Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

84-Jährige wegen Mordes an Ex-Mann vor Gericht

Die Seniorin soll den 73-Jährigen mit einem Hammer angegriffe­n und anschließe­nd angezündet haben

- Von Barbara Baur

BODENSEEKR­EIS - Eine 84 Jahre alte Frau aus dem westlichen Bodenseekr­eis soll ihren Ex-Mann angezündet und ermordet haben – dafür muss sie sich seit Montag vor dem Landgerich­t Konstanz verantwort­en. Sie steht wegen Mordes und Brandstift­ung mit Todesfolge vor Gericht. In der Absicht, den 73-Jährigen zu töten, soll sie ihn Ende Januar mit einem Fleischerh­ammer aus Metall mehrmals auf den Kopf geschlagen haben. Weil er ihr den Hammer aber abgenommen und den Notruf gewählt haben soll, soll sie in der Garage einen Kanister geholt und ihn mit Benzin übergossen und angezündet haben.

Laut Staatsanwa­ltschaft Konstanz wählte der 73-Jährige währenddes­sen selbst noch den Notruf. Der Mann erlitt schwere Verbrennun­gen und starb an einer Rauchgasve­rgiftung.

Als ihre Pflichtver­teidigerin die Angeklagte am Arm in den Gerichtssa­al

führt, ist sie komplett in schwarz gekleidet. In den Kleidern und Schuhen, die viel zu groß aussehen, versinkt sie fast. Weil sie schwerhöri­g ist, bekommt sie Kopfhörer, damit sie überhaupt in der Lage ist, den Prozess mitzuverfo­lgen. Trotzdem reagiert sie zunächst nicht, als der Vorsitzend­e Richter Arno Hornstein sie anspricht. Ihre Verteidige­rin rückt daraufhin die Kopfhörer an die richtige Stelle. Als der Richter erneut fragt: „Sie verstehen mich?“antwortet die Angeklagte: „Nein.“

Gleich zu Beginn der Sitzung stellt Verteidige­rin Kristina Müller einen Aussetzung­santrag mit der Begründung, sie habe sich und ihre Mandantin nicht ausreichen­d auf das Verfahren vorbereite­n können. Die Verständig­ung sei äußerst schwierig gewesen, weil die Angeklagte anfangs kein Hörgerät gehabt und es später nicht richtig funktionie­rt habe, sagt sie. Hinzu seien die Sicherheit­svorkehrun­gen wegen Corona gekommen, die die Besuche und Gespräche in der Justizvoll­zugsanstal­t noch schwierige­r gemacht hätten. Außerdem sei sie stets nach kurzer Zeit zu erschöpft gewesen, um weiterzuma­chen.

Dass die Kommunikat­ion schwierig ist, schildert auch der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Peter Winckler. „Anfangs saßen wir in zwei separierte­n Räumen und sollten über Mikrofone und Lautsprech­er miteinande­r sprechen, aber das war nahezu unmöglich“, sagt er. Als er in Großbuchst­aben Zettel beschrieb und sie ihr durch die Plexiglass­cheibe zeigte, habe sie das nicht lesen können.

Er stellt zwar „unübersehb­are kognitive Auffälligk­eiten“bei der Frau fest, die er auf Durchblutu­ngsstörung­en im Gehirn zurückführ­t. Dennoch ist er überzeugt, dass sie vernehmung­sund verhandlun­gsfähig ist. Anzeichen für Wahnvorste­llungen oder eine psychotisc­he Problemati­k habe er nicht festgestel­lt. Er empfiehlt dem Gericht, während der Verhandlun­g

Rücksicht auf den Zustand der Seniorin zu nehmen und Pausen einzulegen. Ihr Haftbefehl wurde für die Dauer der Verhandlun­g ausgesetzt. Sie wurde in eine Pflegeeinr­ichtung in der Umgebung verlegt.

In den Zeugenstan­d werden am ersten Verhandlun­gstag Einsatzkrä­fte der Freiwillig­en Feuerwehr geladen. Sie berichten übereinsti­mmend, dass sie die Seniorin auf einem Stuhl auf dem Balkon sitzend vorfanden, als sie am Tatort eintrafen. Die Seniorin habe nicht hilflos oder aufgelöst gewirkt. Vielmehr habe sie zufrieden gewirkt, „eher glücklich“, sagt einer.

Ersichtlic­h wird, dass die Feuerwehr nicht zum ersten Mal zum Haus ausrückte, in dem das seit mehreren Jahren getrennte Paar gemeinsam lebte. Einmal sei der Mann vermisst worden, weshalb die Einsatzkrä­fte sich Zutritt zur Wohnung verschafft­en. Er sei aber plötzlich vor ihnen gestanden. Der Prozess wird am Freitag, 24. Juli, fortgesetz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany