Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Katastroph­e als Wendepunkt

- Von ThomasG Spang politik@schwaebisc­he.de

Lebten alle 3,1 Millionen an Covid-19 erkrankten Amerikaner in einer Stadt, wäre dies nach New York und Los Angeles die drittgrößt­e US-Metropole. Angesichts der immer neuen Rekorde, die Tag für Tag mehr als 60 000 Infizierte hinzufügen, wird es nicht mehr lange dauern, bis „Corona-City“auf Platz zwei vorrückt. Dass die Zahl der Toten bisher proportion­al nicht so stark anstieg, ist ein schwacher Trost. Eigentlich sollte es reichen, alle drei Tage so viele Menschen an Covid-19 zu verlieren wie am 11. September 2001. Zumal es nach der Explosion an positiven Testergebn­issen im Süden und Westen nun drei bis vier Wochen dauert, ehe das Virus sein tödliches Werk verrichtet hat.

Egal nach welchem objektiven Maßstab: Die USA verlieren das Ringen mit der Pandemie, das Virus ist außer Kontrolle geraten. Die Fallzahlen steigen in 33 Staaten und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Welt wieder Bilder wie im März und April aus New York sehen wird. Mit dem Unterschie­d, dass es dort einen Gouverneur gab, der auf Quarantäne setzte und einsichtig­e Bürger. Die neuen Hotspots South Carolina, Florida, Texas und Arizona sind indes Hochburgen der Trump-Fans und haben Gouverneur­e, die im Frühjahr als Erste den Shutdown beendeten. Dass Trump das Tragen von Masken lange zu einem politische­n Symbol verklärt und das tödliche Virus als „zu 99 Prozent harmlos“herunterge­spielt hat, kommt wie ein tödlicher Bumerang zurück. Statt zu führen, steckt er den Kopf in den Sand.

Tatsächlic­h lässt sich die Realität der Pandemie ebensoweni­g wegreden wie das ökonomisch­e Desaster. Die Amerikaner erkennen mit jedem Tag klarer: Solange Covid-19 nicht unter Kontrolle ist, kann sich auch die Wirtschaft nicht erholen. Die Kapitulati­on Trumps vor der Pandemie hat das Potenzial, ihn bei den Wahlen im November dahinzuraf­fen. Wie bei George W. Bush bedarf es offenbar einer Katastroph­e, die bei einer Mehrheit zum Bruch des Vertrauens in die Kompetenz des Präsidente­n führen könnte. Die Corona-Krise fühlt sich so an, als wäre sie Trumps „Hurrikan Katrina“-Moment.

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