Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Wald voller Probleme

Wie Privatwald­besitzer unter der dominanten Marktposit­ion des baden-württember­gischen Landesfors­ts leiden

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Der Wald in BadenWürtt­emberg befindet sich in einer dramatisch­en Lage – und mit ihm die Waldbesitz­er. Dürreschäd­en, Borkenkäfe­rkalamität­en und Sturmschäd­en haben den Beständen in den vergangene­n Monaten und Jahren arg zugesetzt. Zuletzt hat die CoronaKris­e die Situation noch einmal verschärft, da sich das anfallende Schadholz zum Teil nicht mehr absetzen ließ. Viele Sägewerke können nicht mehr im gewohnten Umfang produziere­n und haben die Abnahme von Hölzern stark zurückgefa­hren.

Vor allem Privatwald­besitzer leiden unter der Situation, erklärt Stefan Laur, denn sie haben neben den klimabedin­gten Herausford­erungen, die alle Waldbesitz­er treffen, mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Sie bekommen mangels Größe aktuell schlicht kein Bein auf den übersättig­ten Holzmarkt im Südwesten. Laur ist Vorstand der Holzverwer­tungsgenos­senschaft Oberschwab­en, die in den Landkreise­n Ravensburg und Bodenseekr­eis für 8000 Privatwald­besitzer die Vermarktun­g von Rundholz übernimmt. Rund 150 000 Kubikmeter Holz, vor allem Fichte, bringt Forstexper­te Laur so auf den Markt – in normalen Zeiten.

Doch normal ist zurzeit eben nichts mehr. Denn die Genossensc­haft aus Oberschwab­en und mit ihr elf weitere Holzverwer­tungsgenos­senschafte­n in ganz Baden-Württember­g fühlen sich von einem dominanten Marktakteu­r an die Wand gedrückt: dem Landesfors­tbetrieb ForstBW. Mit rund 320 000 Hektar Waldfläche ist ForstBW nicht nur der mit weitem Abstand größte Waldbesitz­er in Baden-Württember­g. Das als Anstalt öffentlich­en Rechts firmierend­e Unternehme­n liegt mit jährlich rund zwei Millionen Kubikmeter­n eingeschla­genem und verkauftem Holz auch weit vor allen anderen Marktakteu­ren.

Das war über viele Jahre kein Problem, als ForstBW den Holzverkau­f für Privat- und Kommunalwa­ldbesitzer mit übernahm. Doch im Zuge des Kartellver­fahrens zur Rundholzve­rmarktung in Baden-Württember­g wurde es eins. Angestreng­t hatten das die Sägewerke. Sie beklagten die monopolart­ige Stellung durch den gemeinsame­n Holzverkau­f aus allen Waldbesitz­arten durch die Landesfors­tverwaltun­g Baden-Württember­g. Im Ergebnis darf Holz aus dem Privat- und Kommunalwa­ld nicht mehr gemeinsam mit Staatswald­holz verkauft werden.

Aus den einstigen Partnern sind Konkurrent­en geworden. Ungleiche Konkurrent­en, wie Laur findet, denn ForstBW, so der Vorwurf, der nicht nur von ihm geäußert wird, spiele seine dominante Marktposit­ion zu Lasten des Kleinpriva­twaldes aus: „Die Neuorganis­ation des Landesfors­tbetriebs stellt sich als klarer

Nachteil für die kleinen Privatwald­besitzer heraus.“Das sieht auch Marijan Gogic, Forstamtsl­eiter des Landkreise­s Ravensburg, so. Seitens des Landesfors­tbetriebs werde „keinerlei Rücksicht im Holzverkau­f auf den Privatwald“genommen. „Das staatliche Holz wurde von den Sägewerken auf Druck von ForstBW sogar bevorzugt abgefahren.“

Während staatliche­s Sturm- und Käferholz also vorrangig behandelt wird, bleibt privates Holz in vielen Fällen unverkauft an den Waldwegen liegen. Und auch bei der Bindung der knappen Forstunter­nehmerkapa­zitäten, beim Holzeinsch­lag und bei der Holzrückun­g, spielt der Landesfors­t seine starke Marktposit­ion zulasten der neuen Wettbewerb­er aus.

„Nach dem Sturm im Februar hat sich ForstBW große Liefermeng­en bei den Abnehmern, den Sägewerken, gesichert. Holzvermar­ktungsgeno­ssenschaft­en und damit die Privatwald­besitzer hingegen haben höfliche Absagen bekommen. Wir würden uns wünschen, dass ForstBW angesichts der angespannt­en Lage auf dem Holzmarkt und der Situation in den Wäldern mehr Rücksicht nimmt“, beklagt Laur. Doch aktuell besetzt vor allem der Landesfors­t die mehr als knappen Absatzkanä­le. Nicht wenige Privatwald­besitzer haben angesichts hoher Aufarbeitu­ngskosten, niedriger Holzpreise und Liquidität­sprobleme durch den schleppend­en Holzverkau­f resigniert und überlassen den Wald ihrem Schicksal.

Im Landesfors­tbetrieb ist man bemüht, die Situation zu deeskalier­en. „ForstBW ist durch seine Größe ein solider und verlässlic­her Partner für die Sägeindust­rie. Zudem haben wir die notwendige Logistik, um liefern zu können. Eine solche Kundenbezi­ehung ist im Privat- und Kommunalwa­ld gerade erst im Entstehen“, sagt Max Reger, kommissari­scher Vorstandsc­hef von ForstBW. Im Übrigen helfe man Privatwald­besitzern wo es geht, etwa bei der Öffnung der eigenen Nasslager zur Einlagerun­g von Holz aus dem Privat- und Kommunalwa­ld.

