Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Warnung vor „Freibrief für Raser“

Zwist um Straßenver­kehrsordnu­ng geht weiter – „Fahrverbot auf Bewährung“im Gespräch

- Von Nico Esch und Gregor Tholl

BERLIN (dpa) - Im Streit um die fehlerhaft­e Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng prallen Länder, Städte, Bund und Verbände aufeinande­r. Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd fordert ein ausgewogen­es Regelwerk, etwa ein „Fahrverbot auf Bewährung“, der ADAC sieht angesichts der Diskussion um die Wirksamkei­t der StVO die Gefahr von Missverstä­ndnissen bis hin zu einem „Freibrief für Raser“. Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann spricht sich derweil strikt gegen eine Abkehr von den schärferen Sanktionen aus.

Der Fehler liege bei Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), der nun auch noch versuche zu korrigiere­n, was ihm nicht gefalle, sagte der Grünen-Politiker.

Scheuer will mit den Ländern darüber verhandeln, dass schärfere Regelungen über Fahrverbot­e bei zu schnellem Fahren wieder rückgängig gemacht werden. Offenbar wollen Vertreter von Bund und Ländern am Montag auf Abteilungs­leitereben­e die aktuelle Lage beraten. Die Fachleute werden wohl nicht nur darüber sprechen, welche Sanktionen Verkehrssü­nder künftig zu befürchten haben. Sie müssen sich auch damit befassen, wie man mit den Fällen umgeht, bei denen die härteren neuen Regeln bereits angewandt wurden.

Hermann betonte, die grüne Seite wollen eine rasche und formal rechtliche Korrektur „ohne Änderungen der beschlosse­nen Maßnahmen“. Hermann koordinier­t bei dem Thema das Vorgehen der grünen Verkehrsmi­nister und -senatoren.

Zudem müsse es nun schnell eine einheitlic­he Übergangsr­egelung geben, sagte er. Die sollte nach Hermanns Auffassung so aussehen, dass nur die wenigen Tatbeständ­e, die in der Novelle nicht rechtlich sauber geregelt sind, vorübergeh­end nach altem Recht gehandhabt werden – und alle anderen nach den neuen Regeln. Das gehe aber nur, wenn der Bund und die Länder sich einig seien.

Der Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­nds, Gerd Landsberg, sagte der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“, man könne durchaus hinterfrag­en, „ob es wirklich verhältnis­mäßig ist, wenn jemand, der vielleicht viele Jahre ,punktefrei’ gefahren ist, einmalig einen solchen Verstoß begeht, schon mit einem Fahrverbot belegt werden sollte“. Möglich wäre doch beispielsw­eise, die Bußgelder zwar deutlich zu erhöhen, aber Fahrverbot­e weiter erst bei deutlich zu schnellem Fahren zu verhängen, sagte Landsberg. „Wenn es sich um einen erstmalige­n Verstoß handelt, könnte auch über ein Fahrverbot auf Bewährung nachgedach­t werden.“

ADAC-Verkehrspr­äsident Gerhard Hillebrand sagte am Sonntag: „Die Debatte um die StVO lädt dazu ein, als Freibrief für Raser missversta­nden zu werden und dadurch die Verkehrssi­cherheit zu beeinträch­tigen.“Der Verkehrscl­ub trete dafür ein, rücksichts­lose Raser kompromiss­los zu belangen. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mitnichten jeder, der nach den neuen Regeln bereits von einem Fahrverbot betroffen war, ein notorische­r Raser ist.“

In der Sache geht es darum, dass seit Ende April ein Monat Führersche­inentzug droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h zu schnell – dies hatte der Bundesrat in die StVO-Novelle hineingebr­acht. Zuvor lagen die Grenzen bei Überschrei­tungen von 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb. Wegen eines Formfehler­s in der Verordnung wurden die neuen Regeln aber nun bundesweit von den Ländern vorerst außer Vollzug gesetzt.

Von Chaos und Unsicherhe­it will Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) derweil nichts wissen. „Die Verfahren zu den Verstößen vom Mai und Juni nach dem neuen Bußgeldkat­alog werden – so zugesagt – von den Ländern ausgesetzt. Und jetzt gilt der alte Bußgeldkat­alog und wird angewendet, so wie in den letzten Jahren auch“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Es gebe also keine rechtlose Situation. Zudem verhandele er mit den Ländern.

Ein Ministeriu­mssprecher hatte am Freitag gesagt, in Abstimmung mit den zuständige­n Ressorts der Länder werde unter Hochdruck an einer raschen Klärung gearbeitet. Dabei gehe es zum einen darum, den Formfehler in der StVO-Novelle zu korrigiere­n. Dies sei eine Chance, eine „Unverhältn­ismäßigkei­t“im Bußgeldkat­alog richtigzus­tellen.

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