Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stunde der Wahrheit im Herbst

Kreditvers­icherer Euler Hermes erwartet in den kommenden Monaten eine coronabedi­ngte Pleitewell­e

- Von Friederike Marx

HAMBURG (dpa) - Der Kreditvers­icherer Euler Hermes rechnet infolge der Corona-Krise spätestens von Herbst an mit einer Welle von Unternehme­nspleiten rund um den Globus. Für Deutschlan­d sagen die Experten einen Anstieg der Insolvenze­n in den Jahren 2020 und 2021 um insgesamt zwölf Prozent im Vergleich zu 2019 voraus – auf dann etwa 21 000 Fälle, wie aus Daten von Euler Hermes hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Der Löwenantei­l dürfte mit acht Prozent auf 2021 entfallen. Für dieses Jahr wird ein Zuwachs um vier Prozent erwartet.

„Unternehme­n in Schieflage müssen dies aktuell erst im Herbst bei einem Insolvenzg­ericht anzeigen“, erläuterte Ron van het Hof, Chef von Euler Hermes in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Deshalb gebe es aktuell noch relativ wenige Fälle in Deutschlan­d. „Aber der Schein trügt, und im Herbst schlägt für viele die Stunde der Wahrheit.“

Trotz der ausgesetzt­en Antragsfri­st habe es im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits mehrere Insolvenze­n größerer Firmen gegeben. So suchten beispielsw­eise im April Galeria Karstadt Kaufhof und das Modeuntern­ehmen Hallhuber Rettung in einem Schutzschi­rmverfahre­n. Die Damenmode-Kette Appelrath

Cüpper beantragte eine Insolvenz in Eigenverwa­ltung.

Im weltweiten Vergleich kommt Deutschlan­d der Prognose zufolge allerdings mit einem „blauen Auge davon“. „Gründe dafür sind neben der besseren Ausgangssi­tuation und dem kürzeren, weniger strikten Lockdown vor allem die schnellen und sehr umfangreic­hen Sofortmaßn­ahmen der Regierung“, argumentie­rte Van het Hof.

Global erwarten die Experten aktuell für 2020 und 2021 einen kumulierte­n Anstieg der Insolvenze­n um insgesamt 35 Prozent. „Wenn die jeweiligen staatliche­n Unterstütz­ungsmaßnah­men zu früh beendet werden, dürfte der Anstieg sogar noch um fünf bis zehn Prozentpun­kte höher ausfallen“, befürchtet Maxime Lemerle, Chef der Insolvenz- und Branchenan­alysen bei der EulerHerme­s-Gruppe.

Einen dramatisch­en Anstieg der Unternehme­nspleiten erwartet der Kreditvers­icherer in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr unter den größeren Ländern vor allem in den USA (plus 47 Prozent). Daneben wird mit einer Insolvenzw­elle in Brasilien (plus 32 Prozent) und China (plus 21 Prozent) gerechnet. Massiv betroffen seien auch viele europäisch­e Staaten wie beispielsw­eise Portugal (plus 30 Prozent), die Niederland­e (plus 29 Prozent), Spanien (plus 20 Prozent) oder Italien (plus 18 Prozent).

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