Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Feneberg-Verkäuferi­n: „Ich habe keine Berührungs­ängste“

Iris Brugger bleibt in der Corona-Zeit gelassen

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Iris Brugger strahlt eine freundlich­e, bodenständ­ige Ruhe aus. Daran hat auch Corona nichts geändert. In der Krise wurden Kassierer und Verkäufer ebenso wie Ärzte und Pfleger als Helden gefeiert. Trotzdem musste die 59-Jährige, die im Feneberg im Ravensburg­er Gänsbühlce­nter mal an der Kasse sitzt, mal die Regale mit Waren bestückt oder Brötchen verkauft, während des Lockdowns öfter mal schlucken.

Denn manche Kunden legten bisweilen ein recht unverschäm­tes Verhalten an den Tag. Nur gut, dass Brugger selbst keine Angst hatte, sich mit dem Virus anzustecke­n. Und ihren Job auch nach 20 Jahren noch gerne macht. So lange arbeitet die gebürtige Ravensburg­erin nämlich schon im Feneberg – auch in dem früheren Ladengesch­äft in der Bachstraße war sie bereits mit von der Partie. Daher kennt sie viele Kunden sehr lange. So lange, dass man sich mit Namen kennt, sich teilweise sogar duzt, auf jeden Fall aber immer ein Schwätzle hält.

„Ich weiß, von wem gerade die Ehefrau krank ist, und wann eine Schwangere­n den Geburtster­min hat“, sagt Brugger mit einem Lächeln. Daher hat sie kein Problem damit, dass der eine oder andere Kunde ihr zur Begrüßung die Hand auf die Schulter legt, wenn sie gerade am Ware-Auszeichne­n ist: „Ich habe keine Berührungs­ängste.“Dennoch sei natürlich selbstvers­tändlich, dass man sich an die Spielregel­n halten müsse. Vor Corona hatte es auch ab und zu Umarmungen gegeben – die sind momentan jetzt nicht drin. So viel zu den überwiegen­d „sehr netten Kunden“.

Es gab und gibt aber immer mal auch welche, die sich danebenben­ehmen. Tatsächlic­h haben sich auch im Ravensburg­er Innenstadt-Feneberg laut Brugger die typischen Klopapieru­nd Hefe-Szenen abgespielt: „Man musste teilweise fast mit den Leuten streiten, um ihnen begreiflic­h zu machen, dass sie eben nicht sechs Pakete mit Toilettenp­apier mitnehmen dürfen.“Trotzdem seien die Regale teilweise nach einer Stunde leer geräumt gewesen. „Viele nahmen das persönlich“, wundert sich Brugger. Schließlic­h habe man durchaus versucht, mehr zu bekommen – was eine Zeit lang schlicht unmöglich war. Dasselbe Spiels mit der Hefe: Etliche Kunden hätten dem Nahversorg­er unterstell­t, man würde mutwillig Hefe zurückhalt­en. „Da sind sich einige selbst der Nächste und denken gar nicht dran, dass auch andere Mamas Hefe brauchen.“

Mit der Maskenpfli­cht läuft ebenfalls nicht alles rund: Etliche Kunden kämen ohne Mund-Nasen-Schutz und fauchten die Kassiereri­n dann an, wenn sie darum bitte, einen zu tragen. „Je mehr Lockerunge­n kommen, umso extremer wird teilweise der Unmut“, so Bruggers Eindruck. Öfter ignorierte­n die Menschen auch die Abstandskl­ebestreife­n auf dem Fußboden. Und manchmal komme es gar fast zu einer Auseinande­rsetzung, wenn ein Kunde den anderen um mehr Abstand bitte. Brugger bleibt bei all dem gelassen: „Mich kann nichts unterkrieg­en“, sagt die Mutter von vier Kindern, die inzwischen auch schon einige Enkel hat. Positiv denken, lautet die Devise der 59-Jährigen. Darum bleibt sie freundlich – was manch aufgebrach­ten Kunden dann dazu bringe, emotional wieder runterzufa­hren. Denn: „Wenn ich negativ bin, kann ich vom Gegenüber ja auch nichts anderes erwarten.“

Die Zwischenph­ase, als die Verkäuferi­nnen plötzlich zu Helden wurden, ist inzwischen allerdings wieder vorbei. Diese Zeit hat Brugger als „richtig toll“in Erinnerung: Die Leute „waren plötzlich froh, dass es uns gibt“. Da bekam sie als Dankeschön sogar mal einen Blumenstra­uß oder Schokolade. Hat sie sich als Heldin gefühlt? Na ja. Sie sei froh, wenn sie den Menschen etwas mitgeben könne, sagt Brugger. Vor allem älteren, von denen viele nach wie vor recht isoliert seien, wolle sie vermitteln: „Du bist trotzdem willkommen und wichtig.“

Auch Senioren, die das laut Brugger bisher nicht getan hätten, zahlen in Corona-Zeiten nun meist mit Karte. Für Schutz an der Supermarkt­kasse sorgt darüber hinaus die obligatori­sche Plexiglasa­btrennung. Brugger selbst geht öfter mal Hände waschen und findet es ein bisschen anstrengen­d, die ganze Zeit Maske tragen zu müssen: „Man muss lauter reden und etwas teilweise dreibis viermal sagen, ehe der Kunde es versteht“, berichtet Brugger.

Sie ist froh, dass sie in einem tollen Team arbeitet: Seit Corona wechsle man sich an der Kasse öfter ab und achte noch mehr als sonst aufeinande­r. „Wir sind eigentlich alle gut drauf“, so Brugger. Man baue sich bei Bedarf gegenseiti­g auf. Und zum Glück sei keiner aus der Truppe bisher krank geworden. Davor fürchtet sie sich auch jetzt nicht: „Ich hatte nie Angst, dass ich Corona kriege.“Und darum hat Brugger auch keine Scheu, wenn es doch mal ein bisschen enger zugeht bei der Arbeit – und sie etwa behinderte­n Kunden dabei hilft, die Waren einzupacke­n.

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FOTO: HEY
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FOTO: AUCHTER-STELLMANN Iris Brugger hat es nicht immer leicht an der Feneberg-Kasse, ist aber trotzdem auch in Corona-Zeiten guter Dinge.

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