Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schlimmes Déjà-vu: In Nantes brennt die Kathedrale

15 Monate nach Feuer in Notre-Dame – Orgel völlig zerstört – Drei Brandherde lassen Brandstift­ung vermuten

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NANTES (dpa/KNA) - Nach einem zerstöreri­schen Feuer in der Kathedrale der westfranzö­sischen Stadt Nantes gehen die Ermittler dem Verdacht auf Brandstift­ung nach. Ein Mann sei in Polizeigew­ahrsam genommen worden, berichtete­n am Sonntag mehrere Medien unter Berufung auf den Staatsanwa­lt von Nantes, Pierre Sennès. Es handle sich um einen 39 Jahre alten ehrenamtli­chen Mitarbeite­r der Diözese Nantes. Zu seinen Aufgaben gehöre es, die Kathedrale abzuschlie­ßen. Für Schlussfol­gerungen sei es aber zu früh, erklärte der Staatsanwa­lt Sennès.

Auch der Anwalt des Mannes warnt in französisc­hen Medien vor aufgeregte­n Vorverurte­ilungen. Der Hintergrun­d: Der Verdächtig­e ist den Angaben zufolge ein ruandische­r Flüchtling, der sich zuletzt massiv über seinen Aufenthalt­sstatus beschwert haben soll. Es gebe jedoch bisher keine belastbare­n Verbindung­en seines Mandanten zu dem Geschehen, so sein Anwalt. Die Ermittler wollten jetzt klären, ob es „Widersprüc­he“im geschilder­ten Tagesablau­f des Mannes gebe. Für die Theorie, dass das Feuer mit Absicht gelegt wurde, spricht, dass es in der Kathedrale drei weit voneinande­r entfernt liegende Brandherde gab. Einbruchsp­uren wurden bei ersten Untersuchu­ngen nicht gefunden.

Der Brand in der spätgotisc­hen Kathedrale war am Samstagmor­gen ausgebroch­en. Die um 7.44 Uhr alarmierte Feuerwehr war mit mehr als 100 Kräften im Einsatz. Die Polizei sperrte das Viertel rund um das Gotteshaus ab, auch um Schaulusti­ge abzuhalten, wie es hieß. Nach rund drei Stunden waren die Flammen unter Kontrolle.

Der Einsatz der Feuerwehr wurde am Sonntag fortgesetz­t, um vor allem den Bereich um die abgebrannt­e historisch­e Hauptorgel mit 74 Registern zu sichern; sie war von den Flammen komplett zerstört worden. Teile fielen in den Innenraum des Kirchensch­iffs und blieben dort als verkohlter schwarzer Haufen zurück. Die Plattform unter der Orgel sei durch das Feuer instabil geworden, erklärten die Einsatzkrä­fte. Auch ein großes Buntglasfe­nster

und weitere Fenster zerbarsten durch die Hitze. Der Brand beschädigt­e unter anderem auch ein Gemälde. Die Wände waren teilweise mit schwarzem Ruß überzogen.

Das Feuer war für Frankreich ein schrecklic­hes Déjà-vu: Man fühlte sich an das Inferno in der weltberühm­ten Pariser Kirche Notre-Dame vor mehr als einem Jahr erinnert. Schockiert verfolgten die Französinn­en und Franzosen in Nantes und auf den Bildschirm­en den Brand. „Nach Notre-Dame steht die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im Herzen von Nantes in Flammen“, schrieb Staatschef Emmanuel Macron am Samstag auf Twitter. Die Kirche sei ein „gotisches Juwel“. Notre-Dame war im April vergangene­n Jahres bei einem Brand schwer beschädigt worden. Der Vierungstu­rm stürzte komplett ein. Die Ursache des Feuers ist bisher nicht vollständi­g geklärt.

Namens der Gläubigen im Bistum Nantes, dessen Sitz derzeit vakant ist, sprach Diözesanad­ministrato­r François Renaud von einem traurigen Tag für Kirche und Stadt: „Jeder ist mit dieser Kathedrale verbunden.“

Das Gotteshaus aus dem 15. Jahrhunder­t ist den Aposteln Peter und Paul geweiht. Bei einem verheerend­en Feuer 1972 wurde der Dachstuhl der Kirche komplett zerstört. Die Hauptorgel blieb bei dem Brand damals fast unversehrt. 2015 hatte in Nantes zudem ein spektakulä­res Feuer das Dach der Basilika Saint-Donatien zerstört.

Frankreich­s Premiermin­ister Jean Castex bedankte sich am Samstag bei den Feuerwehrl­euten am Ort des Geschehens für ihren Einsatz. Er war gemeinsam mit Kulturmini­sterin Roselyne Bachelot und Innenminis­ter Gérald Darmanin nach Nantes gereist, um sich die Schäden an der Kirche anzusehen. Der Wiederaufb­au müsse so schnell wie möglich geschehen, sagte Castex. Der Staat werde, so der Premiermin­ister, dazu seinen Teil beitragen.

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FOTO: SEBASTIEN SALOM-GOMIS/DPA Mehr als 100 Einsatzkrä­fte bekamen die Flammen nach rund drei Stunden unter Kontrolle.
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FOTO: FANNY ANDRÉ/AFP Die Überreste der völlig zerstörten Hauptorgel.

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