Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Wald voller Probleme
Wie Privatwaldbesitzer unter der dominanten Marktposition des baden-württembergischen Landesforsts leiden
RAVENSBURG - Der Wald in BadenWürttemberg befindet sich in einer dramatischen Lage – und mit ihm die Waldbesitzer. Dürreschäden, Borkenkäferkalamitäten und Sturmschäden haben den Beständen in den vergangenen Monaten und Jahren arg zugesetzt. Zuletzt hat die CoronaKrise die Situation noch einmal verschärft, da sich das anfallende Schadholz zum Teil nicht mehr absetzen ließ. Viele Sägewerke können nicht mehr im gewohnten Umfang produzieren und haben die Abnahme von Hölzern stark zurückgefahren.
Vor allem Privatwaldbesitzer leiden unter der Situation, erklärt Stefan Laur, denn sie haben neben den klimabedingten Herausforderungen, die alle Waldbesitzer treffen, mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Sie bekommen mangels Größe aktuell schlicht kein Bein auf den übersättigten Holzmarkt im Südwesten. Laur ist Vorstand der Holzverwertungsgenossenschaft Oberschwaben, die in den Landkreisen Ravensburg und Bodenseekreis für 8000 Privatwaldbesitzer die Vermarktung von Rundholz übernimmt. Rund 150 000 Kubikmeter Holz, vor allem Fichte, bringt Forstexperte Laur so auf den Markt – in normalen Zeiten.
Doch normal ist zurzeit eben nichts mehr. Denn die Genossenschaft aus Oberschwaben und mit ihr elf weitere Holzverwertungsgenossenschaften in ganz Baden-Württemberg fühlen sich von einem dominanten Marktakteur an die Wand gedrückt: dem Landesforstbetrieb ForstBW. Mit rund 320 000 Hektar Waldfläche ist ForstBW nicht nur der mit weitem Abstand größte Waldbesitzer in Baden-Württemberg. Das als Anstalt öffentlichen Rechts firmierende Unternehmen liegt mit jährlich rund zwei Millionen Kubikmetern eingeschlagenem und verkauftem Holz auch weit vor allen anderen Marktakteuren.
Das war über viele Jahre kein Problem, als ForstBW den Holzverkauf für Privat- und Kommunalwaldbesitzer mit übernahm. Doch im Zuge des Kartellverfahrens zur Rundholzvermarktung in Baden-Württemberg wurde es eins. Angestrengt hatten das die Sägewerke. Sie beklagten die monopolartige Stellung durch den gemeinsamen Holzverkauf aus allen Waldbesitzarten durch die Landesforstverwaltung Baden-Württemberg. Im Ergebnis darf Holz aus dem Privat- und Kommunalwald nicht mehr gemeinsam mit Staatswaldholz verkauft werden.
Aus den einstigen Partnern sind Konkurrenten geworden. Ungleiche Konkurrenten, wie Laur findet, denn ForstBW, so der Vorwurf, der nicht nur von ihm geäußert wird, spiele seine dominante Marktposition zu Lasten des Kleinprivatwaldes aus: „Die Neuorganisation des Landesforstbetriebs stellt sich als klarer
Nachteil für die kleinen Privatwaldbesitzer heraus.“Das sieht auch Marijan Gogic, Forstamtsleiter des Landkreises Ravensburg, so. Seitens des Landesforstbetriebs werde „keinerlei Rücksicht im Holzverkauf auf den Privatwald“genommen. „Das staatliche Holz wurde von den Sägewerken auf Druck von ForstBW sogar bevorzugt abgefahren.“
Während staatliches Sturm- und Käferholz also vorrangig behandelt wird, bleibt privates Holz in vielen Fällen unverkauft an den Waldwegen liegen. Und auch bei der Bindung der knappen Forstunternehmerkapazitäten, beim Holzeinschlag und bei der Holzrückung, spielt der Landesforst seine starke Marktposition zulasten der neuen Wettbewerber aus.
„Nach dem Sturm im Februar hat sich ForstBW große Liefermengen bei den Abnehmern, den Sägewerken, gesichert. Holzvermarktungsgenossenschaften und damit die Privatwaldbesitzer hingegen haben höfliche Absagen bekommen. Wir würden uns wünschen, dass ForstBW angesichts der angespannten Lage auf dem Holzmarkt und der Situation in den Wäldern mehr Rücksicht nimmt“, beklagt Laur. Doch aktuell besetzt vor allem der Landesforst die mehr als knappen Absatzkanäle. Nicht wenige Privatwaldbesitzer haben angesichts hoher Aufarbeitungskosten, niedriger Holzpreise und Liquiditätsprobleme durch den schleppenden Holzverkauf resigniert und überlassen den Wald ihrem Schicksal.
Im Landesforstbetrieb ist man bemüht, die Situation zu deeskalieren. „ForstBW ist durch seine Größe ein solider und verlässlicher Partner für die Sägeindustrie. Zudem haben wir die notwendige Logistik, um liefern zu können. Eine solche Kundenbeziehung ist im Privat- und Kommunalwald gerade erst im Entstehen“, sagt Max Reger, kommissarischer Vorstandschef von ForstBW. Im Übrigen helfe man Privatwaldbesitzern wo es geht, etwa bei der Öffnung der eigenen Nasslager zur Einlagerung von Holz aus dem Privat- und Kommunalwald.
