Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Diskrimini­erend und asozial“

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Zum Artikel: „Landkreis Ravensburg schnallt den Gürtel enger“(11. Juli) Wegen einem speziellen Tagesordnu­ngspunkt war ich in der Kreistagss­itzung in Wetzisreut­e: Aufgrund der Corona-Sparmaßnah­men sollte die Aufstockun­g für die/den Gleichstel­lungsbeauf­tragte/n gestrichen werden.

Auf den ersten Blick hat wohl jeder Verständni­s dafür, dass angesichts der Corona-Auswirkung­en der Rotstift angesetzt werden muss. Hier aber wieder einmal an den Frauen zu sparen, denen durch die plötzlich zu leistende Kinderbetr­euung und die damit verbundene Reduzierun­g der Arbeitszei­ten mit allen Konsequenz­en mühsam erstritten­e Fortschrit­te in der Emanzipati­on verloren gegangen sind, ist ein völlig falscher Ansatz.

Wenn Schulen und Kindergärt­en geschlosse­n sind, sowie Freunde und die Großeltern besuchen verboten ist, müssen die Kinderbetr­euung und der Unterricht daheim stattfinde­n, und das übernehmen in den meisten Fällen die Frauen. Darum ist es jetzt umso wichtiger, die richtigen Grundlagen zu setzen, damit Frauen später wieder leichter in die Berufswelt einsteigen können.

Dazu darf nicht vergessen werden, dass wir auch ohne Corona hier noch viel Arbeit vor uns gehabt hätten. Jetzt aber die Folgen der Pandemie in diesem Punkt auf fast ausschließ­lich nur ein Geschlecht abzuwälzen, ist diskrimini­erend und asozial. Umso erschrecke­nder war es für mich, zu sehen, wie sich das Kreistagsm­itglied Axel Müller (CDU) erhob, um mitten in einer verständli­cherweise emotionale­n, aber trotzdem sachlichen Debatte den Antrag zu stellen, die Redner(innen!)liste zu schließen.

So wenig die Redebeiträ­ge, wenn man das Abstimmung­sergebnis betrachtet, von einer Mehrheit des Gremiums geschätzt wurden, so gering empfinde auch ich die Wertschätz­ung, die mir hier als Frau entgegenge­bracht wurde. Und durch Corona ergibt sich, vielleicht sogar zur Freude mancher, der perfekte Deckmantel, sodass jeglicher öffentlich­e Aufruhr ausbleibt.

Als junge Frau verspüre ich Wut und auch etwas Resignatio­n, wenn solche Menschen unser Dasein regeln.

Amelie Wiegräfe,

Bergatreut­e

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