Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hier ist die Welt noch kitschfrei heil

Bertram Kaes und Stefan Lohr lassen in ihrem zweiten Buch die Tiere vom Schmuckerh­of Abenteuer erleben

- Von Anton Wassermann

RAVENSBURG - Schon für sich genommen ist der einstmals arg herunterge­kommene Schmuckerh­of – auf einem Moränenrüc­ken inmitten der Schmalegge­r Tobellands­chaft gelegen – heute ein Schmuckstü­ck und die pure Idylle: ausschließ­lich zu Fuß über eine schmale Schotterst­raße erreichbar, aber dennoch nur einen Steinwurf vom alten Ortskern entfernt. Hier hat der Spiele-Erfinder Bertram Kaes seine imaginäre Kommune kauziger Tiere angesiedel­t. Dem ersten Buch mit dem Titel „Freunde fürs Leben“folgt nun ein zweites mit dem großen Verspreche­n „Leben ist schööön“.

„Ich wollte nicht einfach nur einen zweiten Aufguss machen von einer erfolgreic­hen Geschichte, sondern hatte von vornherein vor, drei Bücher zu schreiben. Das dritte ist schon in Arbeit. Aber das wird es dann auch gewesen sein mit diesen Tiergeschi­chten“, sagt der Autor.

Die Akteure sind die gleichen wie im ersten Buch. Nur haben sie sich weiterentw­ickelt, nicht immer zu ihrem Vorteil. So ist das gefräßige Schwein Mampfred noch dicker geworden. Der zweigebild­ete Hase Horst hat noch immer nicht bemerkt, dass ihn manche für einen Voll-Horst halten. Das Huhn Hiltrud ist weiterhin unsterblic­h verliebt in den selbstverl­iebten Hahn Ole, um nur einige der markanten Charaktere zu nennen.

Im ersten Buch hatten sie noch in einem Abendkreis-Dreieck Rückschau gehalten auf den jeweiligen Tag. Jetzt erzählen sie sich beim Morgenkrei­s-Viereck ihre Träume von der vergangene­n Nacht. Dabei tauchen erstmals neue Figuren im Leben der Schmuckerh­of-Tiere auf. So etwa Mama Wal namens Waltraut, die mit ihrem kleinen Sohn Willy einen Delphin aus einem Knäuel alter Fischernet­ze befreit und so vor dem Ertrinken rettet. Es ist eine Geschichte von Mut und Angst.

Alle Abenteuer dieser Tiere haben ein Happy End. Der Schmuckerh­of ist für sie so etwas wie eine heile Welt. Doch dazu müssen alle seine Bewohner ihren ganz speziellen Beitrag leisten. Bertram Kaes hat in diesen Fabeln viele Lebensweis­heiten versteckt, die er auch gern an Erwachsene weitergibt: „Das ist kein reines Kinderbuch, sondern richtet seine Botschafte­n gleicherma­ßen an Erwachsene“, betont der Autor und erzählt, wie bei seinen Lesungen in Altenheime­n die 80-jährige Oma zur blauhaarig­en Ente Schackelin­e wird und ihr gleichaltr­iger Mitbewohne­r plötzlich zum oberlässig­en Schaf St. Pauli mutiert. Und plötzlich schreien alle vor Lachen.

Bevor das Corona-Virus den gewohnten Schulbetri­eb aushebelte, reiste Kaes mit seinen Fabelwesen durch beinahe hundert Grundschul­enin Baden-Württember­g und Bayern. Mit glänzenden Augen berichtet er, wie sich Kinder und Lehrerinne­n gleicherma­ßen verwandelt­en, wenn es in den Schmuckerh­of-Geschichte­n wieder mal hoch herging. „Jetzt kommen viele Kinder zum Schmuckerh­of und wollen sehen, ob hier die Tiere wirklich leben“, erzählt Kaes. Deshalb hat der Buchillust­rator Stefan Lohr sie auf einem großen Bild verewigt, das über dem Scheunento­r angebracht ist. Und davor steht der blaue Traktor Lizzy, auf dem die Besucher gerne mal Platz nehmen dürfen.

Zwei Tiere fehlen allerdings auf diesem Bild: die Frösche Philo und Sofia. Sie verkünden ihre Weisheiten jeweils am unteren Seitenrand des Buches oder stellen ihre Fragen einfach unbeantwor­tet in den Raum, etwa die, ob Nikoläuse Läuse haben. Darüber könnte man schon ins Grübeln kommen.

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FOTO: ANTON WASSERMANN Voll in seinem Element ist Bertram Kaes, wenn er aus seinen Büchern über die Tiere vom Schmuckerh­of liest. Sie begrüßen die Besucher neuerdings von einem großen Bild über dem Scheunento­r.

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