Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Unser Verhalten entscheidet, wie es weitergehen wird“
RAVENSBURG - Die Forschungen zu einem Impfstoff gegen die vom Coronavirus ausgelöste Erkrankung laufen auf Hochtouren. Florian Bührer hat Virologe Professor Thomas Mertens gefragt, ob ein neuer Impfstoff Grund zur Hoffnung gibt und was es mit einer Studie auf sich hat, die Antiköpern bei Blutspendern untersucht hat.
Ein Impfstoffkandidat der Pharmakonzerne Pfizer und Biontech hat den so genannten Fast Track Status der US-Zulassungsbehörde FDA erhalten. Ein (erneuter) Grund zur Hoffnung?
Zwei der vier SARS-CoV-2 Impfstoffkandidaten aus der gemeinsamen Entwicklung der Firmen Biontech (Mainz) und Pfizer (New York), die sich derzeit in Phasen 1/2 der klinischen Prüfung am Menschen befinden, sind von der Food and Drug Administration (FDA) in das „Fast Track“Verfahren aufgenommen worden. Hierbei handelt es sich nur um ein technisch beschleunigtes Zulassungsverfahren, welches Kandidaten für Medikamente oder Impfstoffe erhalten, die von besonderer Bedeutung für die Gesundheit der Menschen sein könnten. In diesem Verfahren können Pharmaunternehmen und FDA fortlaufend miteinander kommunizieren. Der Hersteller kann neu gewonnene Daten sofort bei der FDA zur Prüfung einreichen. Die erforderlichen, vollständigen Ergebnisse von Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit müssen trotzdem vorgelegt werden. Bei beiden Impfstoffkandidaten handelt es sich um sogenannte mRNAImpfstoffe, die eine Immunantwort gegen das Protein der Virusfortsätze (Spikes) von SARSCoV-2 hervorrufen sollen. Die Aufnahme in den „Fast Track“sagt, dass man einen Impfstoff für sehr wichtig hält und dass man eine gewisse Hoffnung in diese Impfstoffkandidaten setzt. Eine mögliche spätere Zulassung ist von weiteren Ergebnissen abhängig.
Seit April untersucht das Robert Koch-Institut (RKI) in Kooperation mit 13 Blutspendediensten Blutspenden auf Antikörper gegen SARS-CoV-2. Nur 1,3 Prozent der erwachsenen Blutspender in Deutschland wurden bisher positiv auf SARS-CoV-2-Antikörper getestet. Ist es also ein Trugschluss zu glauben, in Deutschland haben bereits viele Menschen die Infektion durchgemacht, ohne Symptome zu bemerken?
Ja, das ist ein Trugschluss. Es gibt mittlerweile mehrere Studien, in denen Antikörper in „normalen“Bevölkerungsgruppen bestimmt wurden. Diese kommen alle zu ähnlichen Ergebnissen, nämlich dass insgesamt immer noch sehr wenige Menschen in Deutschland durch SARS-CoV-2 infiziert worden sind, was durchaus plausibel ist. Auch wenn man noch nicht weiß, wie lange Antikörper im Durchschnitt nachweisbar bleiben, und wie anhaltend der Schutz durch die verschiedenen Immunmechanismen ist, bedeutet es doch, dass die allermeisten Menschen in Deutschland weiterhin infizierbar sind. Es bedeutet auch, dass wir von einer sogenannten Herdenimmunität (die es hoffentlich gibt) noch sehr weit entfernt sind und dass es sinnvoll ist die Neuinfektionen zu erfassen. Letztlich ist es ein weiterer Hinweis darauf, dass es von unserem Verhalten abhängen wird, wie die Pandemie im Herbst weitergehen wird.