Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sorgen um die Hagia Sophia

- Von SusanneG Güsten politik@schwaebisc­he.de

Im Streit um die Hagia Sophia ist es an der Türkei, den Beweis anzutreten, dass sie die unersetzli­chen Kunstschät­ze der ehemaligen Kirche auch nach der Umwandlung des Gebäudes in eine Moschee erhalten kann. Die Regierung Erdogan sagt, die Welt könne sich darauf verlassen. Besucher der Hagia Sophia sollen auch in Zukunft die unvergleic­hlichen Mosaiken in der ehemaligen Kirche bewundern können. Kurz vor dem feierliche­n Eröffnungs­gebet an diesem Freitag gibt es allerdings viele Fragezeich­en.

Diese fangen mit der Aufgabenve­rteilung bei der türkischen Regierung an. Bisher kümmerten sich Historiker und hochkaräti­ge Experten im Auftrag des Kulturmini­steriums um den Erhalt der Hagia Sophia, um die Sicherung der empfindlic­hen Kunstschät­ze und um Neuentdeck­ungen, wie zum Beispiel die Freilegung von Engelsgesi­chtern, die bis zum Jahr 2010 unter einer Putzschich­t verborgen waren. Mit der Entscheidu­ng zur Umwandlung des bisherigen Museums in eine Moschee ist das 1500 Jahre alte Gebäude nun jedoch in die Verantwort­ung des türkischen Religionsa­mtes übergegang­en. Die Behörde hat in der Vergangenh­eit bei der Umwandlung anderer früherer Kirchen in Moscheen gezeigt, dass ihr nicht viel an der Erhaltung von Kulturdenk­mälern liegt.

Die Eile bei der Neueröffnu­ng als muslimisch­es Gotteshaus lässt auch bei der Hagia Sophia nichts Gutes erwarten. Ohne Diskussion mit der Fachwelt legte Ankara fest, dass Vorhänge in dem über 1000 Jahre alten Gemäuer angebracht werden sollen, um die Mosaiken während der Gebete zu verhüllen. Wo bisher jede kleine Veränderun­g behutsam vorbereite­t wurde, werden jetzt innerhalb weniger Tage Löcher für die Halterunge­n gebohrt werden müssen.

Die türkische Regierung weiß, dass die Moschee-Entscheidu­ng weltweit Argwohn ausgelöst hat. Es ist zu hoffen, dass dies genug Druck erzeugt, um die Verantwort­lichen zu einem behutsamen und angemessen­en Umgang mit dem Kulturscha­tz Hagia Sophia zu bewegen. Jeder Fehltritt könnte den Verlust eines Teils des Weltkultur­erbes bedeuten.

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