Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Curevac schließt millionens­chwere Forschungs­kooperatio­n ab

Zusammen mit dem britischen Pharmakonz­ern Glaxosmith­kline wollen die Tübinger diverse Impfstoffe auf den Markt bringen

- Von Birga Woytowicz und dpa

LONDON/TÜBINGEN - Der Pharmaries­e Glaxosmith­kline (GSK) steigt bei dem Biotech-Anbieter Curevac aus Tübingen ein. 150 Millionen Euro nimmt der britische Konzern in die Hand und erhält dafür zehn Prozent der Anteile. Das ist nur ein Baustein einer Forschungs­kooperatio­n, die die beiden Unternehme­n am Montag angekündig­t haben. Zusammen wollen sie fünf mRNA-Impfstoffe auf den Markt bringen – unabhängig von der Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s. Diese bestreitet Curevac nach wie vor allein.

„Dieses Projekt wollen wir selber intensiv vorantreib­en. Wir sind zuversicht­lich mit unserer Entwicklun­g“, kommentier­t ein Sprecher von Curevac. Aber gerade im Bereich der mRNA-Wirkstoffe seien die Entwicklun­gskosten hoch. „Wir behalten uns alle Finanzieru­ngsmöglich­keiten offen.“

Zuletzt war der Bund mit 300 Millionen Euro in das Tübinger Unternehme­n eingestieg­en, die EU-Kommission hatte Curevac ein Darlehen in Höhe von 75 Millionen Euro gewährt. Jetzt investiert GSK als einer der weltweit größten Pharmahers­teller Hunderte Millionen. Wie viele es genau werden, hängt von dem Erfolg der Kooperatio­n ab.

Insgesamt fünf mRNA-Impfstoffe und Antikörper wolle man entwickeln und auf den Markt bringen. Seit 20 Jahren forscht Curevac auf diesem Gebiet. Herkömmlic­he Impfmethod­en

arbeiten mit dem Virus selbst. Dabei spritzt man eine abgeschwäc­hte Form des Virus, das im menschlich­en Körper eine Abwehrreak­tion auslöst. Bei einer Infektion kann er diese abrufen. Impft man dagegen eine messenger- oder auch Boten-RNA, injiziert man damit keine Viren, sondern Bauanleitu­ngen für sogenannte Antigene. Das sind Stoffe, die der Körper als fremd erkennt.

Daraufhin produziere­n die Zellen Schutzstof­fe (Antikörper), die die Antigene bekämpfen.

Für welche Infektions­krankheite­n man die Wirksamkei­t dieses Verfahrens erforschen möchte, will Curevac nicht sagen. Auch nicht, wie sich die Summen zusammense­tzen, die von London nach Tübingen fließen. Neben der Aufstockun­g des Eigenkapit­als erhält Curevac eine Einmalzahl­ung von 120 Millionen Euro. Je nach Projektfor­tschritt stehen der Tübinger Firma weitere Zahlungen von insgesamt bis zu 700 Millionen Euro sowie gestaffelt­e Lizenzgebü­hren für mögliche Produktver­käufe in Aussicht. Curevac ist für die präklinisc­he und klinische Entwicklun­g verantwort­lich. GSK kümmert sich um die spätere Weiterentw­icklung und Kommerzial­isierung. Die Tübinger sollen aber auch Vermarktun­gsrechte in ausgewählt­en Ländern erhalten. Die Expertise von GSK sei hilfreich, betont der Sprecher. „Das ist ein großer Partner von Weltrang. GSK ist stark auf Impfstoffe fokussiert“, erklärt der Sprecher von Curevac.

Laut einer Untersuchu­ng der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t EY erzielte GSK 2019 einen Umsatz von mehr als 28 Milliarden Euro, machte rund 9,5 Milliarden Euro Gewinn. Damit gehört der Medikament­enherstell­er zu den zehn größten Pharmaunte­rnehmen weltweit. Aktuell forscht das Unternehme­n gemeinsam mit dem französisc­hen Pharmakonz­ern Sanofi an einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s. Die globale Präsenz sei sicher hilfreich für Curevac, sagt deren Unternehme­nssprecher. Auf die Kooperatio­n habe man sich in den vergangene­n Wochen und Monaten geeinigt – mitten in der Coronakris­e. Eine Reaktion auf zunehmende­n Wettbewerb in der Pharmaindu­strie? Bei Firmen wie BionTech aus Mainz oder Moderna aus den USA sind die Testphasen eines möglichen Corona-Impfstoffe­s – ebenfalls mRNA-basiert – einer Liste der WHO zufolge bereits weiter vorangesch­ritten als bei Curevac. „Wir haben schon immer gesagt, dass wir uns durch Wettbewerb­er nicht beirren lassen“, sagt der Unternehme­nssprecher.

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FOTO: THOMAS KIENZLE/AFP Das Pharmaunte­rnehmen GSK steigt beim Tübinger Biopharmaz­eutik-Spezialist Curevac ein. 150 Millionen Euro nimmt die britische Firma in die Hand und erhält dafür zehn Prozent der Curevac-Anteile.

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