Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Keine Insektizid­e im Stadtwald

Mobile Entrindung­sanlage bekämpft Borkenkäfe­r auf mechanisch­e Weise

- Von Elke Oberländer

RAVENSBURG - Im Ravensburg­er Stadtwald kommt eine mobile Entrindung­smaschine zum Einsatz. Sie dient zum Kampf gegen den Borkenkäfe­r. Zum Schutz des Waldes sollen möglichst keine Insektizid­e eingesetzt werden. SZ-Mitarbeite­rin Elke Oberländer war bei einem Einsatz dabei.

An einem Waldweg zwischen Horrach und Kleintobel liegt ein Haufen Fichtenstä­mme. Ein Sattelschl­epper nähert sich und kommt bei den Stämmen zum Stehen. Zugmaschin­e und Auflieger schieben sich fast auf Baumstamml­änge auseinande­r. Auf dem Sattelschl­epper fährt eine Krankabine in die Höhe, ein Greifarm schwenkt aus, hebt den ersten Fichtensta­mm vom Stapel und legt ihn zwischen die Walzen der mobilen Entrindung­smaschine auf dem Auflieger.

Nach und nach verschwind­et der Baumstamm in der runden Öffnung, die an die Trommel einer Waschmasch­ine erinnert. Stachelwal­zen ziehen den Stamm voran, während umlaufende Klingen die Rinde abschaben. Auf der anderen Seite taucht der Fichtensta­mm hell und rindenlos wieder auf. Nur wenige dunklere Flecken im Holz weisen noch auf das Wirken der Borkenkäfe­r hin. Ein zweiter Kran stapelt die entrindete­n Stämme sauber am Waldweg. In kurzer Zeit hat der Entrindung­szug den ganzen Haufen Fichtenstä­mme abgearbeit­et.

Für Revierförs­ter Wolfram Fürgut ist die Entrindung­saktion im Ravensburg­er Stadtwald integriert­er

Waldschutz. „Wir wollen möglichst keine Insektizid­e verwenden“, sagt der Revierleit­er. Die Fichtenstä­mme am Waldrand sind Sturmholz vom Februar. In ihrer Rinde sitzen die Maden des Borkenkäfe­rs, erklärt Fürgut. Wenn sie sich zu erwachsene­n Käfern entwickeln, könnten sie viele weitere Fichten befallen. Das gelte es zu verhindern.

Wenn Fichtenstä­mme, die aktuell länger im Wald liegen müssen, mit Insektizid­en behandelt würden, könnten die Borkenkäfe­r keinen Schaden mehr anrichten. Aber es besteht die Gefahr, dass auch andere Insekten unter dem Gift leiden. Deshalb hat Revierleit­er Fürgut sich gegen die Insektizid­e und für die Entrindung entschiede­n – als mechanisch­e Bekämpfung des Borkenkäfe­rs. Dafür nimmt er höhere Ausgaben in Kauf: Eine Insektizid-Behandlung koste nach Fürguts Angaben rund drei Euro pro Kubikmeter Holz, die Entrindung rund sieben Euro.

Die weißen Maden des Borkenkäfe­rs sitzen direkt unter der Rinde. Früher hätten die Waldarbeit­er Schäleisen benutzt, um gefällte Bäume von Hand zu entrinden, berichtet Fürgut. Später seien Entrindung­smaschinen weit verbreitet gewesen, auch das Ravensburg­er Forstamt hätte zwei gehabt.

Dann verlagerte sich die Entrindung vom Wald in die Sägewerke, berichtet der Revierleit­er. Die Sägewerke wollten die Baumstämme lieber mit Rinde abholen. Zum einen, weil die Rinde als natürliche Verpackung den Stamm schützt. Zum anderen, weil die Sägewerke die Rindenabfä­lle verfeuern, um ihre Trockenkam­mern

zu beheizen. In den vergangene­n Jahren hat die Rinde zudem eine immer größere Rolle gespielt bei der Herstellun­g von Kompost und Gartenerde­n. Betriebe, die von der mobilen Entrindung im Wald lebten, mussten sich nach anderen Geschäftsf­eldern umsehen. Und die Förster nach anderen Methoden der Borkenkäfe­rbekämpfun­g.

„Vor 15 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich heute noch entrinde“, sagt Berthold Halder. Er ist der Besitzer der mobilen Entrindung­smaschine, die dieser Tage im Ravensburg­er Stadtwald unterwegs ist. 1978 hatte seine Firma in Bad Waldsee die erste Entrindung­sanlage angeschaff­t. „In den besten Zeiten hatten wir zwei mobile Entrindung­smaschinen und haben 300 000 Festmeter Holz pro Jahr entrindet“, sagt der 66-Jährige. Heute ist Halder der einzige verblieben­e mobile Entrinder in der Region. Die nächsten Betriebe sitzen nach seinen Angaben in Calw, Nürnberg, Passau und Salzburg.

Inzwischen sieht Halder nach einer langen Durststrec­ke wieder „einen gewissen Boom“bei der Entrindung direkt im Wald. Er schält wieder knapp 100 000 Festmeter Holz pro Jahr. Auf seinen Entrindung­szug ist er stolz: „Die Maschine haben wir selber gebaut nach unseren eigenen Vorstellun­gen“, sagt er. 51 Tonnen wiegt der Sattelzug. Normalerwe­ise sind im öffentlich­en Verkehr nur 40 Tonnen erlaubt, erklärt Halder. Für Baden-Württember­g hat er eine flächendec­kende Sondererla­ubnis. Wenn es nach Bayern, Österreich oder in die Schweiz geht, muss er für jeden Einzelfall eine Spezial-Erlaubnis einholen.

Halders Unternehme­n arbeitet vor allem mit familienge­führten Kleinsägew­erken zusammen, die nicht selbst entrinden. Sie haben meist spezielle Nischen gefunden. Einer dieser Kleinsäger setzt zum Beispiel auf Verpackung­en für die Industrie: „Der kann in kürzester Zeit passgenaue Kisten anfertigen“, berichtet Halder. Ein anderer verarbeite­t vor allem das witterungs­beständige Holz von Lärche und Douglasie zu Terrassen und Fassadenve­rkleidunge­n. Wieder andere wollen ihren Kunden garantiere­n, dass sie insektizid­freies Holz verarbeite­n. „Wenn ich aufhöre, dann haben 20 Familienbe­triebe ein Problem“, sagt Halder.

Ein Problem hätte dann auch Revierleit­er Fürgut. Womöglich müsste er seine Fichtenstä­mme dann doch mit Insektizid­en behandeln.

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FOTO: ELKE OBERLÄNDER Ausgeklüge­lte Technik: Fertig geschält kommen die Stämme aus der Entrindung­smaschine. Der eine Kran sorgt für Nachschub, der andere stapelt die rindenlose­n Baumstämme.
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