Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hier ist die Welt noch kitschfrei heil
Bertram Kaes und Stefan Lohr lassen in ihrem zweiten Buch die Tiere vom Schmuckerhof Abenteuer erleben
RAVENSBURG - Schon für sich genommen ist der einstmals arg heruntergekommene Schmuckerhof – auf einem Moränenrücken inmitten der Schmalegger Tobellandschaft gelegen – heute ein Schmuckstück und die pure Idylle: ausschließlich zu Fuß über eine schmale Schotterstraße erreichbar, aber dennoch nur einen Steinwurf vom alten Ortskern entfernt. Hier hat der Spiele-Erfinder Bertram Kaes seine imaginäre Kommune kauziger Tiere angesiedelt. Dem ersten Buch mit dem Titel „Freunde fürs Leben“folgt nun ein zweites mit dem großen Versprechen „Leben ist schööön“.
„Ich wollte nicht einfach nur einen zweiten Aufguss machen von einer erfolgreichen Geschichte, sondern hatte von vornherein vor, drei Bücher zu schreiben. Das dritte ist schon in Arbeit. Aber das wird es dann auch gewesen sein mit diesen Tiergeschichten“, sagt der Autor.
Die Akteure sind die gleichen wie im ersten Buch. Nur haben sie sich weiterentwickelt, nicht immer zu ihrem Vorteil. So ist das gefräßige Schwein Mampfred noch dicker geworden. Der zweigebildete Hase Horst hat noch immer nicht bemerkt, dass ihn manche für einen Voll-Horst halten. Das Huhn Hiltrud ist weiterhin unsterblich verliebt in den selbstverliebten Hahn Ole, um nur einige der markanten Charaktere zu nennen.
Im ersten Buch hatten sie noch in einem Abendkreis-Dreieck Rückschau gehalten auf den jeweiligen Tag. Jetzt erzählen sie sich beim Morgenkreis-Viereck ihre Träume von der vergangenen Nacht. Dabei tauchen erstmals neue Figuren im Leben der Schmuckerhof-Tiere auf. So etwa Mama Wal namens Waltraut, die mit ihrem kleinen Sohn Willy einen Delphin aus einem Knäuel alter Fischernetze befreit und so vor dem Ertrinken rettet. Es ist eine Geschichte von Mut und Angst.
Alle Abenteuer dieser Tiere haben ein Happy End. Der Schmuckerhof ist für sie so etwas wie eine heile Welt. Doch dazu müssen alle seine Bewohner ihren ganz speziellen Beitrag leisten. Bertram Kaes hat in diesen Fabeln viele Lebensweisheiten versteckt, die er auch gern an Erwachsene weitergibt: „Das ist kein reines Kinderbuch, sondern richtet seine Botschaften gleichermaßen an Erwachsene“, betont der Autor und erzählt, wie bei seinen Lesungen in Altenheimen die 80-jährige Oma zur blauhaarigen Ente Schackeline wird und ihr gleichaltriger Mitbewohner plötzlich zum oberlässigen Schaf St. Pauli mutiert. Und plötzlich schreien alle vor Lachen.
Bevor das Corona-Virus den gewohnten Schulbetrieb aushebelte, reiste Kaes mit seinen Fabelwesen durch beinahe hundert Grundschulenin Baden-Württemberg und Bayern. Mit glänzenden Augen berichtet er, wie sich Kinder und Lehrerinnen gleichermaßen verwandelten, wenn es in den Schmuckerhof-Geschichten wieder mal hoch herging. „Jetzt kommen viele Kinder zum Schmuckerhof und wollen sehen, ob hier die Tiere wirklich leben“, erzählt Kaes. Deshalb hat der Buchillustrator Stefan Lohr sie auf einem großen Bild verewigt, das über dem Scheunentor angebracht ist. Und davor steht der blaue Traktor Lizzy, auf dem die Besucher gerne mal Platz nehmen dürfen.
Zwei Tiere fehlen allerdings auf diesem Bild: die Frösche Philo und Sofia. Sie verkünden ihre Weisheiten jeweils am unteren Seitenrand des Buches oder stellen ihre Fragen einfach unbeantwortet in den Raum, etwa die, ob Nikoläuse Läuse haben. Darüber könnte man schon ins Grübeln kommen.