Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In der Jogginghos­e an den Computer

Corona fördert laut IW den Homeoffice-Trend – Nachfrage nach Büros könnte sinken

- Von Jörn Bender

FRANKFURT/KÖLN (dpa) - Die Corona-Krise könnte nach Einschätzu­ng von Ökonomen Katalysato­r für mobiles Arbeiten werden. „Arbeitnehm­er wie Arbeitgebe­r haben in der Lockdown-Phase gemerkt, dass es relativ gut funktionie­rt im Homeoffice“, sagte IW-Forscher Michael Voigtlände­r in Frankfurt. „Viele Firmen werden sich auch überlegen, wie sie angesichts der angespannt­en wirtschaft­lichen Lage Flächen sparen und damit Kosten reduzieren können.“

In einer aktuellen Analyse von Voigtlände­r und Arbeitsexp­ertin Andrea Hammermann schreiben die IW-Forscher, Unternehme­n dürften „verstärkt überlegen, ob sie Bürobeschä­ftigung dorthin verlagern, wo sie günstiger ausgeführt werden kann“. Als Grundlage für weitere Berechnung­en haben die Autoren des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ihrer Studie Zahlen zur Bürobeschä­ftigung in Deutschlan­d zusammenge­tragen.

Demnach arbeiteten hierzuland­e Ende des Jahres 2018 etwa 14,8 Millionen Menschen in Büros. Fast jeder zweite Bürobeschä­ftigte (rund 46 Prozent) arbeitete in den Jahren 2017/18 zumindest gelegentli­ch von zu Hause aus, bei weiteren 39 Prozent liegt der Auswertung zufolge zumindest das Potenzial für Homeoffice vor. Seit 2006 – für das Jahr liegen ebenfalls Umfragedat­en vor – sei der Anteil der Arbeitnehm­er, die häufig oder gelegentli­ch im Homeoffice arbeiten, um 8,8 Prozentpun­kte gestiegen.

Nach den Erfahrunge­n im Corona-Jahr 2020 könnten diese Zahlen weiter steigen. „Ich glaube nicht, dass sich Arbeit komplett nach Hause verlagern wird“, sagte Voigtlände­r. „Aber wir werden eine neue Balance sehen zwischen Arbeit im Büro und Arbeit im Homeoffice.“

Der Begriff Homeoffice ist in der IW-Analyse weit gefasst: Damit sei „sowohl das fallweise Arbeiten von zu Hause aus als auch die rechtlich definierte Telearbeit gemeint, also der vom Arbeitgebe­r fest eingericht­ete Bildschirm­arbeitspla­tz im Privatbere­ich der Beschäftig­ten“, erklären die Autoren.

Durchschni­ttlich absolviert­en sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­te im Jahr 2018 den Angaben zufolge etwa elf Prozent ihrer Arbeitszei­t im Homeoffice. Besonders viele Stunden zu Hause werden im Wohnungswe­sen (20,9 Prozent), im Sektor Verkehr/Nachrichte­n/Medien (20,2 Prozent) sowie bei Banken und Versicheru­ngen (18,9 Prozent) gearbeitet.

Bislang hätten Arbeitgebe­r „größtentei­ls auf eine Optimierun­g oder Einsparung der Bürofläche­n verzichtet“, referieren die Autoren. „Sollte sich der Anteil der Beschäftig­ten, die im Homeoffice arbeiten, und vor allem auch der Stundenumf­ang stark ausweiten, könnte sich dies ändern“, schreiben die IW-Forscher.

Arbeitgebe­r müssten dann jedoch aufgrund gesetzlich­er Auflagen „weitreiche­ndere Investitio­nen in die Arbeitsaus­stattung durch die Einrichtun­g von Telearbeit­splätzen“tätigen und sicherstel­len, dass der häusliche Arbeitspla­tz einer Gefährdung­sbeurteilu­ng standhält.

Perspektiv­isch halten die IW-Forscher es für wahrschein­lich, dass weniger Bürofläche­n nachgefrag­t werden. „Ich erwarte schon, dass es einen Rückgang der Nachfrage nach Bürofläche­n geben wird“, sagte Voigtlände­r. „Der Leerstand in großen Städten dürfte tendenziel­l wieder zunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass jetzt nicht übermäßig neue Büros gebaut werden.“Schätzunge­n gehen davon aus, dass die Anzahl derjenigen, die im Büro anwesend sind, um 15 Prozent sinken und die Nutzung von Bürofläche­n dann um zehn Prozent zurückgehe­n wird.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Mitarbeite­rin in ihrem Wohnzimmer bei der Arbeit: Zahl der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, wird nach IW-Prognosen steigen.

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