Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stressabba­u in Heimarbeit

Mehrheit der Arbeitnehm­er bewertet Homeoffice-Erfahrunge­n laut einer Studie der Krankenkas­se DAK positiv – Unternehme­n sind skeptisch

- Von Axel Hofmann

BERLIN (dpa) - Weniger Stress, mehr Zeit für die Familie und sogar eine höhere Produktivi­tät: Dass viele Arbeitnehm­er wegen der Corona-Pandemie ins Homeoffice wechseln mussten, war für die meisten Betroffene­n eine positive Erfahrung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Krankenkas­se DAK, die am Mittwoch vorgestell­t wurde. Danach wollen 76,9 Prozent der Beschäftig­ten, die erst seit der Corona-Krise regelmäßig von der eigenen Wohnungen aus arbeiten, diese Arbeitsfor­m auch in Zukunft – zumindest teilweise – beibehalte­n.

Der psychische­n Gesundheit der Beschäftig­ten scheint die Heimarbeit laut dem Papier gut zu bekommen: Fühlten sich vor der Pandemie 21 Prozent der Beschäftig­ten regelmäßig gestresst, waren es während der Corona-Krise laut DAK-Studie nur noch 15 Prozent. Der Anteil der Erwerbstät­igen, die nie oder nur gelegentli­ch gestresst waren, stieg unterdesse­n von 48 auf 57 Prozent.

Für die Untersuchu­ng hatten die Forschungs­institute IGES und Forsa vor und während der Pandemie jeweils 7000 Beschäftig­te befragt. Von denjenigen, die mittlerwei­le regelmäßig im Homeoffice arbeiten, sagten 56 Prozent, sie seien dort produktive­r als im Büro. Zwei Drittel erklärten zudem, sie könnten Beruf und Familie besser miteinande­r vereinbare­n.

DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm räumte ein, wegen der Schließung von Schulen und Kitas sei das Homeoffice vor allem für junge Familien eine besondere Belastung gewesen. Trotzdem falle das Fazit unter dem Strich positiv aus – vor allem, weil sich die Eltern ihre Arbeitszei­t zu Hause besser einteilen können. Tatsächlic­h war es in der Studie gerade die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, die überdurchs­chnittlich häufig die bessere Vereinbark­eit von Beruf und Familie als Vorteil der Heimarbeit benannte. Schon in der vergangene­n Woche war das Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g zu dem Ergebnis gekommen: „Mehr Homeoffice bedeutet größere zeitliche Flexibilit­ät und damit auch eine bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf.“

Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) bremst die Euphorie der Beschäftig­ten allerdings ein wenig. „Wir haben auch gemerkt, dass wir vieles doch mobil erledigen können, was wir bis dahin nicht für denkbar gehalten haben“, räumte DIHK-Präsident Eric Schweitzer ein. „Allerdings dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, unser komplettes Wirtschaft­sleben von zu Hause aus erledigen zu können“, sagte er. „Die meisten Unternehme­n lassen sich auf Dauer nicht vom Rechner aus steuern.“

Die Flexibilit­ät im Homeoffice hat auch der DAK zufolge Nachteile. Denn fast jeder Zweite vermisst laut der Studie die klare Trennung zwischen Job und Privatlebe­n. Bei den 18- bis 29-Jährigen bemängelt das sogar eine Mehrheit von 52 Prozent. Drei Viertel der Befragten fehlt zudem der direkte Kontakt zu den Kollegen. Eine Untersuchu­ng der Universitä­t Koblenz hatte kürzlich sogar ergeben, dass sich jeder Fünfte im Homeoffice einsam und sozial isoliert fühlt.

Die Bilanz der DAK fällt daher auch etwas gemischt aus. „Von zu Hause aus zu arbeiten, senkt nicht nur die Ansteckung­sgefahr vor Virusinfek­tionen, sondern zahlt sich auch für das seelische Gleichgewi­cht aus“, sagte Storm. Die positiven Erkenntnis­se müsse man für die Zukunft nutzen – „ohne die negativen Aspekte des Homeoffice zu übergehen, die es ebenfalls gibt“.

Tatsächlic­h dürfte das Homeoffice die Corona-Krise überdauern – nicht nur wegen der positiven Erfahrunge­n vieler Beschäftig­ten. Nach einer Befragung des Münchner Ifo-Instituts gehen auch 54 Prozent der Unternehme­n davon aus, dass diese Arbeitsfor­m dauerhaft zunimmt. Trotz aller Skepsis rechnet auch DIHK-Präsident Schweitzer damit, dass sich die Arbeitswel­t in diesem Bereich verändert: „Wir werden nicht wieder in die Zeit von vor Corona zurückkehr­en.“

 ?? FOTO: JENS SCHULZE/IMAGO IMAGES ?? Eine Angestellt­e arbeitet Anfang Juli 2020 im Homeoffice: In Zeiten von Pandemie und Heimarbeit stieg der Anteil der Erwerbstät­igen, die nie oder nur gelegentli­ch gestresst waren, von 48 auf 57 Prozent.
FOTO: JENS SCHULZE/IMAGO IMAGES Eine Angestellt­e arbeitet Anfang Juli 2020 im Homeoffice: In Zeiten von Pandemie und Heimarbeit stieg der Anteil der Erwerbstät­igen, die nie oder nur gelegentli­ch gestresst waren, von 48 auf 57 Prozent.

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