Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wächter des Allgäus“soll zum Besuchermagnet werden
Investoren planen eine Erlebniswelt am Grünten – Warum Naturschützer gegen das Projekt sind
RETTENBERG (lby) - Trubel oder stiller Naturgenuss? Seit einem Jahr tobt ein Streit um die Pläne für die neue „Bergwelt“am „Wächter des Allgäus“, wie der 1738 Meter hohe Gipfel wegen seiner exponierten Lage genannt wird. Es geht um die Frage, wie der Tourismus am Berg künftig aussehen soll. Am Wochenende demonstrierten rund 80 Menschen gegen die Pläne.
Schon 2012 hatte ein Schweizer Investor Pläne für ein Hotel, ein Panorama-Drehrestaurant und eine Sommerrodelbahn. präsentiert. Die entpuppten sich letztlich aber als „Luftnummer“, wie ein Mitglied der Alpgenossenschaft Grünten sagt. „Die haben uns Honig ums Maul geschmiert.“Die Genossenschaft bewirtschaften unter anderem die Almen am Berg. Nicht einmal die Lifte habe der Investor betankt. 2017 meldeten die Betreiber der Grüntenlifte stattdessen Insolvenz an.
Ein neuer Interessent kam ins Spiel: die Allgäuer Unternehmerfamilie Hagenauer, Betreiberin der „Alpsee-Bergwelt“entfernt. Im Sommer 2019 stellte sie ihr Konzept für eine zweite „Bergwelt“vor. Dazu gehörten neue Beschneiungsanlagen für den Winterbetrieb, ein neues Gastronomie-Angebot auf dem Gipfel, eine Zehner-Gondelbahn und eine Walderlebnisbahn als sogenannter Rollglider. Diese ist besonders umstritten. Unter anderem, weil die Bahn mit Manschetten an Bäumen befestigt wird – aus Sicht der Gegner ein zu großer Eingriff in die Natur.
Obwohl diese Pläne weniger protzig als die des vermeintlichen Schweizer Investors erschienen, regte sich Widerstand. Gegner des Projekts befürchteten einen „Rummelplatz“auf dem Berg und gründeten im Juli 2019 die Bürgerinitiative „Rettet den Grünten“.
Wie viel Tourismus ist zu viel? Im Allgäu wird darüber seit Langem diskutiert. Bei einer Befragung zum Thema durch die Hochschule Kempten stimmten 2019 knapp 50 Prozent der Aussage zu: „Wir brauchen nicht mehr und nicht weniger Tourismus.“Weitere knapp 22 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass künftig weniger Tourismus im Allgäu nötig sei. Die geplante „Bergwelt“am Grünten werde sicherlich zu einem Anstieg der Tagestouristen führen, sagt Tourismus-Professor Alfred Bauer. „Da wird die Frage diskutiert: Muss es immer höher, schneller, weiter sein?“An einem anderen Allgäuer Berg, dem Riedberger Horn, hatten Proteste 2019 den Bau eines Lifts verhindert, der zwei Skigebiete miteinander verbinden sollte. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kassierte das Projekt im Wahlkampf ein.
Am Grünten hat sich ein Jahr nach der Gründung der Bürgerinitiative wenig verändert. Die umstrittene Erlebnisbahn ist nach Angaben der Investoren „derzeit“nicht mehr Teil des Konzepts, schriftlich auf Dauer abgesichert ist das aber nicht. Rund 80 Gegner des Projekts bildeten deshalb am Samstag ein rotes Fragezeichen am Grünten.
Der Bürgermeister der Gemeinde Rettenberg, Nikolaus Weißinger (CSU), steht hinter der „Bergwelt“am Grünten. Er erhofft sich „wichtige Impulse für unsere schöne Gemeinde“. Die Planungen würden noch konkretisiert, für sachliche Gespräche mit Projektgegnern sei er offen. Die Kritik der Bürgerinitiative richtet sich auch gegen die Dimension der Pläne. Es gehe auch mal eine Nummer kleiner. Der Winterbetrieb sei mit Blick auf den Klimawandel ohnehin weder nachhaltig noch wirtschaftlich.
Die Familie Hagenauer äußert sich dazu nicht mehr im Gespräch mit Pressevertretern. Das erste Bauprojekt am Grünten ist der Neubau der Hütte am Gipfel. Sie soll neben der alten Hütte entstehen, die der örtlichen Alpgenossenschaft gehört. 42 Betten, 400 Sitzplätze, und das mitten in einem Landschaftsschutzgebiet – auch daran stören sich die Projektgegner. Der Rettenberger Gemeinderat hat den Bau einstimmig befürwortet. Als nächstes entscheidet der Oberallgäuer Kreistag, ob er im Landschaftsschutzgebiet die rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft. Wann das Gremium sich damit befasst, ist unklar. Ein Mitglied der Alpgenossenschaft sieht durch die Pläne auch Vorteile. Durch die Sanierung der Wanderwege würden Besucherströme besser gelenkt.
Die Bürgerinitiative bleibt jedoch weiter skeptisch, sagt deren Sprecher Max Stark: „Da müssen wir weiter ein Auge drauf haben.“