Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Soll die Relegation abgeschafft werden?
Vergegenwärtigen wir uns einmal, warum die Relegation 2009 überhaupt eingeführt wurde: Die Fußball-Entscheider erhofften sich einen spannenden Höhepunkt zu kreieren, den sie vorher selber durch ihre Überkommerzialisierung erst zerstört hatten. Durch das finanzielle Auseinanderdriften der Clubs stehen die üblichen Kandidaten meist weit vorn und die absehbaren Vereine ganz hinten in der Tabelle. Gähn.
Wenn alles vorab entschieden ist, dann sind künstlich erschaffene Tod-oderGladiolen-Spiele am Ende noch ein netter, sehr gut zu vermarktender Abschluss, der noch ein paar Milliönchen an Fernsehgeldern extra generiert. Doch ist das gerecht? Werder Bremen hat eine ebenso desaströse Saison gespielt wie der 1. FC Nürnberg. Wer es nicht schafft, sein Potenzial
über 34 Spieltage abzurufen, der gehört bestraft. Doch stattdessen werden die saisonellen Ausnahmeleistungen des 1. FC Heidenheim und der Ingolstädter bestraft. Und das, obwohl Heidenheim nicht einmal verlor, das Ende in Nürnberg sehr diskussionswürdig war. Hier, wie auch die Jahre zuvor, wurde die Fairness ad absurdum geführt. Wenn es unbedingt solcher Spiele bedarf, dann bitte abseits der drei direkten Auf- und Absteiger. Warum nicht dem vierten der unteren Liga die Chance auf den Aufstieg geben? Befürworter der Relegation können wirklich nur Fans des Hamburger SV sein. Immerhin wäre ihr Verein ansonsten bereits seit sechs Jahren zweitklassig.
Unwürdiges Ende? Im Gegenteil! Würdiger als am Samstag kann eine Abstiegsentscheidung nicht fallen. Natürlich fehlte der Partie Ingolstadt gegen Nürnberg die Kulisse, fehlten die Zehntausenden auf den Rängen, die beim Schlusspfiff vor Freude ausrasten oder in Trauer zusammensacken. Aber das ist nicht der Relegation anzulasten, sondern der CoronaKrise. Ansonsten bot besonders die Schlussphase doch genau das Drama, das sich der geneigte Zuschauer von solch einer Auseinandersetzung erhofft. Und damit hebt sich die Relegation wohltuend vom aufgeblasenen Schema-F-Kalender ab, in dem es nur so vor unsinnigen Gruppenphasen und Vorvorqualifikationen (Europa League!) wimmelt. Dann doch lieber zugespitzte K.o.-Spiele, auch wenn David gegen Goliath spielt. Wer deshalb einen Modus wie im DFB-Pokal bevorzugt, soll gerne ein einzelnes Entscheidungsspiel bekommen. Andere Ideen sind aber unbrauchbar. Die Auswärtstorregel abschaffen? Bitte nicht schon wieder ein Sonderweg. Drei direkte Auf- und Absteiger und der Vierte und der Viertletzte spielen gegeneinander? Kein Vorteil zur jetzigen Regelung. Es setzt sich sowieso immer der höherklassige Verein durch? Bitte beim VfB Stuttgart nachfragen und das Stichwort Union Berlin nennen. Ingolstadt und Heidenheim waren zumindest sehr nah dran. Glückwunsch zu einer großen Leistung. Und jetzt schleunigst das Geheule einstellen und es nächstes Jahr wieder versuchen.
„Fairness wird ad absurdum geführt.“
Von Felix Alex
„Solche Dramen erhoffen sich die Zuschauer.“Von Michael Panzram