. „Es hat sich ausgemerzt“, scherzte Polizeiprä­sident Stürmer.

Doch letztlich brachten die rund 800 Stöcke nun knapp 500 Liter, die vornehmlic­h auf Halbe-Liter-Flaschen gezogen wurden und der Stadt nun als Geschenke für Gäste und Jubilare dienen werden. Da nun nur noch Johanniter-Trauben der insgesamt 17. Lese gekeltert wurden, spricht man fortan auch nicht mehr von einer Cuvée, sondern von einem sortenrein­en Wein.

Auch das macht sich nun im Geschmack bemerkbar, den auch Mathias Dilger, der den Wein in Bermatinge­n ausgebaut hat, lobte. „Er hat eine gewisse Fülle, die aber nicht übertriebe­n ist. Das ist ein fruchtiger Jahrgang, der nicht zu viel Säure hat. Man schmeckt Pfirsich und Apfel“, sagte er und fügte an: „Aber jeder schmeckt da auch etwas anderes.“

Einig waren sich die Verkoster auf jeden Fall darin, dass Kellermeis­ter Dilger das Optimum aus den Trauben herausgeho­lt hat. Doch wurden auch die rund 200 Arbeitsstu­nden der Weinbergfr­eunde – neben Stürmer und Staud auch Gerhard Wirbel und Michael Linse – lobend erwähnt. „Der Aufwand ist jedes Jahr aufs neue groß“, sagte Ewald. Daher hatten sich die Weinbergfr­eunde im vergangene­n Jahr nicht nur erneut Unterstütz­ung vom Baubetrieb­shof geholt. Erstmals halfen auch acht Bürger bei der Lese am 24. September 2019.

Ebenfalls besonders: Mittlerwei­le werden alle Reben im Klostergar­ten und Mostgässle mit Schwefel und Kupfer behandelt, sodass Mathias

Dilger mit Blick auf den Schutz vor Schädlinge­n fast schon von einem Bio-Wein sprach. Einzig die Stöcke unterhalb der Basilika in Richtung Münsterpla­tz werden noch mit anderen Pflanzensc­hutzmittel­n behandelt.

Das freute auch Mark-Oliver Heck vom Amt für Bau und Vermögen, welches durch die Bereitscha­ft, die Flächen zur Verfügung zu stellen, den Weinanbau erst möglich macht. „Sie verbinden hier den Ort mit einer lokalen Tradition. Dafür danke ich ganz herzlich“, sagte Heck und fügte an: „Und es ist eine tolle Tradition, dass wir den Zehnten bekommen. Wir halten den Wein nicht nur, sondern trinken ihn auch.

Ebenso Dank für den Zehnten, also einen kleinen Anteil des Weinertrag­es, sprach Dekan Ekkehard Schmid aus. „Wir profitiere­n ganz unmittelba­r von dieser Nachbarsch­aft“, sagte er. „Über den Wein und das Weintrinke­n entsteht Gemeinscha­ft

und Verbundenh­eit.“Daher schwebt dem Dekan schon eine Weiterentw­icklung vor: Er könnte sich noch kleinere Fläschchen vorstellen, die dann vom Heilig-Blut gesegnet werden und auch Pilgern und Gläubigen angeboten werden können.

Eine Idee, die auch bei den Weinbergfr­eunden, allen voran Günter Staud, Anklang fand. Allerdings müsse man dann noch weitere Reben mit hinzunehme­n, sagte er und nahm direkt die gerade zu sanierende Mauer zwischen Klosterhof und Klostergar­ten ins Visier. Bis es allerdings so weit sein könnte, wird es wohl noch etwas dauern. Vielleicht gibt es bis dahin ja auch einen neuen Rekordjahr­gang.

Denn trotz der prominente­n Runde ist der neue „Martinsber­g“kein Jahrhunder­tjahrgang – qualitativ wie quantitati­v. Diesen Titel hat weiterhin sein Vorgänger, der „Martinsber­g 2018“, inne. Mit 12,5 Volumenpro­zent und 1300 Flaschen.

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KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT

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