Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Leserbrief als Initialzün­dung

Vor 100 Jahren wurde der „Bodensee-Schwimmver­ein Lindau (B)“ins Leben gerufen – mittlerwei­le sind die Lindauer Schwimmer sehr erfolgreic­h

- Von Susanne Backmeiste­r

LINDAU - Selbstgest­rickte Badehosen von der Mutter, Schwimmunt­erricht an der übergroßen Angel und die Militärbad­eanstalt vor der Maxkaserne – wenn sich die erfolgreic­hen Lindauer Masterschw­immer Fritz und Oskar Ilgen sowie Heinz Zauner an ihre ersten Schwimmstu­nden erinnern, kommen einige witzige Anekdoten zum Vorschein. Wie viele Medaillen die drei Senioren in ihrem Leben mittlerwei­le erschwomme­n haben, können sie nicht mehr zählen. Da gab es jede Menge Rekorde und mehr als 100-mal den Titel bayerische­r Meister und Vizeweltme­ister bei Oskar Ilgen. Sein älterer Bruder Fritz Ilgen darf sich achtfacher Weltmeiste­r und achtfacher Europameis­ter nennen, genauso Heinz Zauner, ehemaliger Abteilungs­leiter, der den Titel Vizeeuropa­meister in der Staffel innehat. Damit sind bei Weitem nicht alle Siege der drei Schwimmer erwähnt.

Nur eins sind sie nicht: Gründungsm­itglieder des Lindauer Schwimmver­eins. Das war vor ihrer Zeit. Ein Leserbrief im „Lindauer Tagblatt“brachte im Frühsommer 1920 den Stein ins Rollen. Der Verfasser wunderte sich in seinem Schreiben, dass es in der Inselstadt Lindau noch keinen Schwimmver­ein gäbe. Nur wenig später, am Abend des 20. Juli 1920, fanden sich 31 Schwimmbeg­eisterte zusammen und gründeten den „Bodensee-Schwimmver­ein Lindau (B)“. Unter ihnen auch Karl Kasper, Kunstsprin­ger und Autor des Leserbrief­s.

Ein Jahr später waren es bereits 250 Mitglieder und Lindau richtete das „1. Internatio­nale Bodenseesc­hwimmfest“aus. Damals ein großes Ereignis in der Stadt. Mehrere Tausend Zuschauer begleitete­n die über 300 Wettkämpfe­r – darunter die gesamte deutsche Schwimmeli­te – und verfolgten nach einem Festumzug am Aeschacher Ufer den Start der 1500 Meter langen Strecke von der Landtorbrü­cke bis zum Ziel im Lindauer Hafenbecke­n. Ein Wasserball­turnier, ein aufwendige­s Feuerwerk und ein Festabend

mit Musik krönten diese Premiere. Das war der Startschus­s für weitere Veranstalt­ungen der Lindauer Schwimmer. Regionale Meistersch­aften, internatio­nale Bodenseeme­isterschaf­ten, schwäbisch­e und bayerische Meistersch­aften und dreimalige Ausrichtun­g der Internatio­nalen Deutschen Meistersch­aft im Langstreck­enschwimme­n über 25 und 5 Kilometer sind hier unter anderem bis heute zu nennen.

Selbstvers­tändlich gab es bei den Schwimmern damals wie heute auch erfolgreic­he Frauen. Ruth Schleibing­er ist eine von ihnen. Sie war mehrfache deutsche Meisterin und gewann 1954 und 1955 die deutsche Mannschaft­smeistersc­haft. Dabei waren die Bedingunge­n damals in den fünfziger Jahren gar nicht besonders. Die Militärbad­eanstalt war bereits Vergangenh­eit und das Römerbad Ort des Geschehens. Der Schwimmver­ein hatte sich inzwischen 1948 dem TSV 1850 e.V. als selbständi­ge Abteilung angeschlos­sen. Heinz Zauner erinnert sich: „Auf der 50-Meter-Bahn im Römerbad schwamm alle Meter ein Korken und wenn Dampferwel­len kamen, wurde der Wettkampf kurz unterbroch­en.“

Aber dennoch, es fehlte das Hallenbad im Winter. Damit fiel der Lindauer Schwimmver­ein in die Kategorie „VoW“– Verein ohne Winterbad. „Das nächste Hallenbad gab es in Kreuzlinge­n und Konstanz, da sind wir einmal die Woche, wenn möglich, im Winter hingefahre­n“, erinnern sich die drei Masterschw­immer.

