Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wir wollen das Festival auch anderen Sparten öffnen“
Ein Gespräch mit Rolf W. Stoll, künstlerischer Leiter von „weit!“
WEINGARTEN - Dem neuen künstlerischen Leiter Rolf W. Stoll ist Weingarten wohl bekannt. Hier hat er studiert und mit einem, wie er selbst sagt, „bereichernden“Umweg über den Lehrerberuf zu seinen Hauptinteressen gefunden. Nach einer arbeitsintensiven Karriere im führenden Musikverlag Schott, die ihn mit zahlreichen Persönlichkeiten des Musiklebens zusammenbrachte, kann er sich nun als ehrenamtlicher Leiter dem „weit!“-Festival mit Freude widmen. Ein hagerer, hoch gewachsener Mann, der ernst, aber nahbar und sehr konzentriert dem Gespräch folgt und druckreif formuliert.
Wie kam es denn überhaupt zu Ihrer Anwerbung durch den Förderkreis der Weingartener Tage für Neue Musik, Herr Stoll? Und haben
Sie selbst das Festival öfter erlebt?
Zum Festival selbst bin ich viel zu selten gekommen, weil ich beruflich immer mehr eingespannt war. Der Kontakt kam durch die Gestaltung der Festival-Publikation 2018, da haben wir schon gut zusammen gearbeitet. Seit 2019 bin ich auch Mitglied im Förderkreis. Der ist inzwischen neu aufgestellt und mit 25 Mitgliedern noch nicht sehr groß. Aber es sind einige neue Mitglieder dabei.
A propos neu: Wie sehen Sie die Chance, mehr und vor allem junge Leute für Neue Musik zu interessieren?
Wir werden uns professionalisieren, deutlich mehr Marketing betreiben, über die neue Website, einen Newsletter und die sozialen Medien. Aber auch über unsere Angebote, die zum Beispiel Schülern und Studenten Möglichkeiten der Teilnahme eröffnen.
Ist das Festival nicht auch wieder elitär oder zu sehr fachspezifisch und nicht „für alle“gedacht? So wie in Donaueschingen vorwiegend ein Fachpublikum verkehrt?
Ich würde mir natürlich wünschen, dass Neue Musik für alle interessant wäre. Das ist allerdings noch immer nicht der Fall. Der intellektuelle Zugang zur Neuen Musik steht heute wohl weniger im Zentrum, dennoch ist nach wie vor das Bildungsniveau entscheidend. Aber es gibt auch neue Zugänge ohne Berührungsängste zur „ernsthaften Musik“. Wir wollen deshalb das Festival auch anderen Sparten wie Film, Tanz und Bildender Kunst öffnen. Wichtigstes Element bleibt jedoch das
Komponistenporträt mit einer anwesenden Künstlerpersönlichkeit.
Noch eine neugierige Frage: Wie kommt man als Musikwissenschaftler in den 1980er-Jahren auf die Musik Chinas? Und was hat das für Sie bedeutet?
Diese alte Klangwelt hat mich fasziniert. Und obwohl ich nie dort war, habe ich mir durch die Schallplatten, die es damals auch von chinesischer Musik gab, und die ausgezeichneten Publikationen aus der DDR Kenntnisse erworben und ein didaktisches Werk für den Schulgebrauch geschrieben. Vermutlich bin ich geprägt von der Pädagogik, denn mich interessiert an Musik vor allem die Wirkung auf den Menschen. Daneben begreife ich Musik als kulturelles Dokument, das uns die Weltsicht der jeweiligen Zeit vermitteln kann, existenzielle Themen, gesellschaftliche Verhältnisse. So vieles lässt sich darin erkennen.
Wie sieht es denn mit dem Echo auf die Neuauflage des Festivals aus?
Der BR, der SWR und Deutschlandradio haben bereits ihre Teilnahme zugesagt. Das ist doch ein guter Anfang.