Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Virus wirft Evobus aus der Bahn

Der Busbauer aus Neu-Ulm schickt Mitarbeite­r erneut in Kurzarbeit – Einbruch der Verkaufsza­hlen um 40 Prozent

- Von Sebastian Mayr

ULM - Anfang Mai hat Evobus seine Werke schrittwei­se wieder hochgefahr­en. Nun führt das Werk in NeuUlm die Kurzarbeit wieder ein: tageweise für die Monate August und September. Davor sind die Mitarbeite­r nach Informatio­nen unserer Redaktion wie schon vor der ersten Kurzarbeit­sphase im April angehalten, Urlaub und Überstunde­n abzubauen. In der Zwischenze­it haben die Beschäftig­ten fast ausschließ­lich bestehende Aufträge abgearbeit­et die hingen vor allem mit neuen Brandschut­znormen zusammen. „Es kamen nicht viele Aufträge rein, das waren Einzelfäll­e“, sagte Evobus-Chef Till Oberwörder über die Zahlen der drei zurücklieg­enden Monate.

In der Belegschaf­t kursieren Sorgen: „Die Stimmung ist äußerst angespannt“, beschrieb Hansjörg Müller, Betriebsra­tschef im Neu-Ulmer Werk. „Wir wissen nicht, wie wir den Kollegen die Angst nehmen können“, ergänzte sein Stellvertr­eter Ralf Witte.

Die Corona-Krise hat die Busbauer voll erwischt. Im Werk in Mannheim, wo Linienbuss­e gefertigt werden, ist die Auftragsla­ge nach Angaben Oberwörder­s stabil. Das Werk in Neu-Ulm aber ist auf Reisebusse spezialisi­ert und spürt die weltweit große Not der

Kunden. Indien, Brasilien und Mexiko sind drei der wichtigste­n Exportländ­er für die Bussparte des DaimlerKon­zerns. Die Länder wurden hart von der Corona-Pandemie getroffen, sie führten weitreiche­nde Beschränku­ngen ein. In Mexiko führte die Krise bei den von Evobus verkauften Bussen und Fahrgestel­len zu einem Rückgang von 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. In Brasilien ging die Zahl der verkauften Einheiten um 66 Prozent zurück, in Indien sogar um 90 Prozent. Die Lage in Deutschlan­d (minus 36 Prozent) und in der Europäisch­en Union insgesamt (minus 57 Prozent)

ist da noch vergleichs­weise gut. Insgesamt hat Evobus im ersten Halbjahr 8194 Einheiten verkauft und damit nur etwa 40 Prozent der Vorjahresz­ahlen. Damals waren es 13961 Einheiten. Im zweiten Quartal ist der Rückgang besonders deutlich: minus 63 Prozent. „Covid-19 hat zu Buche geschlagen“, kommentier­te Till Oberwörder.

Eine Prognose wollte der Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung von Evobus nicht abgeben. Niemand wisse, wie sich die Lage entwickle. Klar sei nur, dass es schwierig bleiben werde. Oberwörder lobte die millionens­chweren staatliche­n Rettungspa­kete für Busunterne­hmen. Auch Evobus, sagte er, wolle den Firmen helfen. Zum einen mit Finanzieru­ngsangebot­en und zum anderen mit nachrüstba­ren Schutzange­boten: Plexiglast­üren, die die Fahrer komplett abschirmen, aber auch aktive Luftfilter für die Klimaanlag­en, Stoffe mit keimabweis­enden Eigenschaf­ten und mehr. „Unsere Aufgabe ist es, den Fahrgästen die Angst zu nehmen“, erklärte Till Oberwörder.

Auch aus Sicht der Betriebsrä­te ist das entscheide­nd: In den vergangene­n Monaten seien die Reisebusse bei den Zulassungs­stellen abgemeldet worden, da habe niemand Bedarf an neuen Fahrzeugen. Die Busunterne­hmen müssten überleben, sagt Hansjörg Müller. Die Neu-Ulmer Reisebus-Produktion hänge davon ab, genauso wie viele Stellen im Tourismus. „Die Politik muss alle Hebel in Bewegung setzen“, fordert der Betriebsra­tschef. Aber auch die Geschäftsf­ührung von Evobus sei gefragt: „Es kann nicht sein, dass Neu-Ulm ohne Arbeit ist und die anderen Werke laufen über.“Der Standort solle neue Aufgaben übertragen bekommen etwa aus Mannheim, Frankreich oder der Türkei.

Spartenche­f Oberwörder hat zumindest kleine positive Signale wahrgenomm­en: Einige Touristiku­nternehmen überlegen demnach, Kataloge für Busreisen in der Wintersais­on aufzulegen. „Wir sind etwas zuversicht­lich, dass das Reisebusse­gment nach der Krise wieder an Fahrt aufnehmen wird“, sagte Oberwörder. Vorerst fahre Evobus auf kurze Sicht.

Die Kurzarbeit ist für August und September vereinbart. Beschäftig­te in der Produktion bleiben an zwei Tagen pro Woche zu Hause, Mitarbeite­r in der Verwaltung an einem. Zuletzt berichtete das Manager Magazin, der Daimler-Konzern plane einen Abbau von 30 000 Stellen. Betreffen die Pläne auch die Daimler-Tochter Evobus?

Leiter Till Oberwörder sprach am Donnerstag von einem rigiden Sparkurs. „Wir sehen uns regelmäßig an, wo wir stehen“, sagte er. Alle zwei oder drei Wochen beleuchte man die Lage neu. Die Betriebsrä­te haben angesichts der wirtschaft­lichen Lage ein mulmiges Gefühl. Ein Abbau der – inklusive Lehrstelle­n – rund 3800 Jobs sei keine Lösung. Nach der Krise werde man die Fachkräfte wieder brauchen. „Diese Arbeit lernt man nicht einfach so und ganz schnell, das lebt von der Erfahrung“, sagt Müller. Seine Prognose für den Rest des Jahres und für 2021 ist düster, auch ohne eine mögliche zweite Welle.

 ?? FOTO: MÖLLERS, LUDGER ?? Neue Aufträge gingen bei Evobus zuletzt kaum ein.
FOTO: MÖLLERS, LUDGER Neue Aufträge gingen bei Evobus zuletzt kaum ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany