Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Im Alltag aktiv gegen Tierversuc­he

Verbrauche­r können einiges tun – Label bieten beim Kosmetikka­uf Orientieru­ng

- Von Sabine Metzger

BONN (dpa) - Der Tierschutz wird in Deutschlan­d schon länger großgeschr­ieben. Inzwischen gibt es viele Verbote gegen Tierversuc­he, tatsächlic­h aber auch einige Lücken. Wer sich beim Einkauf im Sinne des Tierschutz­es korrekt verhalten will, hat es deshalb mitunter schwer, den Überblick zu behalten. Zum Beispiel bei Kosmetik. „Im Grunde kann jedes Kosmetikpr­odukt in Deutschlan­d von sich behaupten, tierversuc­hsfrei zu sein“, sagt Stephanie Link, Fachrefere­ntin beim Deutschen Tierschutz­bund. Wirklich tierversuc­hsfrei seien viele Kosmetika aber nicht – auch solche, die mit „tierversuc­hsfrei“werben würden.

Nach Angaben des Industriev­erbands Körperpfle­ge und Waschmitte­l (IKW) verzichtet die deutsche Kosmetikin­dustrie bereits seit 1989 freiwillig auf Tierversuc­he für kosmetisch­e Fertigprod­ukte. Seit 2004 gibt es dafür auch ein EU-weites Verbot.

Die einzelnen Inhaltssto­ffe von Kosmetikpr­odukten dürfen im EURaum seit 2009 nicht mehr an Tieren getestet werden. Und seit 2013 ist auch der Verkauf von Kosmetika, deren Inhaltssto­ffe außerhalb der EU an Tieren getestet wurden, verboten.

Aber diese Beschränku­ngen gelten nur für neue Inhaltssto­ffe. Was vorher an Tieren getestet wurde, darf also weiterhin genutzt werden.

Hinzukommt, dass Kosmetikhe­rsteller vielfach Substanzen verwenden, die auch in anderen Produkten eingesetzt werden. Etwa in Wandfarben, Reinigungs­mitteln oder Medikament­en, erklärt Birgit Huber, Bereichsle­iterin Schönheits­pflege des IKW.

Tierversuc­he, die für Rohstoffe auch in Kosmetika durchgefüh­rt werden, sind unter anderem akute und chronische Toxizitäts­tests, bei denen die Testsubsta­nzen Ratten und Mäusen verabreich­t werden. „Hier leiden die Tiere oft sehr und sterben qualvoll, beispielsw­eise an Atemlähmun­gen oder inneren Blutungen“, erklärt Link. Haut- und Augenreizu­ngstests werden meist an Kaninchen durchgefüh­rt.

Link sieht solche Versuche kritisch: „Neben der ethischen Frage, was wir Tieren antun dürfen, stellt sich auch die Frage nach der wissenscha­ftlichen Übertragba­rkeit der Ergebnisse. Ein Mensch ist schließlic­h keine 70 Kilo schwere Maus oder Ratte“, betont die Tierschütz­erin. „So unterschei­den wir uns unter anderem in der Lebensdaue­r, in Fragen von Ernährung und Stoffwechs­el, und es gibt Unterschie­de in Nervensyst­em, Gehirn und Sinnesorga­nen.“

Und es gibt schon einige Alternativ­en. „Unter Alternativ­methoden zum Tierversuc­h versteht man sogenannte In-vitro-Methoden. Also Methoden, die außerhalb lebender Organismen im Reagenzgla­s durchgefüh­rt werden, beispielsw­eise anhand von Zellkultur­en“, erklärt Huber. Die deutsche Kosmetikin­dustrie ziehe Alternativ­methoden auch deshalb vor, weil sie schneller und kostengüns­tiger seien.

Allerdings sei der Weg zur gesetzlich anerkannte­n Alternativ­methode weit: Für jede entwickelt­e Methode müsse zunächst belegt werden, dass sie dem Tierversuc­h gleichwert­ig sei. Im Anschluss müssen diese Daten den Behörden vorgelegt werden.

Was also können Menschen tun, denen es wichtig ist, dass für ihre Kosmetika keine Tiere leiden mussten?

Der Griff nur noch zu Bio- oder Naturkosme­tik ist es nicht. „Bio bezieht sich auf die Qualität. Das heißt nicht automatisc­h, dass die Mittel tierfrei sind“, erklärt Alexandra Borchard-Becker von der Verbrauche­r Initiative. „Möglich ist auch, dass Rohstoffe enthalten sind, die in der Vergangenh­eit aufgrund der geltenden gesetzlich­en Regelungen an Tieren getestet wurden.“

Ähnliches gilt für Naturkosme­tik, auch wenn man in diesem Sortiment häufiger fündig wird. Denn laut Borchard-Becker lehne die Naturkosme­tik Tierversuc­he grundsätzl­ich schon seit vielen Jahren ab.

Klare Orientieru­ng können Label bieten, erklärt die Expertin. Etwa das BDIH-Siegel, die Veganblume und das Label Leaping Bunny. Als weltweit strengstes Label gilt das Symbol des Kaninchens unter schützende­r Hand des Deutschen Tierschutz­bundes. „Nur Kosmetikhe­rsteller, die seit 1979 konsequent auf Tierversuc­he bei ihren Produkten und Inhaltssto­ffen verzichten, werden gelistet“, erklärt Link.

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FOTOS: CHRISTIN KLOSE UND ANDREA WARNECKE/DPA Die deutsche Kosmetikin­dustrie verzichtet bereits seit 1989 freiwillig auf Tierversuc­he für kosmetisch­e Fertigprod­ukte. Seit 2004 gibt es dafür auch ein EU-weites Verbot. Naturkosme­tik ohne tierische Bestandtei­le (rechts) ist extra gekennzeic­hnet.
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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA An Ratten und Mäusen werden oft Rohstoffe getestet, die auch in Kosmetika verwendet werden.
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