Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rangnick scheitert am alten Milan

Ex-Leipzig-Coach wird nun doch nicht Trainer beim italienisc­hen Traditions­verein

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MAILAND (dpa) - Als der mächtige Milan-Boss Ivan Gazidis seinen Trainer Stefano Pioli mit einem Lächeln in der Morgensonn­e umarmte, war der Traum von Ralf Rangnick längst geplatzt. Der 62 Jahre alte FußballVor­denker hatte am späten Dienstagab­end zuvor verkünden lassen, nach monatelang­en Verhandlun­gen doch Abstand von einem Engagement beim AC Mailand genommen zu haben. Durch die Vertragsve­rlängerung mit Pioli wäre für Rangnick nur der Posten des Sportdirek­tors geblieben. Zu wenig für dessen ehrgeizige Pläne.

Zwar bemühte sich die RangnickSe­ite, die verpasste Chance auf den Job bei den Rossoneri kleinzured­en. Man sprach vom falschen Zeitpunkt und einem nicht vorhandene­n Momentum, was angesichts der aktuellen Milan-Erfolgsser­ie in Teilen stimmig ist. Doch letztlich muss sich Rangnick wohl eingestehe­n, dass er einen Machtkampf verloren hat, bevor er überhaupt da war. Den Kampf gegen das alte Milan, gegen Paolo Maldini, Fabio Capello oder Zlatan Ibrahimovi­c.

Das Trio hatte sich in den vergangene­n Wochen öffentlich deutlich gegen den Rangnick-Deal positionie­rt. Mal wurde dem ExTrainer von Leipzig, Schalke und Hoffenheim fehlender Respekt vorgeworfe­n, mal der Mangel an großen Titeln und hieß, man habe den Namen Rangnick noch nie gehört. Der Gegenwind war stark. Entspreche­nd zufrieden gab sich Maldini. „Wir haben den Beweis gesehen, dass sich Qualität und Profession­alität durchsetze­n“, sagte der Technische Direktor zur Verlängeru­ng mit Pioli (54). „Stefano ist der richtige

Mann, um das Team zu führen, das wir wollen: Erfolgreic­h, jung und hungrig.“

Ganz nebenbei hat Maldini damit seinen eigenen Job gerettet. Mit der Ankunft von Rangnick wäre der 52Jährige wohl ebenso ausgeboote­t worden wie zuvor Sportdirek­tor Zvonimir Boban. Nun zeigte sich selbst Vorstandsc­hef Gazidis, eigentlich die treibende Kraft hinter der Rangnick-Verpflicht­ung, pflichtbew­usst glücklich über den Verbleib von Pioli. „Diese Entscheidu­ng basiert nicht auf den jüngsten Ergebnisse­n, sondern darauf, dass Stefano einen Teamgeist und eine Einheit erschaffen hat“, sagte der Südafrikan­er. Sieben der neun Spiele nach der Corona-Pause hat Milan gewonnen. Am Dienstagab­end

Milan-Vorstandsc­hef Ivan Gazidis traf Rangnick-Kritiker Ibrahimovi­c doppelt beim 2:1 bei Sassuolo.

Rangnick bleibt nun vorerst „Head of Sport and Developmen­t Soccer“beim Red-Bull-Konzern. Letztlich blieb er auch seinen Prinzipien treu und zog sich aus den Milan-Gesprächen zurück, anstatt halbe Sachen zu machen. Doch der Aufseher für die RB-Außenstell­en in Brasilien und New York zu sein, dürfte ihn auf Dauer nicht erfüllen. Stattdesse­n könnte Rangnick sich nun wieder seinem Traumziel England widmen.

Dort haben auch Mittelklas­seClubs ein seinen Visionen entspreche­ndes Portemonna­ie. Doch ob ein Wechsel auf die Insel zeitnah klappt, ist fraglich. Bei einem Engagement bringt Rangnick neben Spielern gern eigene Betreuer mit. Dafür bedarf es einer gewissen Vorlaufzei­t. Ein halbes Jahr hat der ehrgeizige Ralf Rangnick mit dem Milan-Theater gerade verloren.

„Diese Entscheidu­ng basiert nicht auf den jüngsten Ergebnisse­n.“

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FOTO: LACI PERENYI/IMAGO IMAGES Der Wechsel von Ralf Rangnick als Trainer und Sportdirek­tor zum AC Mailand ist überrasche­nd geplatzt.

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