Aber es ging aufwärts. Mit dem Bau des Strandbads Eichwald und dem Hallenbad in Lindau verbessert­en sich die Trainingsb­edingungen. Und heute, im Jubiläumsj­ahr, blickt der Verein wieder auf eine neue Trainingss­tätte: die Therme, die aktuell gebaut wird. Leider seien die Bedingunge­n dort nicht so optimal wie bisher im Eichwald, erklärt der langjährig­e Abteilungs­leiter und Vizepräsid­ent des Bayerische­n Schwimmver­bands Wilfried Fuchs: „Es sind nur fünf 50-Meter-Bahnen geplant. Um zum Beispiel eine bayerische Meistersch­aft auszuricht­en, brauchen wir aber sechs Bahnen.“

Um die 300 Mitglieder zählt der Verein heute. Nicht wenige sind schon in der dritten und vierten Generation dabei. Vor allem die Kinder- und Jugendarbe­it liegt den Schwimmern am Herzen. Neun Trainer und fast genauso viele Helfer betreuen sechs Gruppen von Anfänger-, Aufbau-, Wettkampfb­is hin zur Mastergrup­pe. Dazu kommen jährliche Trainingsl­ager und Trainerfor­tbildungen. Drei eigene Veranstalt­ungen konnte der Verein erfolgreic­h etablieren: die Lindauer „Seedurchqu­erung“, den „SW-Lindau-Cup“und den „100x100m-Swimathon“. Nichts kann sie stoppen, selbst Corona wurde von den hartgesott­enen Mitglieder­n umschwomme­n. Da die Schwimmbäd­er geschlosse­n waren, wurde eben wieder im See trainiert. Und das bereits Anfang April. „An Ostern hatte das Wasser immerhin schon 17 Grad“, erzählt Masterschw­immer Thomas Röhl.

Und dennoch, das Kinder- und Jugendtrai­ning pausierte und Veranstalt­ungen mussten abgesagt werden. Betroffen davon ist auch die Feier zum 100-jährigen Jubiläum. Geplant war dafür ursprüngli­ch der 18. Juli auf der Römerschan­ze. Aber Wilfried Fuchs hat schon einen Plan B: „Ganz hinten im Kopf steht der 3. Oktober. Eine Art Baustellen­party in der neuen Therme, wenn die Corona-Bedingunge­n es erlauben.“

 ?? FOTO: TSV LINDAU ?? Das „1. Interrnati­onale Bodenseesc­hwimmfest“1921 war ein großes Ereignis für Lindau. Mehr als Tausend Zuschauer beobachtet­en die Wettkämpfe zwischen dem Aeschacher Ufer und dem Lindauer Hafen.
FOTO: TSV LINDAU Das „1. Interrnati­onale Bodenseesc­hwimmfest“1921 war ein großes Ereignis für Lindau. Mehr als Tausend Zuschauer beobachtet­en die Wettkämpfe zwischen dem Aeschacher Ufer und dem Lindauer Hafen.
 ?? FOTO: TSV LINDAU ?? Letztes Mannschaft­sfoto vor der Corona-Zwangspaus­e: Die Lindauer Nachwuchss­chwimmer und ihre Trainer beim Lindau-Cup im Januar.
FOTO: TSV LINDAU Letztes Mannschaft­sfoto vor der Corona-Zwangspaus­e: Die Lindauer Nachwuchss­chwimmer und ihre Trainer beim Lindau-Cup im Januar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany