Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sorgen um die Hagia Sophia
Im Streit um die Hagia Sophia ist es an der Türkei, den Beweis anzutreten, dass sie die unersetzlichen Kunstschätze der ehemaligen Kirche auch nach der Umwandlung des Gebäudes in eine Moschee erhalten kann. Die Regierung Erdogan sagt, die Welt könne sich darauf verlassen. Besucher der Hagia Sophia sollen auch in Zukunft die unvergleichlichen Mosaiken in der ehemaligen Kirche bewundern können. Kurz vor dem feierlichen Eröffnungsgebet an diesem Freitag gibt es allerdings viele Fragezeichen.
Diese fangen mit der Aufgabenverteilung bei der türkischen Regierung an. Bisher kümmerten sich Historiker und hochkarätige Experten im Auftrag des Kulturministeriums um den Erhalt der Hagia Sophia, um die Sicherung der empfindlichen Kunstschätze und um Neuentdeckungen, wie zum Beispiel die Freilegung von Engelsgesichtern, die bis zum Jahr 2010 unter einer Putzschicht verborgen waren. Mit der Entscheidung zur Umwandlung des bisherigen Museums in eine Moschee ist das 1500 Jahre alte Gebäude nun jedoch in die Verantwortung des türkischen Religionsamtes übergegangen. Die Behörde hat in der Vergangenheit bei der Umwandlung anderer früherer Kirchen in Moscheen gezeigt, dass ihr nicht viel an der Erhaltung von Kulturdenkmälern liegt.
Die Eile bei der Neueröffnung als muslimisches Gotteshaus lässt auch bei der Hagia Sophia nichts Gutes erwarten. Ohne Diskussion mit der Fachwelt legte Ankara fest, dass Vorhänge in dem über 1000 Jahre alten Gemäuer angebracht werden sollen, um die Mosaiken während der Gebete zu verhüllen. Wo bisher jede kleine Veränderung behutsam vorbereitet wurde, werden jetzt innerhalb weniger Tage Löcher für die Halterungen gebohrt werden müssen.
Die türkische Regierung weiß, dass die Moschee-Entscheidung weltweit Argwohn ausgelöst hat. Es ist zu hoffen, dass dies genug Druck erzeugt, um die Verantwortlichen zu einem behutsamen und angemessenen Umgang mit dem Kulturschatz Hagia Sophia zu bewegen. Jeder Fehltritt könnte den Verlust eines Teils des Weltkulturerbes bedeuten.