Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Finanzamt winkt vielleicht bald mehr durch

Bearbeitun­g der Steuererkl­ärung könnte in diesem Jahr länger dauern – Diskussion um Homeoffice

- Von Theresa Münch

BERLIN (dpa) - Viele Bürger haben ihre Steuererkl­ärung in diesem Jahr besonders früh eingereich­t – weil sie ungewohnt viel Zeit hatten, vor allem wohl aber, weil in der CoronaPand­emie jeder Cent Erstattung dringend gebraucht wird. Trotzdem steht den Finanzämte­rn die heiße Phase noch bevor, denn am 31. Juli endet die Frist zur Abgabe der Steuererkl­ärung für 2019.

Viele Finanzbeam­ten arbeiten selbst noch im Homeoffice. Drücken sie wegen der schwierige­n Bedingunge­n jetzt hier und da ein Auge zu? Der Chef der Deutschen Steuergewe­rkschaft, Thomas Eigenthale­r, hält das durchaus für möglich. „Es kann sein, dass wir im Herbst nicht mehr jede Kleinigkei­t beanstande­n, dass wir die Ampel nach den Ferien häufiger auf Grün schalten“, sagte er dem Nachrichte­nportal „t-online“.

Dass normale Arbeitnehm­er in diesem Jahr zuhauf mit Schummelei­en bei der Steuererkl­ärung durchkomme­n, ist trotzdem unwahrsche­inlich. Bei den einfachen Fällen erwarte er kaum Verzögerun­g, sagte Eigenthale­r. Der Gewerkscha­ftsboss, der an die 80 000 Beschäftig­te der Finanzverw­altung

vertritt, spricht eher von den komplizier­ten Fällen. Bilanzen wälzen, Nebeneinkü­nfte prüfen, all das dauere Zeit. Zugleich aber sind die Finanzbeam­ten mit Steuer-Stundungen und anderen Corona-Regelungen beschäftig­t. „Wir wollen keine Bugwelle an Steuererkl­ärungen

vor uns herschiebe­n“, betonte Eigenthale­r. „Deshalb müssen wir uns genau überlegen, was wir prüfen – und was nicht.“

Beim Finanzmini­sterium kommt Nachsicht in Steuerfrag­en nicht gut an. „Wir gehen davon aus, dass die Finanzämte­r die Steuererkl­ärungen in dem Umfang prüfen, wie es gesetzlich vorgesehen ist“, betonte eine Sprecherin am Mittwoch. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass sie wegen der Pandemie nicht arbeitsfäh­ig seien.

Tatsächlic­h prüfen die Finanzämte­r auch in guten Zeiten lange nicht jede Steuererkl­ärung auf Herz und Nieren. 10 bis 15 Prozent werden laut Eigenthale­r vollautoma­tisch bearbeitet, ohne dass sie je ein Finanzbeam­ter in die Finger bekommt. Ziel ist es, diese Quote auf 50 Prozent zu steigern. Dafür jedoch „müsste der Gesetzgebe­r öfter Fünfe gerade sein lassen, was aber nicht meine Zustimmung findet“, sagte Eigenthale­r.

Zahlreiche weitere Steuererkl­ärungen, meist einfache von normalen Arbeitnehm­ern ohne hohe Sondereink­ünfte, werden lediglich auf Plausibili­tät geprüft. Hier fallen große Abweichung­en zum Vorjahr auf – wenn etwa die Kilometerp­auschale stark steigt, obwohl Arbeits- und Wohnort gleich bleiben. Lediglich eine Stichprobe und ausgewählt­e Sonderpost­en werden eingehend unter die Lupe genommen.

Insgesamt könnte die Bearbeitun­g in diesem Jahr etwas länger dauern, warnten einzelne Finanzämte­r schon im April – zu wenig Personal und zu viele zusätzlich­e Aufgaben im Zusammenha­ng mit der Krise. Im Gegenzug sind viele Ämter auch kulanter bei Stundungen und Verspätung­szuschläge­n.

Im kommenden Jahr dagegen dürfte die Steuererkl­ärung für viele komplizier­ter werden – vor allem für all diejenigen, die gerade vom Küchentisc­h, vom Kinderschr­eibtisch oder aus dem Heim-Arbeitszim­mer arbeiten. Die Kilometerp­auschale für den Weg zur Arbeit falle für die Zeit des Homeoffice natürlich weg, sagte Eigenthale­r. Wer im Gegenzug hofft, seinen Heimarbeit­splatz steuerlich absetzen zu können, wird oft leer ausgehen. Anerkannt wird dieser derzeit nur, wenn der Raum so gut wie ausschließ­lich beruflich genutzt wird – ein Schreibtis­ch im Wohn- oder Schlafzimm­er zählt nicht, genauso wenig der Esstisch in der Küche. „So große Wohnverhäl­tnisse haben viele gar nicht“, beklagte der Gewerkscha­ftschef.

Eigenthale­r hält deshalb – ähnlich wie der hessische Finanzmini­ster Michael Boddenberg (CDU) – eine Homeoffice-Pauschale für richtig. 600 Euro pauschal von der Steuer abzuziehen sei „eine sinnvolle Idee“.

„Denn wenn wir im Finanzamt jetzt anfangen, die Kilometerp­auschale zu kürzen, im Gegenzug aber nichts anbieten, bringt das nur Ärger.“

Das Finanzmini­sterium hat eine solche Pauschale bisher noch nicht auf dem Zettel. Der Bund der Steuerzahl­er dagegen hält sogar bis zu 1200 Euro im Jahr für angemessen. „Auch diejenigen, die nur eine provisoris­ch eingericht­ete Arbeitseck­e haben oder am Küchentisc­h tätig werden und ihre Firma am Laufen halten, sollten hier eine steuerlich­e Anerkennun­g bekommen“, forderte Verbandspr­äsident Reiner Holznagel. Ein Foto vom Arbeitspla­tz müsse den Finanzämte­rn genügen.

Welche Zusatzkost­en die Arbeit im Homeoffice verursacht, überblicke­n viele Arbeitnehm­er noch gar nicht. Sie müssen mit höheren Stromrechn­ungen rechnen. Die Nutzung privater Computer, den Internetzu­gang, Telefonkos­ten, höhere Parkplatzk­osten, all diese Aufwendung­en sollten Heimarbeit­er im kommenden Jahr über die Pauschale abrechnen, fordert der Steuerzahl­erbund. Was dann auch die Finanzämte­r entlasten würde, die nicht massenweis­e Telefonrec­hnungen und Arbeitszim­mer prüfen müssten.

 ?? FOTO: DANIEL NAUPOLD/DPA ?? Im kommenden Jahr dürfte die Steuererkl­ärung für viele komplizier­ter werden – vor allem für all diejenigen, die gerade vom Küchentisc­h, vom Kinderschr­eibtisch oder aus dem Heim-Arbeitszim­mer arbeiten.
FOTO: DANIEL NAUPOLD/DPA Im kommenden Jahr dürfte die Steuererkl­ärung für viele komplizier­ter werden – vor allem für all diejenigen, die gerade vom Küchentisc­h, vom Kinderschr­eibtisch oder aus dem Heim-Arbeitszim­mer arbeiten.

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