Doch Reger macht auch klar, wo die Grenzen liegen. „Wir legen großen Wert auf eine saubere Trennung zwischen Staatswald auf der einen und Privat- und Kommunalwald auf der anderen Seite. Andernfalls würde sich ForstBW erneut einem Kartellvorwurf aussetzen.“Die kartellrechtskonforme Struktur werde nicht infrage gestellt.
Baden-Württembergs Forstminister Peter Hauk (CDU) wollte auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht näher auf die Vorwürfe eingehen. „Nach den uns vorliegenden Informationen gibt es bei ForstBW nach wie vor einen Einschlagstopp für frisches Nadelstammholz, was zur Marktentlastung beiträgt“, sagte der Minister. Im Übrigen sei der Holzmarkt aktuell ein reiner Käufermarkt, bei dem sich auf Verkäuferseite keine Marktmacht bilden könne. Hauk appellierte gleichzeitig noch einmal an alle Waldbesitzer, „Schadhölzer so schnell wie möglich aufzuarbeiten und aus den Wäldern zu bringen, um angrenzende intakte Bestände nicht zu gefährden“. Das gelte auch für die Wälder von ForstBW.
Mitschwingen dürfte dabei, dass man in der Stuttgarter Staatskanzlei angesichts eines solch gewaltigen Waldvermögens durchaus Gewinne von ForstBW erwartet. Das ist den Grünröcken aus dem Südwesten zuletzt auch gelungen. Im Jahr 2018 erzielte der Landesforstbetrieb im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit – im Wesentlichen die Holzvermarktung – einen Umsatz von gut 149 Millionen Euro. Dem standen
Ausgaben in Höhe von 141 Millionen Euro gegenüber. Unterm Strich blieb ein Ergebnis von gut acht Millionen Euro.
Doch seitdem haben sich die Rahmenbedingungen massiv verschlechtert. Der Holzpreis beim Leitsortiment Fichte, nach wie vor der Brotbaum der Forstwirtschaft, hat sich in den vergangenen drei Jahren fast halbiert und liegt für gute Qualitäten aktuell bei höchstens 50 Euro pro Kubikmeter, für schlechtere Qualitäten sogar weit darunter. Bei Aufarbeitungskosten von rund 30 Euro pro Kubikmeter ist das im ungünstigsten Fall ein Nullsummenspiel. „Ich verrate kein Geheimnis, dass ForstBW in der aktuell schwierigen Situation rote Zahlen schreibt“, sagt Reger. „Das geht nicht nur uns, sondern allen Forstbetrieben an die betriebswirtschaftliche Substanz.“
Die Sägewerke, die gegen die waldbesitzübergreifende Holzvermarktung in Baden-Württemberg opponiert hatten, profitieren von der neuen Situation, in der es nicht nur einen dominanten Marktakteur gibt sondern zusätzlich mehrere kleinere. Den Schwarzen Peter für die Misere im Privatwald wollen sie sich aber nicht zuschieben lassen. Dass ForstBW aufgrund seiner Größe ein bevorzugter Kunde für die Säger sei, bestätigt Johannes Schilling, Geschäftsführer der Holzwerk Schilling GmbH & Co KG aus Rot an der Rot, verweist aber gleichzeitig auf den großen Lieferantenstamm, von dem er Holz bezieht.
Das Sägewerk, seit mehr als 100 Jahren in Familienbesitz, schneidet im Jahr 200 000 Festmeter Holz ein. Zwischen 15 und 20 Prozent davon bezieht Schilling von ForstBW. „Wir wollen uns schon des Risikos wegen nicht von einem großen Lieferanten abhängig machen“, sagt der Unternehmer, dem regionale Bezugsquellen wichtig sind. „Wir sind ein Freund von Holz der kurzen Wege.“
Mit Hilfe seitens der Politik rechnet Holzverkäufer Laur nicht, auch wenn er insgeheim darauf gehofft hatte. Stattdessen müssen er und die rund 8000 von ihm vertretenen Privatwaldbesitzer sich den Marktkräften stellen. Übersetzt heißt das: Einer sich immer mehr konsolidierenden Sägeindustrie mit großen Holzmengen ein größeres Gewicht als Verkäufer entgegenzustemmen. Die Hoffnung: Bündeln genügend Kleine ihre Ausrichtung, horchen auch die Großen auf. „Wir sind mit anderen Holzvermarktungsgenossenschaften im Gespräch und prüfen eine überörtliche Zusammenarbeit“, verrät Laur, schränkt aber ein, dass der wettbewerbsrechtliche Rahmen dem enge Grenzen setzt. Letztendlich geht es aber nur so – durch den gebündelten Holzverkauf marktgerechte Preise zu erzielen, damit ein ertragreiches Wirtschaften im Wald auch künftig gewährleistet ist.