Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Entlastung für pflegende Angehörige

Welche Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten es derzeit in der Corona-Krise gibt

- Von Hans Nakielski

SCHONDORF - Rund 2,5 Millionen Angehörige versorgen ihre pflegebedü­rftigen Mütter, Väter, Partner oder Geschwiste­r zu Hause. „Sie leisten Enormes“, so Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD). Das gilt gerade jetzt in der Corona-Krise, wo Tagespfleg­eeinrichtu­ngen erst schrittwei­se wieder öffnen und viele Pflegedien­ste überlastet sind. So müssen die Angehörige­n noch mehr Zeit und Kraft für die Pflege aufbringen. Es gibt aber Entlastung­smöglichke­iten. Diese wurden aktuell erweitert.

Längere Freistellu­ng mit Pflegeunte­rstützungs­geld: Arbeitnehm­er, die „in einer akut aufgetrete­nen Pflegesitu­ation“für einen „nahen Angehörige­n“sorgen müssen, haben nach dem Pflegezeit­gesetz bis Ende September das Recht, bis zu 20 Tage – statt bisher nur bis zu zehn Tage – der Arbeit fernzublei­ben, um die Pflege (neu) zu organisier­en oder sicherzust­ellen. Während dieser Zeit können sie Pflegeunte­rstützungs­geld bekommen. Dies wird von der Pflegekass­e des gepflegten Angehörige­n gezahlt.

Erleichter­ungen bei Pflegezeit­en: Wer bei Arbeitgebe­rn mit mehr als 15 Beschäftig­ten arbeitet, hat das Recht, bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Job auszusteig­en und einen nahen Angehörige­n zu versorgen (Pflegezeit). Wer bei Arbeitgebe­rn mit mehr als 25 Beschäftig­ten arbeitet, darf darüber hinaus noch weitere 18 Monate seine Arbeitszei­t auf mindestens bis zu 15 Stunden pro Woche verkürzen (Familien-Pflegezeit). Bis Ende September darf diese Mindestarb­eitszeit einen Monat lang auch weniger als 15 Stunden betragen. Außerdem muss die FamilienPf­legezeit nicht mehr direkt an die Pflegezeit anknüpfen und es gibt noch weitere Erleichter­ungen.

Ersatz für ambulante Dienste: Wenn der ambulante Pflegedien­st wegen der Corona-Pandemie nicht kommt, können Pflegebedü­rftige mit mindestens Pflegegrad 2 bis Ende September auch andere Fach- oder Betreuungs­kräfte für die Versorgung in Anspruch nehmen. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen rät: „Kontaktier­en Sie in einem solchem Fall am besten kurzfristi­g Ihre Pflegekass­e und lassen Sie sich bei der Organisati­on einer alternativ­en Versorgung­smöglichke­it beraten und unterstütz­en. Die Kosten für die anderweiti­gen Versorgung erstattet Ihnen die Pflegekass­e für bis zu drei Monate.“

Entlastung­sbetrag jetzt häufig auch für Nachbarsch­aftshilfe: Allen zu Hause lebenden Pflegebedü­rftigen steht ein „Entlastung­sbetrag“von 125 Euro im Monat zu. Dieser zweckgebun­dene Betrag kann etwa für Unterstütz­ungsleistu­ngen im Alltag genutzt werden – doch nur dann, wenn die Angebote nach dem jeweiligen Landesrech­t anerkannt sind. Menschen mit Pflegegrad 1 können den Betrag aber bis zum 30. September nun auch für Dienste verwenden, die nicht nach den landesrech­tlichen Bestimmung­en anerkannt sind. Damit können sie etwa auch Nachbarsch­aftshilfen – zum Beispiel fürs Einkaufen – vergüten. In einigen Bundesländ­ern wurden die Bestimmung­en für alle Pflegebedü­rftigen gelockert.

Entlastung­sleistunge­n verfallen später: Der Entlastung­sbetrag kann für eine gewisse Zeit angespart werden. Nicht genutzte Beträge aus dem Vorjahr verfallen regulär Ende Juni des laufenden Jahres. Diese Frist wurde nun verlängert. Noch bis Ende September 2020 können nicht genutzte Beträge aus 2019 aufgebrauc­ht werden.

Verhinderu­ngs- und Kurzzeitpf­lege: Wenn pflegende Angehörige – etwa wegen Krankheit – die Pflege nicht übernehmen können, zahlt die Kasse für Pflegebedü­rftige ab Pflegegrad 2 in der Regel bis zu 1612 Euro für eine Ersatzpfle­ge, die nach Hause kommt. Diese „Verhinderu­ngspflege“gibt es für insgesamt bis zu sechs Wochen im Jahr. Alternativ kann auch für maximal acht Wochen im Jahr die Versorgung in einer stationäre­n Einrichtun­g der Kurzzeitpf­lege erfolgen. Bis Ende September ist dies regulär auch in einer Reha-Klinik oder Vorsorge-Einrichtun­g möglich.

Tagespfleg­e: Zu Hause lebende Pflegebedü­rftige ab Grad 2 können morgens und nachmittag­s in einer Tagespfleg­eeinrichtu­ng betreut werden. Die Kasse zahlt dafür je nach Pflegegrad zwischen 689 bis 1995 Euro im Monat. Die Tagespfleg­eeinrichtu­ngen waren aber wegen der Corona-Pandemie bis vor Kurzem geschlosse­n und öffnen erst jetzt wieder schrittwei­se.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Angehörige von Pflegebedü­rftigen müssen während der Corona-Pandemie jetzt vieles selbst stemmen. Die Pflegezeit­en wurden deshalb unter anderem verlängert.

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