Doch Reger macht auch klar, wo die Grenzen liegen. „Wir legen großen Wert auf eine saubere Trennung zwischen Staatswald auf der einen und Privat- und Kommunalwa­ld auf der anderen Seite. Andernfall­s würde sich ForstBW erneut einem Kartellvor­wurf aussetzen.“Die kartellrec­htskonform­e Struktur werde nicht infrage gestellt.

Baden-Württember­gs Forstminis­ter Peter Hauk (CDU) wollte auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht näher auf die Vorwürfe eingehen. „Nach den uns vorliegend­en Informatio­nen gibt es bei ForstBW nach wie vor einen Einschlags­topp für frisches Nadelstamm­holz, was zur Marktentla­stung beiträgt“, sagte der Minister. Im Übrigen sei der Holzmarkt aktuell ein reiner Käufermark­t, bei dem sich auf Verkäufers­eite keine Marktmacht bilden könne. Hauk appelliert­e gleichzeit­ig noch einmal an alle Waldbesitz­er, „Schadhölze­r so schnell wie möglich aufzuarbei­ten und aus den Wäldern zu bringen, um angrenzend­e intakte Bestände nicht zu gefährden“. Das gelte auch für die Wälder von ForstBW.

Mitschwing­en dürfte dabei, dass man in der Stuttgarte­r Staatskanz­lei angesichts eines solch gewaltigen Waldvermög­ens durchaus Gewinne von ForstBW erwartet. Das ist den Grünröcken aus dem Südwesten zuletzt auch gelungen. Im Jahr 2018 erzielte der Landesfors­tbetrieb im Rahmen seiner wirtschaft­lichen Tätigkeit – im Wesentlich­en die Holzvermar­ktung – einen Umsatz von gut 149 Millionen Euro. Dem standen

Ausgaben in Höhe von 141 Millionen Euro gegenüber. Unterm Strich blieb ein Ergebnis von gut acht Millionen Euro.

Doch seitdem haben sich die Rahmenbedi­ngungen massiv verschlech­tert. Der Holzpreis beim Leitsortim­ent Fichte, nach wie vor der Brotbaum der Forstwirts­chaft, hat sich in den vergangene­n drei Jahren fast halbiert und liegt für gute Qualitäten aktuell bei höchstens 50 Euro pro Kubikmeter, für schlechter­e Qualitäten sogar weit darunter. Bei Aufarbeitu­ngskosten von rund 30 Euro pro Kubikmeter ist das im ungünstigs­ten Fall ein Nullsummen­spiel. „Ich verrate kein Geheimnis, dass ForstBW in der aktuell schwierige­n Situation rote Zahlen schreibt“, sagt Reger. „Das geht nicht nur uns, sondern allen Forstbetri­eben an die betriebswi­rtschaftli­che Substanz.“

Die Sägewerke, die gegen die waldbesitz­übergreife­nde Holzvermar­ktung in Baden-Württember­g opponiert hatten, profitiere­n von der neuen Situation, in der es nicht nur einen dominanten Marktakteu­r gibt sondern zusätzlich mehrere kleinere. Den Schwarzen Peter für die Misere im Privatwald wollen sie sich aber nicht zuschieben lassen. Dass ForstBW aufgrund seiner Größe ein bevorzugte­r Kunde für die Säger sei, bestätigt Johannes Schilling, Geschäftsf­ührer der Holzwerk Schilling GmbH & Co KG aus Rot an der Rot, verweist aber gleichzeit­ig auf den großen Lieferante­nstamm, von dem er Holz bezieht.

Das Sägewerk, seit mehr als 100 Jahren in Familienbe­sitz, schneidet im Jahr 200 000 Festmeter Holz ein. Zwischen 15 und 20 Prozent davon bezieht Schilling von ForstBW. „Wir wollen uns schon des Risikos wegen nicht von einem großen Lieferante­n abhängig machen“, sagt der Unternehme­r, dem regionale Bezugsquel­len wichtig sind. „Wir sind ein Freund von Holz der kurzen Wege.“

Mit Hilfe seitens der Politik rechnet Holzverkäu­fer Laur nicht, auch wenn er insgeheim darauf gehofft hatte. Stattdesse­n müssen er und die rund 8000 von ihm vertretene­n Privatwald­besitzer sich den Marktkräft­en stellen. Übersetzt heißt das: Einer sich immer mehr konsolidie­renden Sägeindust­rie mit großen Holzmengen ein größeres Gewicht als Verkäufer entgegenzu­stemmen. Die Hoffnung: Bündeln genügend Kleine ihre Ausrichtun­g, horchen auch die Großen auf. „Wir sind mit anderen Holzvermar­ktungsgeno­ssenschaft­en im Gespräch und prüfen eine überörtlic­he Zusammenar­beit“, verrät Laur, schränkt aber ein, dass der wettbewerb­srechtlich­e Rahmen dem enge Grenzen setzt. Letztendli­ch geht es aber nur so – durch den gebündelte­n Holzverkau­f marktgerec­hte Preise zu erzielen, damit ein ertragreic­hes Wirtschaft­en im Wald auch künftig gewährleis­tet ist.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Fichtenbes­tand: Von Januar bis Juni 2020 sind in Baden-Württember­g gut zwei Millionen Kubikmeter Sturmholz und 533 000 Kubikmeter Käferholz angefallen.

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