Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nur Moskaus Elite ist angeblich schon geimpft
Russische Top-Manager und hohe Beamte sollen im April einen Impfstoff erhalten haben – Regierung dementiert
MOSKAU - Schon im April gab es für die russische Elite laut Medienberichten einen vaterländischen Impfstoff. Moskau weist dies zurück, meldet aber schon neue Erfolge.
Den Impfstoff hätten nur freiwillige Probanden bekommen, die offiziell an den Tests teilnahmen, sagte Alexei Kusnjezow der Agentur TASS am Montag. „Im zivilen Umlauf ist er noch nicht.“Der Berater des russischen Gesundheitsministers dementierte so am Montag einen Bericht der Wirtschaftsagentur Bloomberg. Demnach hätten Vertreter der Elite bereits im Frühjahr Zugang zu dem experimentellen Covid-19-Impfstoff gehabt, den das staatliche GamalejaForschungsinstitut in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium entwickelt.
Nach Aussagen eines anonymen wissenschaftlichen Mitarbeiters und Dutzender Geimpfter wurde das Serum russischen Top-Managern, aber auch hohen Beamten und milliardenschweren Wirtschaftsmagnaten gespritzt. Ein Manager, der sich impfen ließ, um auch in der Pandemie Geschäftspartner treffen zu können, sagte, er habe keinerlei Nebenwirkungen gespürt. Andere Teilnehmer berichteten von Fieber und Muskelschmerzen.
Alexander Ginzburg, Direktor des Gamaleja-Instituts, dementierte ebenfalls gegenüber der Agentur Interfax:
ihm sei nichts von „Großoder auch Kleinunternehmern“bekannt, die Zugang zu dem Impfstoff besaßen.
Allerdings hatte Kirill Dmitrijew, Chef des Russischen Fonds für Direktinvestitionen (RFDI), dem Portal RBK Mitte Juni erzählt, auch er habe sich den Impfstoff freiwillig injizieren lassen. „Wie Sie sehen, ist bisher alles normal.“
Das gilt nach Angaben der zuständigen Behörden auch für die 40 Probanden der offiziellen Tests des Gamaleja-Impfstoffs im Moskauer Militärhospital Burdenko. Am Montag gab das Verteidigungsministerium das erfolgreiche Ende der klinischen Studie bekannt. „Die Ergebnisse zeigen bei allen Freiwilligen eindeutig die Entwicklung einer Immunreaktion“, heißt es in einer Erklärung. Und es habe keinerlei Nebenwirkungen oder Komplikationen gegeben.
Damit schiebt sich Russland im internationalen Wettlauf um einen Corona-Impfstoff zumindest verbal weiter nach vorne. Als Hauptkonkurrent gilt hier der britische Konzern AstraZeneca, der bereits mit Massentests begonnen hat. Diese Phase wollen die Russen offenbar im Sprint erledigen – Vizepremier Tatjana Golikowa kündigte bereits an, im September gehe die erste Impfsubstanz in Produktion.
Allerdings herrscht im Westen Skepsis gegenüber den Erfolgsmeldungen aus Moskau. Erst am Donnerstag hatten Geheimdienste Großbritanniens, der USA und Kanadas russischen Hackern vorgeworfen, sie versuchten Daten über CoronaImpfstoffe aus westlichen Laboratorien zu stehlen.
Auch das dementierten russische Offizielle – darunter RFDI-Chef Dmitrijew. Er verweist in der BBC auf einen Vertrag zwischen AstraZeneca und der russischen Firma RFarm, laut dem diese den britischen Corona-Impfstoff in Russland massenhaft herstellen soll. Diebstahl sei nicht nötig.