Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Bauernhof auf Wanderscha­ft

„Wir wollten ihn retten“– Das alte Gebäude zieht nach fast 300 Jahren nach Wolfegg um

- Von Selina Helmlinger

WOLFEGG - Der Bauernhof der Familie Beck, Baujahr 1728, hat eine lange Reise hinter sich: 280 Jahre lang stand er in Taldorf bei Ravensburg, bis er 2008 abgebaut wurde, um in die Ausstellun­g des Bauernhaus­museums Wolfegg aufgenomme­n zu werden. Dort kommt er jedoch erst nach elf Jahren an.

Es war im Jahr 1728, als Anna Weißhaupti­n und ihr Ehemann Michael Rittler in Taldorf ein Hofgebäude errichtete­n. Dazu gehörte ein wenig Ackerland, ein Gemüse- und Baumgarten mit Äpfeln, Birnen, Kirschen und Nüssen. Wahrschein­lich hatte das Ehepaar auch Ziegen oder eine Kuh, vielleicht auch ein Schwein. Die Ernte wurde teilweise auf dem Markt zum Verkauf angeboten. Die Familie konnte jedoch von der Landwirtsc­haft allein nicht leben, da sie zu wenig Fläche hatte. Deshalb arbeitete Rittler im Weinbau als Nebenverdi­enst. Als das später schwierige­r wurde, wechselten die drei nachfolgen­den Generation­en ins Handwerk. 1898 wurde der Hof wieder ganz für Landwirtsc­haft umgebaut. Diese Informatio­nen hat Andrea Schreck, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin des Bauernhaus­museums Wolfegg, herausgefu­nden.

Dann ging der alte Bauernhof auf Wanderscha­ft. Die Besitzer des oberschwäb­ischen Eindachhof­s wollten das Grundstück für andere Zwecke nutzen und schenkten den historisch­en Hof dem Bauernhaus­museum in Wolfegg. Das Museum hat die Gelegenhei­t genutzt. „Wir wollten den Hof Beck retten“, sagt der kommissari­sche Leiter Maximilian Eiden, der das Projekt seit etwa einem Jahr betreut. Das Museum zeigt unter anderem die Bau- und Wohngeschi­chte von Häusern. „In den Häusern sind viele Informatio­nen gespeicher­t, die wir aus ihnen herauslese­n können, etwa welche Baustoffe dort zur Verfügung standen oder wie damals die Landwirtsc­haft oder das Handwerk aussahen.“

Bis das historisch­e Gebäude jedoch nach Wolfegg kam, dauerte es elf Jahre. Der Hof wurde 2008 in Taldorf abgebaut und bis 2011 in eigens angefertig­ten Rahmen in der ehemaligen UlmiaHalle in Weißenau eingelager­t, wie Maximilian Eiden erläutert. 2011 mussten die eingelager­ten Hofteile aufgrund des Hallenverk­aufs an einen anderen Standort gebracht werden. Bis 2019 sei das Bauwerk daraufhin in einer Halle in Seibranz eingelager­t worden, so Eiden. Ende 2019 sei der Hof in der Werkhalle der Firma Redle in Ottmannsho­fen ausgepackt und aufgestell­t worden. Die Restaurier­ungsarbeit­en begannen.

Dass alles so lang gedauert hat, liegt laut Eiden an der Finanzieru­ng: „Man hatte damals das Geld für den Abbau zusammen, aber nicht genug Fördermitt­el, um den Wiederaufb­au zu finanziere­n“, erklärt er. Dadurch, dass der Hof elf Jahre lang eingelager­t war, entstanden insgesamt mehr Kosten und einige Schäden wie abgebröcke­lter Bauputz oder kaputte Tapeten

und Holzelemen­te. „Das war leider nicht vermeidbar“, sagt Eiden.

Günther Redle, Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Firma in Ottmannsho­fen bei Leutkirch, ist für den Ab- und Aufbau des Hofs zuständig. Er erklärt, dass eine Gebäudever­setzung im Schnitt bis zu 15 Monate dauert: „Das gesamte Objekt wird zunächst akribisch vermessen und dokumentie­rt, jeder Balken und jede Fliese erhält eine Nummer und einen Standort, um genau an derselben Stelle beim Wiederaufb­au seinen Platz zu finden.“Danach werde das

Gebäude in möglichst große Teile gefasst, verpackt und verladen bis zum Wiederaufb­au und der Restaurati­on am neuen Standort. „Dabei legen wir ein großes Augenmerk auf den Erhalt der Originalit­ät. Dazu sind viele Spezialist­en am Werk.“So seien für den Hof Beck unter anderem Gipser, Maurer, Maler, Schreiner und Bodenleger im Einsatz.

Am Donnerstag soll nun der Aufbau des Hofes im Museum beginnen. „Der Hof ist eine große Chance für das Museum, wir bekommen nicht alle Tage die Möglichkei­t, ein neues Haus aufzustell­en. Aber wir haben eine große Verantwort­ung, etwas daraus zu machen, auch weil viel öffentlich­es Geld investiert wurde“, sagt Museumslei­ter Eiden. Die Gesamtkost­en wurden vom Landkreis auf 3,1 Millionen Euro einkalkuli­ert. Die Eröffnung des Hofes im Museum sei für die Saison 2022 geplant. Doch schon während des Aufbaus kann bereits demnächst mit Führungen besichtigt werden.

Neu angebaut werden an den Hof ein Kellergesc­hoss und Räume im Westgebäud­e, wo Teile des historisch­en Schuppens nicht mehr erhalten sind. Dort sollen Sammlungss­tücke vorgestell­t und pädagogisc­he Angebote für Kinder über das ländliche Leben und Arbeiten im Württember­gischen Allgäu und Oberschwab­en um 1900 stattfinde­n.

Zudem soll es um den Ressourcen­umgang gehen: „Wir merken gerade, dass unser Planet kein Tischleind­eckdich ist. An der Geschichte der Bewohnerfa­milie des Hauses können wir sehen, dass sie schon immer mit begrenzten Ressourcen auskam. Vielleicht können manche daraus auch Schlüsse für ihr eigenes Leben ziehen“, so Eiden.

 ?? FOTO: HOLZBAU REDLE ?? Der historisch­e Bauernhof, Baujahr 1728, wurde in der Werkhalle der Firma Redle in Ottmannsho­fen restaurier­t. Nun zieht er endgültig ins Museum um.
FOTO: HOLZBAU REDLE Der historisch­e Bauernhof, Baujahr 1728, wurde in der Werkhalle der Firma Redle in Ottmannsho­fen restaurier­t. Nun zieht er endgültig ins Museum um.

Newspapers in German

Newspapers from Germany