Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
US Open fraglicher denn je
Das Warten im Tennis geht weiter – Reisebeschränkungen als großes Problem
NEW YORK (dpa) - Die Beschwichtigung der US-Open-Macher ließ nicht lange auf sich warten. Nur kurz nach der Absage des ATP-Turniers in Washington verschickte der amerikanische Tennis-Verband USTA ein Statement und machte deutlich, dass er nach wie vor fest gewillt ist, trotz der heftigen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie vom 31. August an das Grand-Slam-Turnier in New York auszutragen. Doch dass das Millionen-Event und das zuvor geplante aus Cincinnati importierte MastersTurnier tatsächlich in Flushing Meadows stattfinden, ist seit dieser Woche fraglicher denn je.
Zum einen sprechen die stetig weiter wachsenden Infektionszahlen in den USA gegen eine Durchführung der Mammutveranstaltung. Was den Bossen um Turnierdirektorin Stacey Allaster aber am meisten Sorgen bereitet, sind die weltweit herrschenden Reisebeschränkungen. Denn derzeit ist völlig unklar, ob die aus der ganzen Welt anreisenden Spielerinnen und Spieler nach der Einreise in die USA erst einmal in Quarantäne müssen oder nicht.
Gleiches gilt für die Frage, was bei der Rückkehr nach Europa passiert, wo die Tennis-Tour ab Mitte September mit den Sandplatzturnieren in Madrid, Rom und den French Open in Paris wieder richtig Fahrt aufnehmen soll. Eine zweiwöchige Quarantäne im Anschluss an die US Open würde den Profis den Start in Madrid zum Beispiel unmöglich machen.
„Leider gibt es im Moment noch zu viele Faktoren, die außerhalb unserer Kontrolle liegen“, sagte ATPBoss Andrea Gaudenzi zur Absage der Veranstaltung in Washington. Bis zuletzt hatten die Organisatoren in der US-Hauptstadt um eine Durchführung gekämpft, jetzt gaben sie auf. Auch, um auf die ungelösten Probleme der Reisebeschränkungen aufmerksam zu machen. „Ich glaube, unsere Absage könnte die Lösung der Einreiseprobleme beschleunigen“, sagte Turnierdirektor Mark Ein der „New York Times“.
Doch wie eine Lösung aussehen soll, weiß im Moment niemand. „Das wird uns noch das ganze Jahr beschäftigen“, sagte WTA-Boss Steve Simon. „Woche für Woche ist derzeit alles provisorisch. Aber wir müssen so viel wie möglich versuchen, denn dieses Virus ist morgen nicht weg“, sagte Simon. Eine Normalität werde es wahrscheinlich sogar erst 2022 wieder geben.
Auch die Spieler warten täglich gebannt auf Neuigkeiten. „Ich möchte gerne rübergehen“, sagte DavisCup-Profi Jan-Lennard Struff dem TV-Sender Sky. „Wir haben so lange nicht gespielt, es brennen alle auf den Wettkampf.“Seit Mitte März ruht die weltweite Tour, die Profis versuchen sich bei Einladungsturnieren wie zuletzt in Berlin oder ab der kommenden Woche in Halle/Westfalen fit zu halten. Die Tatsache, dass fast täglich neue Events mit Show-Charakter bekannt gegeben werden, zeigt, dass die Branche selbst riesige Zweifel an einer Durchführung der US Open hat. „Ich kann es mir, um ehrlich zu sein, nur schwer vorstellen“, sagte Barbara Rittner, Damen-Chefin im Deutschen Tennis Bund. „Wenn ich Spielerin wäre, würde ich im Moment nicht nach New York reisen.“
Doch die Macher in New York wollen die US Open mit aller Macht durchziehen. Auch weil seitens Sponsoren und dem TV-Sender ESPN offenbar Druck gemacht wird. Den Organisatoren würden eine „sichere und kontrollierte“Umgebung für alle Spielerinnen und Spieler sowie ihre Begleitpersonen gewährleisten, sagte der Verband. Ohne eine Antwort auf die vielen Reisefragen kann die geplante Blase aber noch so sicher geplant sein – dann wird es die US Open in diesem Jahr nicht geben. Eine Entscheidung soll in der kommenden Woche fallen.