Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der „German Giant“stürzt den König vom Thron
Clemens wirft beim Debüt Ex-Weltmeister raus
MILTON KEYNES (SID) - Ungläubig schlug Gabriel Clemens die Hände vor dem Mund zusammen. Immer wieder schüttelte der deutsche Dartsprofi den Kopf und winkte fast schon entschuldigend gegenüber Rob Cross ab – dem bedröppelten Titelverteidiger und Ex-Weltmeister, den der Debütant aus dem Saarland beim World Matchplay soeben sensationell in der ersten Runde aus dem Turnier geworfen hatte. Von Freude über den Einzug ins Achtelfinale des wichtigsten Turniers nach der WM war bei Clemens aber zunächst nichts zu spüren.
„Im Endeffekt kommt jetzt eine alte Dartsweisheit zum Tragen: A win is a win“, sagte der „German Giant“nach dem 10:8 gegen den Weltranglistenvierten Cross (England) im Interview bei Sport1: „Was soll ich sonst sagen? Es war einfach – ganz ehrlich – Scheiße von uns beiden.“
Klar, die Sterne hatten an diesem Abend in der Marshall Arena von Milton Keynes beide nicht vom Himmel gespielt, vor allem zu Beginn der Partie hatte Clemens arge Probleme beim Scoring. Verlass war bei seinem dritten Sieg im dritten Match gegen Cross jedoch auf eine starke Checkout-Quote: Über die Hälfte seiner Pfeile auf ein abschließendes Doppelfeld fanden ihr Ziel, darunter ein bärenstarkes 170er-Finish.
Erstmals seit 2006 (Colin Lloyd) musste damit ein Titelverteidiger schon nach der ersten Runde seine Koffer packen – und bald überwog bei Clemens dann auch die Freude über seinen Coup. „Es ist unglaublich“, sagte der gelernte Industriemechaniker am Mikrofon der Professional Darts Corporation (PDC): „Es ist ein großer Moment für meine Karriere, ich bin richtig glücklich.“
Im Achtelfinale am Dienstagabend (gegen 22.30 Uhr/Sport1 und DAZN) wartet im Polen Krzysztof
Ratajski (PDC-13.) nun ein formstarker und unangenehmer Gegner. „Da muss ich besser spielen“, sagte Clemens, der aber schon im Vorfeld der Partie gegen Cross selbstbewusst gesagt hatte: „Ich habe schon öfters gezeigt, dass ich mich auch auf Favoriten einstellen kann.“
Erst im vergangenen Jahr hatte sich der 36-Jährige dazu entschieden, als Profi voll auf die Karte Darts zu setzen. Durch den Sieg über Cross und die damit erspielten 15 000 Pfund (ca. 16 500 Euro) klettert er in der Weltrangliste der PDC schon auf Platz 36 – die Top 32 und damit das automatische Ticket für die WM im Dezember sind nicht mehr fern.
Vielleicht kommt ja beim World Matchplay, das aufgrund der Corona-Krise nicht im traditionellen Winter Gardens in Blackpool, sondern ohne Zuschauer in Milton Keynes ausgetragen wird, noch der eine oder andere Taler dazu.