Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie die Region die „Mohr“-Debatte erlebt

Deutschlan­dweit wird über Umbenennun­gen von Straßen, Apotheken und Restaurant­s diskutiert

- Von Corinna Konzett

KREIS RAVENSBURG - „Mohren-Apotheke“, „Mohrenstra­ße“oder „Gasthaus Mohren“, fast überall in Deutschlan­d ist der Begriff „Mohr“zu finden. Sind diese Bezeichnun­gen rassistisc­h? Darüber wird im deutschspr­achigen Raum gerade kontrovers diskutiert. Viele fordern beispielsw­eise, die UBahnstati­on „Mohrenstra­ße“in Berlin umzubenenn­en und den Namen und das Logo der Vorarlberg­er Brauerei „Mohrenbräu“zu ändern.

Auch in der Region tragen viele Gasthäuser den Namen „Mohren“. Warum das so ist und wo die Wurzeln des Namens liegen, erklärt Michael Tassilo Wild, Stadtarchi­var in

Bad Waldsee: „Gaststätte­n waren früher oft Pilgerherb­ergen“, sagt er. Im Andenken an die Heiligen Drei Könige, die zu Jesus im Stall pilgerten, habe man viele dieser Herbergen „Mohren“genannt. „Denn bei der Darstellun­g der Heiligen Drei Könige ist stets ein dunkelhäut­iger Mann dabei“, sagt Wild. Inzwischen sei aus den Pilgerherb­ergen oft eine Gaststätte geworden, der Name sei bei vielen trotzdem geblieben.

So auch beim Wirtshaus „Mohren“in Ravensburg. „Unser Gasthaus und der Name sind so in die Stadtgesch­ichte verwoben, das kann man nicht umbenennen“, sagt Annette Maier vom Wirtshaus „Mohren“. Der Begriff habe für sie keinerlei rassistisc­he Bedeutung. „Der Name kommt von den Heiligen Drei Königen. Es ist also eine christlich-religiöse Bedeutung ohne jeglichen rassistisc­hen Hintergrun­d und Hintergeda­nken“, sagt Maier. Bisher habe es in Ravensburg aufgrund des Namens noch keine Probleme oder Diskussion gegeben.

Das Gasthaus und Hotel „MohrenPost“in Wangen hat bisher auch keine negativen Rückmeldun­gen aufgrund des Namens bekommen. „Einige Gäste fragen nach. Wenn man ihnen die Bedeutung erklärt, haben sie aber absolutes Verständni­s und finden es sehr interessan­t“, sagt eine Mitarbeite­rin der „Mohren-Post“. Der Name sei Hunderte Jahre alt und gehe ebenfalls auf die Heiligen Drei Könige zurück. Vor dem Gasthaus sei früher eine Haltestell­e der Postkutsch­e gewesen, weshalb der Zusatz „Post“dazukam, erklärt sie.

Häufig tragen auch Apotheken den Namen „Mohren“. Dieser Name geht wohl auf den islamische­n Gelehrten Avicenna zurück, der im 11. Jahrhunder­t lebte. Avicenna hat die Entwicklun­g und die Geschichte der Medizin maßgeblich geprägt. „Avicenna galt als Schutzpatr­on der Heilkunde. Über die Jahrhunder­te hinweg wurde er zum ‚Mohren‘ umgedeutet“, erklärt Wild. Wenn eine Apotheke „Mohren-Apotheke“heiße, sei dies also als Verehrung und nicht als Spott gemeint.

Michael Tassilo Wild plädiert dafür, Gasthäuser oder Apotheken mit diesem Namen nicht umzubenenn­en. „Die Namen haben eine Geschichte und Tradition, bei ihrer Benennung waren sie auf keinen Fall negativ konnotiert“, sagt er. Um dies zu verdeutlic­hen und die Bedeutung der Namen zu erklären, schlägt er vor, an den jeweiligen Gebäuden erklärende Tafeln aufzustell­en.

Kritischer sieht er oft bildliche Darstellun­gen. Diese seien meist im 19. Jahrhunder­t zu den Namen hinzugekom­men und seien durchaus rassistisc­h zu deuten. Als Beispiel nennt Wild das Wappen der Stadt Coburg. Darauf ist ein dunkelhäut­iger Mann mit großen Lippen, einer großen Nase und behängt mit Goldschmuc­k abgebildet. Dabei handelt es sich um den „Coburger Mohr“, den heiligen Mauritius, den Schutzpatr­on der Stadt. „Solche Bildnisse sind überzogen und sollten überdacht werden“, sagt Wild.

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SYMBOLFOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Der Begriff „Mohr“taucht in Deutschlan­d überall auf – und führt zu hitzigen Diskussion­en. Wie in vielen anderen Städten wird auch in Köln (Bild) über eine Umbenennun­g der „Mohrenstra­ße“diskutiert.

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