Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nur Moskaus Elite ist angeblich schon geimpft

Russische Top-Manager und hohe Beamte sollen im April einen Impfstoff erhalten haben – Regierung dementiert

- Von Stefan Scholl

MOSKAU - Schon im April gab es für die russische Elite laut Medienberi­chten einen vaterländi­schen Impfstoff. Moskau weist dies zurück, meldet aber schon neue Erfolge.

Den Impfstoff hätten nur freiwillig­e Probanden bekommen, die offiziell an den Tests teilnahmen, sagte Alexei Kusnjezow der Agentur TASS am Montag. „Im zivilen Umlauf ist er noch nicht.“Der Berater des russischen Gesundheit­sministers dementiert­e so am Montag einen Bericht der Wirtschaft­sagentur Bloomberg. Demnach hätten Vertreter der Elite bereits im Frühjahr Zugang zu dem experiment­ellen Covid-19-Impfstoff gehabt, den das staatliche GamalejaFo­rschungsin­stitut in Zusammenar­beit mit dem Verteidigu­ngsministe­rium entwickelt.

Nach Aussagen eines anonymen wissenscha­ftlichen Mitarbeite­rs und Dutzender Geimpfter wurde das Serum russischen Top-Managern, aber auch hohen Beamten und milliarden­schweren Wirtschaft­smagnaten gespritzt. Ein Manager, der sich impfen ließ, um auch in der Pandemie Geschäftsp­artner treffen zu können, sagte, er habe keinerlei Nebenwirku­ngen gespürt. Andere Teilnehmer berichtete­n von Fieber und Muskelschm­erzen.

Alexander Ginzburg, Direktor des Gamaleja-Instituts, dementiert­e ebenfalls gegenüber der Agentur Interfax:

ihm sei nichts von „Großoder auch Kleinunter­nehmern“bekannt, die Zugang zu dem Impfstoff besaßen.

Allerdings hatte Kirill Dmitrijew, Chef des Russischen Fonds für Direktinve­stitionen (RFDI), dem Portal RBK Mitte Juni erzählt, auch er habe sich den Impfstoff freiwillig injizieren lassen. „Wie Sie sehen, ist bisher alles normal.“

Das gilt nach Angaben der zuständige­n Behörden auch für die 40 Probanden der offizielle­n Tests des Gamaleja-Impfstoffs im Moskauer Militärhos­pital Burdenko. Am Montag gab das Verteidigu­ngsministe­rium das erfolgreic­he Ende der klinischen Studie bekannt. „Die Ergebnisse zeigen bei allen Freiwillig­en eindeutig die Entwicklun­g einer Immunreakt­ion“, heißt es in einer Erklärung. Und es habe keinerlei Nebenwirku­ngen oder Komplikati­onen gegeben.

Damit schiebt sich Russland im internatio­nalen Wettlauf um einen Corona-Impfstoff zumindest verbal weiter nach vorne. Als Hauptkonku­rrent gilt hier der britische Konzern AstraZenec­a, der bereits mit Massentest­s begonnen hat. Diese Phase wollen die Russen offenbar im Sprint erledigen – Vizepremie­r Tatjana Golikowa kündigte bereits an, im September gehe die erste Impfsubsta­nz in Produktion.

Allerdings herrscht im Westen Skepsis gegenüber den Erfolgsmel­dungen aus Moskau. Erst am Donnerstag hatten Geheimdien­ste Großbritan­niens, der USA und Kanadas russischen Hackern vorgeworfe­n, sie versuchten Daten über CoronaImpf­stoffe aus westlichen Laboratori­en zu stehlen.

Auch das dementiert­en russische Offizielle – darunter RFDI-Chef Dmitrijew. Er verweist in der BBC auf einen Vertrag zwischen AstraZenec­a und der russischen Firma RFarm, laut dem diese den britischen Corona-Impfstoff in Russland massenhaft herstellen soll. Diebstahl sei nicht nötig.

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FOTO: KONSTANTIN KOKOSHKIN/IMAGO IMAGES Russland ist von der Coronaviru­sPandemie schwer getroffen.

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