Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lob für „ZF-Tarifvertrag Transformation“
Welche Folgen die Vereinbarung für den Standort Friedrichshafen hat, ist noch offen
FRIEDRICHSHAFEN - Eine Jobgarantie und die Sicherung aller deutschen Standorte bis Ende 2022, Personalabbau vor allem durch Altersteilzeit und Abfindungen, die mögliche Absenkung der Arbeitszeit auf 80 Prozent – mit dem am Freitag vorgestellten „Tarifvertrag Transformation“wollen Vorstand, Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall die ZF durch die Corona-Krise und den Wandel in der Automobilindustrie führen. Was die Vereinbarung für den Standort Friedrichshafen und seine rund 9500 Beschäftigten bedeutet, ist eine offene Frage.
ZF-Chef Wolf-Henning Scheider und Achim Dietrich, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, haben die Häfler Mitarbeiter am Freitagvormittag direkt über das Papier informiert. Weil die Betriebsversammlung virtuell war, lässt sich weder über die Teilnehmerzahl noch über die Reaktion der Belegschaft Gesichertes berichten. Achim Dietrich erzählte jedoch bei einem Pressegespräch gegen Mittag, dass ihn schon viele erleichterte Rückmeldungen erreicht hätten. Der Betriebsratschef führt die erfolgreichen Verhandlungen mit dem Vorstand, dessen Ankündigung, bis zu 15 000 Stellen weltweit streichen zu wollen, für erheblich Unruhe gesorgt hatte, auch auf die deutschlandweiten Proteste der IG Metall zurück. „Es kam zu sehr kreativen Aktionen, Fahrraddemos zum Beispiel oder Menschen mit Zeppelinbärten“, sagte der Betriebsratsvorsitzende. „Da war sie wieder, die viel beschworene ZFKultur.“Die Arbeitnehmervertretung habe bewiesen, dass sie auch in Coronazeiten handlungsfähig sei.
Besonderes Lob vom Betriebsratschef bekam der Vorstand für seine Zusage, an der Ausbildung nicht zu rütteln. „ZF kommt damit weiterhin ihrer gesellschaftspolitischen Verpflichtung nach“, kommentierte Dietrich. Sein Kollege Franz Josef Müller, der den Betriebsrat für den Bereich Z leitet, in dem vor allem Entwickler und Mitarbeiter der Konzernzentrale arbeiten, richtet sein Augenmerk auf die rund 300 befristet Beschäftigten am Standort Friedrichshafen. „Wir kämpfen dafür, dass sie an Bord der ZF bleibt“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“, schränkte aber ein: „Leider ist hier unser Hebel sehr kurz.“
Lob für die Vereinbarung kam auch von Andreas Moser, Leiter der in Friedrichshafen beheimateten ZFDivision Nutzfahrzeugtechnik: Sie gebe „den Beschäftigten Sicherheit und uns die nötige Flexibilität, unsere Kapazitäten schnell und sozialverträglich an die veränderte Marktlage anzupassen. Und sie gibt uns die nötige Zeit, um für die langfristige Ausrichtung der Nutzfahrzeugtechnik am Standort Friedrichshafen gemeinsam neue Perspektiven
zu entwickeln. Diesen Weg haben wir bereits eingeschlagen, jetzt wollen wir ihn auf Basis der bereits erarbeiteten Konzepte mit neuen Ideen und unserer Anpassungsbereitschaft
an das, was der Markt verlangt, weitergehen.“
Andreas Brand, Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen, Mitglied im ZF-Aufsichtsrat und Vertreter
des Hauptgesellschafters, der Zeppelin-Stiftung, sagte: „Es gehört zum Selbstverständnis von ZF, dass sie gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern nach Lösungen sucht und gemeinsam den sogenannten ZF-Weg geht. Die vereinbarten Maßnahmen zeugen davon, dass dieses Prinzip, der ZF-Weg, auch in dieser Krise gilt.“
Die Jobs in Friedrichshafen waren schon vor Abschluss des „Tarifvertrags Transformation“durch die Standort- und Beschäftigungssicherung aus dem Jahr 2016 bis Ende 2022 gesichert. Weil die weiterhin in Kraft ist, steht der Konzern auch weiter in der Pflicht, 600 Millionen Euro in den Umbau der Werke am Bodensee zu stecken. Ein Teil des Geldes ist schon zum Beispiel in Maschinen für neue Produkte wie den elektrischen Zentralantrieb Cetrax oder Powerline, ein Automatikgetriebe für mittelschwere Lastwagen und Pick-ups, geflossen. Wie viel von den 600 Millionen schon investiert sind und wohin der Rest fließen soll, dazu gab es am Freitag allerdings uch auf Nachfrage von ZF keine konkreten Auskünfte.
Was nach 2022 in Friedrichshafen und den anderen deutschen Standorten, an denen 50 000 Menschen beschäftigt sind, passiert, wird erst in den kommenden Monaten entscheiden. Die Standortleitungen werden sich mit den örtlichen Arbeitnehmervertretern zusammensetzen und sich laut ZF „auf Basis der jetzt getroffenen Regelungen über die Themen Kapazitätsanpassung und zukünftige Ausrichtung der Standorte verständigen“.